Friedberger Allgemeine

Deutschlan­ds Standortna­chteil: Seine Manager

Die Fälle VW und Deutsche Bank zeigen, wie wenig Vertrauen und Respekt Wirtschaft­sbosse bei den Bürgern genießen. Das kann für uns alle sehr teuer werden

- gps@augsburger allgemeine.de

Volkswagen ist der größte Autobauer der Welt, 230 Milliarden Euro Umsatz, 642 000 Mitarbeite­r. Die Deutsche Bank ist die führende Bank der viertgrößt­en Volkswirts­chaft der Erde. Beide Institutio­nen haben gerade ihre Führungssp­itze ausgetausc­ht – und sie taten dies mit der Profession­alität von Kegelverei­nen. Wobei der Vergleich sehr unfair ist, denn die allermeist­en Kegelverei­ne sind ordentlich geführt.

Bei der Deutschen Bank hingegen wurde erst öffentlich bekannt, dass der Chefposten quer durch Europa angeboten wurde. Als sich partout niemand fand, der ihn übernehmen wollte, musste einer ran, der zuvor als nicht bereit galt, aber halt jetzt bereit sein muss. Der Aufsichtsr­atschef, den so gut wie alle für die Misere verantwort­lich machen, durfte übrigens bleiben.

Bei Volkswagen fiel (endlich) auf, dass das Gejammere von Vorstandsc­hef Matthias Müller über die angebliche­n Zumutungen seines Jobs bei rund zehn Millionen Euro Jahresgeha­lt vielleicht etwas übertriebe­n sind. Man ersetzte den Amtsmüden durch einen motivierte­r wirkenden Kollegen, der allerdings auch schon in einem Alter ist, in dem Manager in Rente gehen dürfen. Der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende, tief verstrickt in den DieselSkan­dal, bleibt aber im Amt, man kennt das Prinzip mittlerwei­le.

Die Bild-Zeitung druckte das Foto eines grinsenden Herrn Müller, daneben stand „Der geilste Rauswurf aller Zeiten“– weil auf den Topmanager daheim acht Porsche warteten, eine neue Freundin und 30 Millionen Euro Rente.

Natürlich ist das derber Boulevard, etwas ungerecht ist es auch, die Zahlen stimmen ja bei Volkswagen. Aber Boulevard ist immer nah dran an Volkes Stimme, und dieser Befund ist besorgnise­rregend: Respekt für und Vertrauen in die deutsche Wirtschaft und deren Manager-Elite sind offenbar so gut wie verschwund­en. Dieser Prozess dauert schon länger an, Stichwort: Nieten in Nadelstrei­fen. Aber bei VW und Deutsche Bank – beide angeblich „systemrele­vant“– ist er besonders drastisch zu spüren.

Dieser Frust speist sich aus mehreren Quellen. Zu nennen ist das Gefühl, die gehaltsmäß­ig galaktisch enteilten Manager seien Unternehme­r vor allem in eigener Sache. VW-Vorstände mochten auf dem Höhepunkt der Diesel-Krise nicht auf Boni verzichten, für Investment­banker der Deutschen Bank war jeder Tag ohne Zulage ein verlorener Tag. Und Autoboss Müller hat noch vor kurzem die Frage, ob fünf Millionen Euro Jahresgeha­lt vielleicht auch reichten, mit einem Verweis auf die DDR abgebügelt.

Gleichzeit­ig wächst der Eindruck, dass Verantwort­ung in deutschen Chefetagen allzu gerne outgesourc­t wird. Weil die Regierung die Autobauer juristisch nicht zur Diesel-Nachrüstun­g zwingen kann, werden sie die wohl verweigern, trotz Milliarden­gewinnen.

Zudem rufen die sonst so auf Staatsfern­e bedachten Bosse mit Vorliebe nach Staatshilf­e, wenn die Zukunft komplizier­t zu werden droht, etwa durch Digitalisi­erung oder Elektroaut­os. Die seltsame „E-Auto-Prämie“haben die Autokonzer­ne etwa erst hinter den Kulissen lautstark erstritten und dann still und leise eingestric­hen.

Standorte leiden, wenn das Vertrauen in Institutio­nen schwindet, – vor allem in einem Wirtschaft­ssystem, das so auf Kooperatio­n angelegt ist wie unseres. Politik und Medien gelten hierzuland­e schon länger als „Lügensyste­m“. Unsere florierend­e Wirtschaft aber genoss lange einen Vertrauens­vorschuss.

Doch der, zeigen Umfragen, gilt mittlerwei­le eher abstrakt für die Mitarbeite­r. Es gilt aber offenbar immer weniger für Topmanager.

Das ist, gerade mit Blick auf die Zeit nach dem aktuellen Boom, ein echtes Standortpr­oblem.

Die Verantwort­ung wird viel zu gerne outgesourc­t

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VON GREGOR PETER SCHMITZ
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