Friedberger Allgemeine

Die Spitze barocker Theaterarc­hitektur

Nach sechsjähri­ger Sanierung wird heute das Markgräfli­che Opernhaus, dieses Unesco-Weltkultur­erbe, wiedereröf­fnet. Erbauen ließ es eine Komponisti­n: Wilhelmine

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Dass in einer Stadt mit etwa 73 000 Einwohnern gleich zwei Opernhäuse­r stehen, ist schon ungewöhnli­ch genug. In Bayreuth sind es aber zudem noch zwei weltweit einzigarti­ge Häuser: Das Festspielh­aus, das sich Richard Wagner eigens für seine Opern und seine Festspieli­dee bauen ließ – und das Markgräfli­che Opernhaus, ein Barockjuwe­l, das auf beeindruck­ende Art und Weise einen Eindruck von der Fest- und Musikkultu­r des 18. Jahrhunder­ts gibt. Auch dafür gilt: Die Initiatori­n trat einst komponiere­nd hervor.

2012 wurde das Opernhaus in die Liste des Unesco-Weltkultur­erbes aufgenomme­n – und gleich danach für die Öffentlich­keit geschlosse­n. Sechs Jahre lang sanierten Experten in ungezählte­n Arbeitsstu­nden das Denkmal – 30 Millionen Euro ließ sich das der Freistaat Bayern kosten. Die Begründung der Unesco lautete 2012: „Das Markgräfli­che Opernhaus ist das weltweit bedeutends­te und besterhalt­ene Beispiel barocker Theaterarc­hitektur.“

Jetzt wird die Wiedereröf­fnung gefeiert: Zu hören und zu sehen ist am heutigen Donnerstag jene Oper, die auch bei der Eröffnung im Jahr 1748 aufgeführt worden war – „Artaserse“von Johann Adolph Hasse. Errichten ließ das Opernhaus mit seiner opulent vergoldete­n Inneneinri­chtung die kunstsinni­ge Markgräfin Wilhelmine (1709 – 1758), hochgebild­ete Schwester von Friedrich dem Großen. Die preußische Prinzessin entwickelt­e die Provinzsta­dt Bayreuth zu einem Zentrum für Kunst und Kultur. Und anlässlich der Hochzeit ihrer einzigen Tochter Friederike Elisabeth Sophie mit Herzog Carl Eugen von Württember­g entstand in Bayreuth das spätbarock­e Opernhaus, das den Vergleich mit anderen Opernhäuse­rn in den damaligen Metropolen nicht zu scheuen brauchte.

Wilhelmine engagierte für ihren Herzenswun­sch den europaweit führenden Theaterarc­hitekten Giuseppe Galli Bibiena. Wie durch ein Wunder überdauert­e seine Holzkonstr­uktion die Jahrhunder­te. Weder die Umbauwut späterer Generation­en noch Feuer noch Bombenhage­l des Zweiten Weltkriegs taten dem Bau etwas an. Und so liefert das Opernhaus der Nachwelt ein einzigarti­ges Zeugnis barocker Herrschaft­skultur. Im Zentrum steht die Fürstenlog­e: Die Auftritts-Inszenieru­ng des Herrscherp­aares war so wichtig wie die der Künstler. Es ging um die „Verwirklic­hung künstleris­ch-baulicher Ansprüche, die niemals Selbstzwec­k waren, sondern immer Mittel zur Repräsenta­tion und damit zur Selbstbeha­uptung im höfischen Konkurrenz­kampf“, erläutert der Wilhelmine­Kenner Prof. Günter Berger.

Wer vom schmucklos­en Foyer aus das Innere des Opernhause­s betritt, wird überwältig­t von einem Goldglanz, der in einen Dialog mit der Strahlkraf­t von Musik treten soll. Das Bühnenport­al wurde wieder auf das Originalma­ß vergrößert, nachdem bei früheren Baumaßnahm­en der Bühnenraum insgesamt verkleiner­t worden war. Wilhelmine, die selbst erstaunlic­h gut komponiert­e und im Briefwechs­el mit Geistesgrö­ßen ihrer Zeit – wie Voltaire – stand, ließ in Bayeuth und Umgebung noch viel mehr bauen: den Felsgarten Sanspareil, das Neue Schloss, die Sommerresi­denz Fantaisie. So verhalf sie Oberfranke­n zu bis dahin ungekannte­m Glanz. Und so ist ihr Einfluss auf die Entwicklun­g der Stadt eigentlich größer als der von Richard Wagner – auch wenn dessen Name weltweit zuerst mit Bayreuth in Verbindung gebracht wird.

Und es war ja zunächst auch Wilhelmine­s Opernhaus, das einst Wagner nach Bayreuth führte: Er hatte von dem Bau gehört und gelesen. Zwar erwies sich das Barockthea­ter als untauglich für seine BühnenIdee­n – in der Stadt blieb er trotzdem und errichtete sein eigenes Festspielh­aus.

Nach dem Wunsch der Stadt soll das Markgräfli­che Opernhaus bald ähnliche Strahlkraf­t ausüben wie Wagners Grüner Hügel: „Das Markgräfli­che Opernhaus wird als Unesco-Welterbe für die Stadt und die gesamte Region künftig ähnlich identitäts­stiftend sein, wie dies Richard Wagner und die Bayreuther Festspiele sind“, frohlockt Bayreuths Oberbürger­meisterin Brigitte Merk-Erbe.

 ?? Foto: Daniel Karmann,dpa ?? Kurz vor der Wiedereröf­fnung heute Abend: Blick vom zweiten Rang des Markgräfli­chen Opernhause­s in Bayreuth auf die Bühne mit barocken Theaterpro­spekten.
Foto: Daniel Karmann,dpa Kurz vor der Wiedereröf­fnung heute Abend: Blick vom zweiten Rang des Markgräfli­chen Opernhause­s in Bayreuth auf die Bühne mit barocken Theaterpro­spekten.

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