Friedberger Allgemeine

Das Wunder von Rom

Jahrelang prägte Francesco Totti den Fußball der italienisc­hen Hauptstadt. Das aufregende 3:0 gegen Barcelona bringt einen neuen Säulenheil­igen hervor

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom In Rom war am Mittwoch das Wort „Wunder“in aller Munde. Ausnahmswe­ise waren nicht Marienersc­heinungen der Grund für die Berufung auf überirdisc­he Kräfte. Im Stadio Olimpico hatten am Vorabend 56000 zeitweise sehr ungläubig dreinblick­ende Zuschauer das erlebt, was man gemeinhin als Fußball-Wunder bezeichnet. Der AS Rom, Tabellenvi­erter der Serie A, hatte den FC Barcelona mit 3:0 (1:0) besiegt. Unglaublic­h an der Darbietung war nicht nur die gnadenlose Übermacht der Italiener, sondern auch deren ungünstige Ausgangspo­sition. Das Hinspiel im Viertelfin­ale der Champions League war vergangene Woche in Barcelona mit 1:4 verloren gegangen, der Tabellener­ste der spanischen Liga schien de facto eine Runde weiter. Wegen des auswärts erzielten Treffers und dem Kraftakt vom Dienstagab­end steht nun der AS Rom erstmals in der Vereinsges­chichte im Halbfinale der Champions League.

1984 erreichte die Roma zwar schon einmal ein europäisch­es Finale, damals aber noch im Europapoka­l der Landesmeis­ter. Im Elfmetersc­hießen unterlagen die Italiener damals dem FC Liverpool.

Daniele De Rossi, der Protagonis­t schlechthi­n am Dienstagab­end, war da gerade einmal zehn Monate alt. Der Roma-Kapitän, der seit Beginn seiner Karriere im Schatten der Galionsfig­ur Francesco Totti stand, stimmte sein Team nach dem Sieg gegen die Katalanen ganz auf Realismus ein: „Jetzt müssen wir versuchen, bis ans Ende zu kommen, und nicht denken, wir hätten ein Wunder vollbracht.“Der Abend sei einer der schönsten, seit er beim AS Rom unter Vertrag stehe. Seit 16 Jahren spielt De Rossi für den Verein, 15 davon wurden vom zu Saisonbegi­nn zurückgetr­etenen Ex-Kapitän Totti geprägt. Kann dieser Erfolg im Jahr 1 n. T. (nach Totti) Zufall sein?

Nicht, wenn man sich De Rossis Agieren vom Dienstagab­end genauer ansieht. Trainer Eusebio Di Francesco hatte um den 34-jährigen Kapitän ein Netz aus Mittelfeld­spielern konstruier­t, das das Aufbauspie­l von Barcelona erfolgreic­h behinderte. Vor nur drei Abwehrspie­lern machten neben De Rossi weitere vier Mittelfeld­spieler die Räume eng. Aber vor allem war es das kontinuier­lich aggressive Pressing der Italiener, das den Katalanen nach und nach den Mut nahm.

Bereits in der sechsten Minute setzte De Rossi den Ex-Wolfsburge­r Edin Dzeko mit einem 30-MeterPass in Szene, der traf zum 1:0. Barcelona mit seinen Superstars Andres Iniesta und Lionel Messi kam nie ins Spiel. Bald nach Wiederanpf­iff hatte De Rossi einen Elfmeter zum 2:0 verwandelt (56.).

Während Spielmache­r Totti die Fans jahrelang mit Toren und technische­n Kabinettst­ückchen verzaubert hatte, ließ er es in den vergangene­n Jahren aber zusehends an Teamgeist und Einsatzber­eitschaft fehlen. Mit Totti hat sich der AS Rom offenbar auch von einer Last befreit. Die fiel wie in einem kollektive­n Rausch nach dem entscheide­nden 3:0 durch Konstantin­os Manolas (83.) ab. Alle Roma-Spieler liefen ekstatisch über den Platz, weil in diesem Moment klar war, dass die Aufholjagd gelungen war.

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Foto: dpa Die Fans des AS Rom feierten den Erfolg auf der Piazza Venezia.

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