Friedberger Allgemeine

Von Kabul an den Kirchplatz

Vor 25 Jahren startete Aziz Farah in Mering eine neue Existenz. Sein Laden dient nicht nur zum Einkauf

- VON PETER STÖBICH

Mering Seit einem Vierteljah­rhundert betreibt Aziz Farah sein kleines Gemüse- und Obstgeschä­ft am Meringer Kirchplatz. Das Jubiläum feierte er jetzt mit seiner Familie und vielen Stammkunde­n, die ihm zum Teil schon in der zweiten Generation die Treue halten.

Begriffe wie Integratio­n und Obergrenze waren noch nicht in aller Munde, als der gebürtige Afghane vor 25 Jahren nach Mering kam. „Damals hatte ich in einer Anzeige gelesen, dass der Laden gegenüber dem Rathaus verpachtet wird“, erzählt er. Weil er nicht in einer Großstadt wie seiner Heimat Kabul leben wollte, nutzte er die Chance und baute sich eine neue Existenz in Mering auf, wo er 2009 auch seine zweite Frau Sisa heiratete.

Ebenso wie sein Vater hatte der gelernte Laborant für organische Chemie in seiner Heimat für eine afghanisch-deutsche Firma gearbeitet, das Land aber wegen der politische­n Wirren 1982 verlassen. „In München habe ich dann unter anderem bei BMW gearbeitet, Deutsch gelernt und einen Asylantrag gestellt.“Heute hat er einen deutschen Pass und vier Söhne im Alter von 21, 15, 13 und acht Jahren.

Die Kunden mögen den freundlich­en Händler mit der typischen Mütze, weil er sich meistens Zeit zum Plaudern nimmt und gern auf spezielle Wünsche eingeht. Wenn jemand zum Beispiel nur eine einzelne Zwiebel für ein paar Cent braucht und keinen ganzen Sack wie im Supermarkt – kein Problem für Farah, der häufig auch seinen Landsleute­n in Mering als Übersetzer hilft, wenn sie zum Arzt oder zu Behörden müssen.

Avocados und Mangos, Oliven und Schafskäse, Paprika und Pflaumen, Weintraube­n und Zucchini – die Auswahl in den beiden Verkaufsrä­umen ist enorm, denn zweimal in der Woche fährt er zur Großmarkth­alle nach München. „Dafür stehe ich jeden Montag und Donnerstag schon um 2.30 Uhr nachts auf und komme mit dem voll beladenen Anhänger zurück, wenn meine Frau das Geschäft schon geöffnet hat.“

Beim Aus- und Einräumen hilft ihm ab und zu sein Jüngster Mansur, der die nahegelege­ne Luitpoldsc­hule besucht. In der Mittagspau­se ist dann ein Nickerchen nötig, bevor die nächsten Kunden kommen; mit einigen verbindet ihn ein herzliches Verhältnis, weil er schon deren Eltern bedient hat.

„Der Start vor 25 Jahren und die Umstellung von der D-Mark auf den Euro waren nicht ganz einfach“, erinnert sich der Händler. Vor vier Jahren konnte er das Haus am Kirchplatz kaufen, in dem die Familie auch wohnt; der Laden im Erdgeschos­s dient auch als Kommunikat­ionszentra­le, denn vor allem ältere Leute nutzen ihren Einkauf gern auch zum Ratschen und zum Austausch von Neuigkeite­n. Viele bringen einen Korb mit, denn Plastikver­packungen für Obst und Gemüse gibt es hier nicht.

Obwohl er im Mai 62 Jahre alt wird, denkt Farah noch lange nicht ans Aufhören: „Dieser kleine Laden ist mein Leben und ich bin dankbar, dass uns die Meringer trotz der vielen Einkaufsmä­rkte so lange Zeit die Treue gehalten haben!“

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Foto: Peter Stöbich Aziz Farah wird im Geschäft von seinem Jüngsten Mansur und seiner Frau Sisa unter stützt.

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