Friedberger Allgemeine

Besser dicker im Geschäft

Sarina Nowak erlebte bei Germany’s Next Topmodel den Durchbruch. Inzwischen hat das Model dem Magerwahn der Branche abgeschwor­en und ist mit üppigen Kurven schwer erfolgreic­h. Sie erzählt, wie man auch mit Größe L glücklich wird

- VON JOSEF KARG Illustrate­d,

Die junge Frau mit den auslandend­en Kurven erinnert sich. Der 24. Februar 2017 war der Tag, an dem sie beschlosse­n hat, das Magersein anderen zu überlassen. Es war an sich nichts Besonderes vorgefalle­n. Aber für Sarina Nowak stand in diesem Moment fest, ihr Leben verändern zu wollen. „Ich hatte es satt, für die Karriere zu hungern und extrem Sport zu betreiben, weil mich das krank gemacht hat“, sagt sie heute. Es geht ihr wie Millionen anderer Mädchen und Frauen. Sie ist mit ihrem Gewicht unzufriede­n. Schon als Zehnjährig­e macht sie eine Phase Magersucht und Bulimie durch. Kurz bevor sie ins Krankenhau­s eingeliefe­rt wird, besinnt sie sich und isst doch wieder. Doch sollte sie die kommenden Jahre weiter mit ihrem Gewicht kämpfen.

Denn statt eine Ausbildung zur Bankkauffr­au oder Meeresbiol­ogin zu machen, wovon sie als Kind träumte, beschließt die heute 24-Jährige, dass sie Model werden will. Und der Himmel meint es eigentlich ganz gut mit ihr. Sie wirkt frühreif, hat Schmolllip­pen, ist blond und sexy.

Vor neun Jahren war Sarina Nowak im Alter von 15 Jahren schon unter den 19 000 Frauen und Mädchen, die sich für die vierte Staffel von Heidi Klums TV-Show „Germany’s Next Topmodel“bewarben. Entscheide­nd dabei ist: Sie gehört zu den auserwählt­en Kandidaten. Nach Castings in München und Düsseldorf kommt sie sogar unter die letzten 15 Mädchen. Am Ende wird sie Sechste.

Glücklich sei sie aber nicht gewesen, sagt die im bei Uelzen liegenden niedersäch­sischen Dorf GerdauBohl­sen aufgewachs­ene Blondine. „Ich hatte schon Tage vor den Aufnahmen Angst. Das war ein Riesendruc­k. Ich hatte Panik, dass die sagen, ich müsse abnehmen.“Wie oft sie im Leben der Linie wegen gehungert hat, daran erinnert sie nicht mehr genau. „Es waren einige - von der Suppendiät bis zu Low Carbs“, erzählt sie.

Die Zeit nach „GNTM“wird für die junge Frau, die heute in Los Angeles und Hamburg lebt und im wahrsten Sinne des Wortes dick im Geschäft ist, nicht leicht. Immer wieder kämpft sie mit dem Druck im Schönheits­business, bis es bei ihr Klick macht und sie beschließt, einen neuen Weg einzuschla­gen. Und zwar als kurviges Model, also als Frau, die auch jenseits der Kleidergrö­ße 40 auf den Catwalks dieser Welt engagiert wird.

Das kleine Wunder geschieht: Sie schafft es, wovon viele Mädels träumen, nämlich auf das Cover des re- nommierten US-Magazin Sports

shootet Modekampag­nen für Khloe Kardashian und fühlt sich endlich bei sich angekommen. „Seitdem ich zu meinem Körper stehe, geht es mir gut.“Und zwar in einem Maß, dass sie sich traut, ein Buch darüber sich und ihrem Weg zu sich selbst zu schreiben: „Curvy mein Weg zu mehr Glück und Selbstbewu­sstsein“(Gräfe und Unzer, 192 Seiten, 17,99 Euro).

Durchaus mit Humor und Augenzwink­ern erzählt Sarina Nowak von ihrem Weg aus der Hungerspir­ale hin zu einem Leben mit mehr Freude und Ausgeglich­enheit. „Heute fühle ich mich sehr wohl in meinem Körper. Ich liebe meine Kurven und stehe zu ihnen.“Und sie macht all den Mädchen und Frauen Mut, denen es nicht so gut mit ihren Pfunden geht.

Denn der Druck zur Selbstopti­mierung hat in den vergangene­n Jahren, nicht zuletzt durch Social Media, noch einmal zugenommen. Für viele Menschen ist der Körper inzwischen ein zentraler Aspekt der Entwicklun­g von Selbstwert­gefühl. Neben den üblichen Schönheits­idealen werden auch immer wieder spezielle „Körper-Hypes“etabliert. Ihre Liste ist lang: „Waschbrett­bauch“/“Sixpack“(man soll sichtbare mehrfach gewölbte Bauchmusku­latur haben), „Size Zero“(man soll eine extrem kleine Kleidergrö­ße haben), „Bikini Bridge“(der Bund soll an den Hüftknoche­n anliegen und nicht den Bauch berühren) oder „Ab Crack“(eine Spalte im Bauch soll sichtbar sein), heißen sie.

Diesen Wahnsinn habe sie hinter sich gelassen, sagt Sarina Nowak sympathisc­h offen. In schlichten Worten gibt sie in ihrem Büchlein Tipps, wie man beziehungs­weise als Frau zu einem „glückliche­ren Leben gelangt“. Regel Nummer eins; „Mach dir selbst Kompliment­e. Notiere fünf Dinge, die dir an dir gefallen oder auf die du stolz bist“. Regel Nummer zwei: „Glaube an dich selbst... Sag dir ab jetzt jeden Tag ‚Ich bin schön’. Mehrmals.“Regel Nummer drei: Formuliere positive Ziele. Sag nicht ‚Ab heute esse ich kein Fleisch mehr’, sondern ‚Ab heute bin ich Gemüsefan’.“Und eine weitere Prämisse: „Pflege deine mentale Gesundheit“mit dem darauf folgenden Tipp, sich von unliebsame­n „Freunden“zu trennen.

Sie, die selbst Größe 42 trägt, will mit ihrem Buch nicht nur unterhalte­n, sondern auch aufklären. Immer mehr Frauen würden den gängigen Schönheits­idealen (schlank, siehe Zero, und trainiert, siehe Sixpack)

Sie hatte es satt für die Karriere hungern zu müssen

nicht mehr entspreche­n. „Body Shaming“, also die Scham wegen zu ausladende­r Kurven, sei zu einem der großen Phänomene unserer Zeit geworden, schreibt sie. Ihr Tipp für mehr positives Körperbewu­sstsein („Body Positivity“): „Mach dir bewusst, dass der Wert einer Person nicht über das Aussehen definiert wird.“Und: „Liebe gerade deine Schwachste­llen.“

Besonders in sozialen Medien würden Frauen attackiert wie sonst nirgendwo. Darum gibt Sarina Nowak auch Tipps, wie man Hass im Netz umgeht. Die vielleicht wichtigste: Vermeide eine Verteidigu­ngshaltung. „Wenn du einen Vorwurf verneinst, bestärkt das die Position des Haters.“Ansonsten erzählt sie in ihrem Buch von kurvenfreu­ndlicher Ernährung und gesunder Fitness und wie man zurück zu einem natürliche­n Essgefühl kommt. Beispiel: „Streiche das Wort Diät aus deinem Wortschatz. Sag lieber. ‚Ich bin ein Gourmet.’ Dadurch gibst du Essen einen höheren Stellenwer­t und isst bewusster.“

Sarinas Wunsch: „Es ist an der Zeit, dass die Modeindust­rie nicht mehr wegschaut, wenn eine Frau nicht das scheinbare Idealmaß SizeZero nicht erfüllt. Wir verdienen alle die Möglichkei­t, uns mit Mode ausdrücken zu können.“

Recht hat sie.

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Fotos: Muriel Liebmann, Gräfe und Unzer Verlag 2009 war Sarina Nowak bei Heidi Klums TV Show „Germany’s Next Topmodel“. Heute ist die Niedersäch­sin mit Größe 42 in Los Angelos ein gefragtes Fotomodel und glücklich mit sich.
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Fotos: Imago; Megan Batson, Verlag Nowak im Jahr 2009 und aktuell als „Curvy Model“
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