Wie viel Streit Kinder mitkriegen dürfen
Wenn aus einem Paar Eltern werden, gibt es of mehr Streitgründe. Wie soll man damit vor den Kindern umgehen?
Mal geht es ums Geld, mal darum, wer mehr Freizeit hat oder das meiste im Haushalt macht: In jeder Familie gibt es Streit. Doch wie trägt man Konflikte aus, wenn Kinder mit im Haus leben? Oder bekommen es kleine Kinder noch gar nicht mit, wenn ihre Eltern sich in den Haaren liegen? Mitnichten: Kinder sind sehr feinfühlig, was Mimik, Gestik und Stimmlage betrifft.
„Zu glauben, dass Kinder es nicht merken, wenn die Eltern sich streiten, ist sicherlich nicht der Fall“, erklärt Psychotherapeutin Karin Kutz. Eltern sollten sich deshalb generell bemühen, vor kleinen Kindern bis zum Grundschulalter nicht zu streiten: „So junge Kinder können den verbalen Inhalt noch gar nicht aufnehmen. Sie sehen nur wütende Gesichter, vielleicht wird es sogar laut, und das ist für kleine Kinder extrem bedrohlich.“
Runterschlucken müssen Eltern ihre Wut aber auch nicht: Sie sollten mit dem Partner einfach verabreden, das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt fortzuführen - wenn das Kind nicht dabei ist.
Streit lässt sich grob gesagt in zwei Kategorien einteilen: konstruktiven und destruktiven. Bei konstruktivem Streit diskutieren verschiedene Parteien über ein Problem und suchen gemeinsam nach einer Lösung. Bei destruktivem Streit versucht jedoch der eine, den anderen niederzumachen oder ihn zu unterdrücken: „Wenn es in Richtung Schimpfworte oder Beleidigungen geht, dann ist es ein Streit, aus dem nur Verlierer herausgehen“, erklärt der Familien-Therapeut Detlef Jahn.
Beobachten Kinder konstruktiven Streit, können sie lernen, wie man mit Situationen umgeht, die einem nicht passen. Grundsätzlich ist Streitkultur etwas, mit dem man nicht geboren wird. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder dies in einem gesicherten Umfeld wie der Familie üben. Kinder sollten außerdem mitbekommen, dass es verschiedene Ansichten geben kann: „Kinder lernen am meisten am Vorbild“, sagt die Elternberaterin Felicitas Richter. „Gut ist, wenn sie mitbekommen, wie man für die eigene Meinung eintritt.“
Ein weiterer Aspekt ist die Rolle des Kindes innerhalb des Streits. Das Kind darf weder das Gefühl haben, dass es schuld an dem Streit sei, noch sollte es in den Streit hineingezogen werden. „Eltern sollten ihrem Kind im Streit erklären: Pass auf, es geht jetzt gerade nicht um dich, sondern wir streiten uns um die Unordnung im Haus“, nennt Richter als Beispiel. Gefährlich werde es, wenn ein Elternteil versucht, das Kind auf seine Seite zu ziehen: „Denn dann gerät das Kind in einen Loyalitätskonflikt.“Außerdem dürfe keiner das Kind als Druckmittel gegenüber dem Partner benutzen. Das schade dessen psychischer Entwicklung.
Kinder dürften niemals als Anwalt oder als Beistand in einem
Dauerstreit kann schlimmer sein als eine Trennung
Streit der Eltern missbraucht werden, betont auch Familien-Therapeut Jahn: „Ich habe extra Missbrauch gesagt, weil das eine Leistung ist, die Kinder nicht erbringen können.“Wenn die Eltern merken, dass sie es alleine nicht schaffen, ihren Streit beizulegen, können Paarberater oder Mediatoren helfen. Denn auf lange Sicht gesehen, so lautet die Erfahrung der Psychotherapeutin Kutz, leiden Kinder unter Dauer-Streit der Eltern noch mehr als unter einer Trennung.