Das Wolfsburger Stühlerücken
An der VW-Spitze muss Matthias Müller seinen Platz räumen. Und bei Audi in Ingolstadt fragt man sich: Kann sich Vorstandschef Stadler halten?
Augsburg Der Flurfunk, der bekanntlich effektivste Nachrichtenkanal in einem Unternehmen, war im Volkswagen-Konzern am Mittwoch voll im Gang. Denn bevor spätestens am Freitag der Aufsichtsrat die Ablösung von Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller offiziell bekannt geben wird, gibt es allerhand Folgethemen, die in Wolfsburg noch diskutiert werden.
Nachdem offenbar klar ist, dass Markenchef Herbert Diess auf Müller an der Spitze des Autokonzerns folgen wird, stellt sich zunächst die Frage: Was wird aus Müller? Verlässt er den Konzern wirklich oder wird er doch an anderer Stelle eingesetzt, wie manche munkeln?
Fakt ist: Der frühere PorscheMann hatte das Steuerrad in Wolfsburg übernommen, kurz nachdem im Herbst 2015 die Manipulationen an Millionen Dieselwagen bekannt wurden. Der zu dieser Zeit fast allmächtige Martin Winterkorn musste damals gehen. Müller hat seine Sache, so hört man im VW-Konzern, trotz einiger peinlicher Kommunikationspannen auch nicht ganz schlecht gemacht.
Er verärgerte zwar viele in der Autobranche mit einer Kehrtwende, als er die niedrigere Steuer auf Diesel in Subventionen für Elektroautos umlenken wollte. Und er brachte die Öffentlichkeit und vermutlich auch die Kapitalseite im VW-Aufsichtsrat gegen sich auf, weil er seine Gehaltsgrenze in Höhe von zehn Millionen Euro im Jahr mit den Zuständen in der DDR verglich. Auf der anderen Seite steht aber: Müller gelang es auch, den Konzern trotz des Diesel-Skandals wirtschaftlich auf Kurs zu halten und wichtige produkttechnische sowie strukturelle Erneuerungsschritte einzuleiten. Doch offenbar reichte das dem Machtzirkel bei Volkswagen nicht. Dort ziehen immer noch so mächtige Kontrolleure ihre Strippen wie: die Mehrheitseigner der Familien Porsche und Piëch, die Arbeitnehmer um Betriebsratschef Bernd Osterloh, das Land Niedersachsen, das Scheichtum Katar.
Mit Matthias Müller abtreten muss dem Vernehmen nach auch Personalvorstand Karlheinz Blessing. Als sein Nachfolger wird Gunnar Kilian gehandelt. Und der ist wiederum ein enger Vertrauter des einflussreichen Vorsitzenden des Gesamt- und Konzernbetriebsrats, Bernd Osterloh. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, so hört man in Konzernkreisen, dass am Freitag noch weitere Personalien beschlossen werden.
Eine ist offenbar (noch) nicht dabei. Audi-Chef Stadler soll seinen Posten nicht räumen müssen, obwohl entsprechende Gerüchte aus interessierten Kreisen zuletzt bereits im Februar gestreut wurden. Damals berichtete die Bild-Zeitung, dass er als Finanzvorstand zur Konzernmutter wechseln soll. Angeblich genießt Stadler aber vonseiten der Mehrheitsaktionäre nach wie vor ausreichend Vertrauen.
Unter der Belegschaft in Ingolstadt herrscht trotzdem weiterhin Unruhe, obwohl sich einer der als Stadler-Nachfolger Gehandelten sozusagen selbst aus dem Kandidatenrennen verabschiedete: BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich signalisierte nämlich, dass er kein Interesse an einem Wechsel zu Audi nach Ingolstadt habe. Fröhlich betonte: „Nein, ich will nicht AudiChef werden.“Auf seinen früheren BMW-Kollegen und künftigen Volkswagenchef Herbert Diess angesprochen, sagte er: Zu ihm habe er kein Verhältnis – weder ein gutes noch ein schlechtes.
Audi-Gesamtbetriebsratschef Peter Mosch wollte gestern auf Anfrage unserer Zeitung übrigens zu den aktuellen Themen nicht Stellung nehmen. Er sei nach Wolfsburg unterwegs. Dort wird er morgen für die Arbeitervertreter im Aufsichtsrat über die Zukunft an der Spitze des Volkswagen-Konzerns mit seinen weltweit 650000 Beschäftigten abstimmen.