Düstere Aussichten für Frauen
Mädchenhandel oder Serienmörder? Mit seinem Krimi-Debüt führt der Augsburger Autor Viktor Glass in die Zeit der Industrialisierung
Augsburg 1890. Es ist eine düstere Zeit in der Fuggerstadt, vor allem für Frauen. Viele verlieren durch die Industrialisierung ihre Anstellung als Dienstmädchen. Der technische Fortschritt verdrängt die Handarbeit und macht damit etliche Arbeitsplätze überflüssig. Die Betroffenen treibt das in die Existenznot. Den einzigen Ausweg sehen viele Mädchen im Selbstmord. Andere verschwinden spurlos. Hier setzt der erste Kriminalroman des Wahl-Augsburgers Victor Glass, „Schüssler und die verschwundenen Mädchen“(Pendragon Verlag, 13 Euro) ein.
Mit Ludwig Schüssler und Caroline Geiger erschafft er zwei liebenswürdige Sonderlinge als Ermittlerduo. Sie sind die typischen Einzelgänger. Der Altbayer Ludwig Schüssler qualmt mit Vorliebe Virginia-Zigarren im Lahmen Hasen in Oberhausen und liest dabei Zeitung. Die Schwäbin Caroline Geiger ist eine resolute Frau, die sich als Haushälterin selbstständig gemacht hat und durch ihre Hartnäckigkeit und ihren Spürsinn Schüssler eine große Hilfe ist. Handelt es sich bei dem Fall etwa um organisierten Mädchenhandel oder treibt gar ein Serienmörder sein Unwesen? Für Schüssler und Caroline beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Viktor Glass, der unter Pseudonym schreibt, lebt seit 18 Jahren in Augsburg und hat sich bereits für eine Biografie über Rudolf Diesel mit der Sozial- und Industriegeschichte der Stadt beschäftigt. Bei seinen Recherchen im Stadtarchiv stieß er um die Jahrhundertwende auf viele Heiratsannoncen junger Mädchen und auch auf tragische Selbstmord-Meldungen. Diese Geschichten ließen Glass nicht mehr los, bis er sie in seinem Krimi-Debüt verarbeitete.
Sein Roman ist kein reißerischer Thriller und trotz des schweren Themas entspannende Lektüre. Der Krimiplot ist einfach gehalten, das Erzähltempo ist langsam. Es fehlen jedoch unvorhergesehenen Wendungen, da der Leser durch die Gedanken des Ermittlerduos stringent geführt wird. Trotzdem zieht die Geschichte in ihren Bann. Mit schlichter Sprache führt Glass den Leser durch Augsburg und seine Umgebung und schafft es, ein lebhaftes Bild der unruhigen Zeit um 1900 zu zeichnen. Damals, als „die Hufe über das nasse Kopfsteinpflaster klapperten und die eisenbereiften Kutschenräder ohrenbetäubend klirrten.“Das Geschepper der Tram am Rathausplatz fügt sich dabei schon fast in die Geräuschkulisse der damaligen Zeit ein, als Viktor Glass in der Buchhandlung Pustet aus seinem Roman vorliest.
Ortskundige Augsburger werden Plätze und Straßen im Krimi wiedererkennen. Das Wirtshaus „Der Lahme Hase“gibt es allerdings nicht, schickt Glass bei seiner Lesung voraus. Das Hasenbräu inspirierte ihn zu dem Namen. Ein Jahr recherchierte er für seinen DebütKrimi und er arbeitet bereits an einer Fortsetzung.