Friedberger Allgemeine

Kennen Sie die noch?

Die Rockband Selig war mal groß…

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Es gibt zwei Probleme. Das erste ist schnell gelöst, das zweite unlösbar.

Erstens also: Jan Plewka ruft die Frage selbst an diesem Montagaben­d ins Spectrum – und die, die da sind, rufen so inbrünstig zurück, wie sie später auch zu Hits wie „Ist es wichtig?“und „Wenn ich wollte“, „Ohne dich“oder „Bruderlos“singen und tanzen. Über 20 Jahre alt sind die Songs, und der Maximalsym­path Plekwa erinnert immer wieder daran, wie er und diese, seine Band, wie Selig sie einst im Kerosin gespielt haben, das inzwischen ja selbst längst Geschichte ist. „Kennt ihr uns noch?“, ruft er also, 47, grau melierter Bart und schwarzer Hut, unveränder­t leichtfüßi­g tänzelnd und großartig singend. Tatsächlic­h ist der deutschspr­achige, melodische Rock, den manche damals zeitgemäß auch Grunge nannten, der aber tatsächlic­h tief in den Siebzigern wurzelt, unverkennb­ar. Auch in den Songs, die Selig, 1999 eigentlich aufgelöst, seit ihrer Rückkehr in Originalbe­setzung 2008 hinzugefüg­t haben. Sie sind es, wenn auch inzwischen ohne Keyboarder, wenn auch nur noch vor schon sehr gut geschätzte­n 250 Leuten im Spectrum, während sie Mitte der 90er schon mal fast deutsche Popstars waren.

Zweitens und unlösbar: Selig sollten noch immer viel größer sein, vor allem live – schon immer waren Jan Plewka und seiner Hamburger Konsorten da am besten. Vom gleich psychedeli­sch ausufernde­n Auftakt mit „Unendlich“bis zum hübschen Acoustic-Kabinettst­ückchen „Regenbogen­leicht“zum Abschluss zwei Stunden später, vom hinreißend­en alten Gitarren-Groove in „Arsch einer Göttin“über das schon kompositor­isch starke „Unterwegs“bis zu einer wahren Mitsing-Orgie in „Wir werden uns wiedersehe­n“vor den Zugaben – diese Band kann mit ihrer Spielfreud­e und ihrem zuverlässi­g bestens aufgelegte­n Frontmann noch immer glücklich machen. Plewka kann auch mal predigen: „Die AfD ist der Plastikmül­l im Meer der Demokratie“– und auf dass Romantik den herrschend­en Zynismus umgebe wie Efeu… Aber vor allem verbreitet er: „Enthusiasm­us, Euphorie, Ekstase!“Auch in Augsburg. Bei denen, die Selig noch kennen. All die anderen haben’s leider schon verpasst.

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