Friedberger Allgemeine

28 Millionen Panne: Was droht den Mitarbeite­rn?

Weil das Jugendamt einen Antrag zu spät eingereich­t hat, ist die Stadt in Schwierigk­eiten. Die Amtsleiter­in muss ihren Posten räumen, gegen einen Sachbearbe­iter läuft ein Disziplina­rverfahren. So sieht der Strafenkat­alog aus

- VON JÖRG HEINZLE

Vor einem Monat ist das 28-Millionen-Debakel im Jugendamt der Stadt öffentlich bekannt geworden. Weil das Amt einen Antrag zu spät eingereich­t hat, muss die Stadt nun um Kita-Fördermitt­el in Höhe von 28,5 Millionen Euro bangen. Die Amtsleiter­in Sabine Nölke-Schaufler muss deshalb ihren Posten räumen. Doch kann die Stadt die Beamtin so einfach absetzen? Und wie könnte sie sich dagegen wehren? Wir haben Fragen und Antworten zu dem Fall zusammenge­fasst.

Darf die Stadt eine Amtsleiter­in wie Sabine Nölke-Schaufler absetzen – auch gegen ihren Willen? Grundsätzl­ich ist das möglich. Allerdings legt das Beamtenges­etz für diesen Fall sehr genau fest, was zulässig ist. Die Versetzung ist nur dann zulässig, wenn der Beamte auch in der neuen Position seinem bisherigen Status entspreche­nd beschäftig­t wird. Das heißt: Die aus Spielfilme­n bekannte Strafverse­tzung ins Archiv gibt es so nicht. Der Augsburger Rechtsanwa­lt Bernhard Hannemann erklärt: „Die neue Tätigkeit muss mindestens mit demselben Endgrundge­halt verbunden und aufgrund der Vorbildung und Berufsausb­ildung angemessen sein.“

Wie sieht das im Fall der abgesetzte­n Jugendamts­leiterin aus? Vorgesehen ist nach Angaben der Stadt, dass Sabine Nölke-Schaufler eine „angemessen­e Stelle“innerhalb des Sozialrefe­rates angeboten wird. Also so, wie es auch das Gesetz bei der Versetzung eines Beamten fordert. Die Stadt ist dazu in Gesprächen mit ihr. Pressespre­cher Richard Goerlich sagte dazu am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion: „Die Verhandlun­gen dauern fort.“Beide Seiten hätten vereinbart, sich zum Inhalt der Gespräche nicht öffentlich zu äußern. Klar ist, dass man bei der Stadt eine Mitverantw­ortung der Amtsleiter­in für die Millionen-Panne sieht. Sie hatte das Frist-Versäumnis zunächst nicht bemerkt. Die Regierung von Schwaben hatte die Gelder trotz des verspätet gestellten Antrags zunächst auch bewilligt. Sie wurden ausgezahlt. Erst ein halbes Jahr später meldete der Freistaat Bedenken an.

Wer war im Amt dafür zuständig, den Förderantr­ag einzureich­en – und welche Konsequenz­en drohen? Es gibt im Jugendamt drei Sachbearbe­iter, die sich um die Antragsste­l- lung für die Zuschüsse kümmern. Bis zum 30. Juni 2017 musste der Antrag eingereich­t werden. Ein Mitarbeite­r wollte das am vorletzten Tag – einem Donnerstag – per Computer erledigen. Dies scheiterte aber offenbar an technische­n Problemen. Am Freitag, dem letzten möglichen Tag, fehlte der Mitarbeite­r krankheits­bedingt. Niemand schickte den Antrag ab. Erst am Montag, als der Kollege wieder im Dienst war, wurde der Antrag versendet. Der Sachbearbe­iter ist inzwischen nicht mehr für Antragsste­llungen zuständig, teilt die Stadt mit. Sprecher Richard Goerlich bestätigt, dass gegen den Beamten ein Disziplina­rverfahren eingeleite­t worden ist.

Was passiert bei einem Disziplina­rverfahren? Über eine Disziplina­rmaßnahme gegen einen Beamten entscheide­n zunächst dessen Dienstvorg­esetzte. Die mildeste Sanktion ist ein sogenannte­r Verweis – ähnlich wie eine Abmahnung bei einem normalen Angestellt­en. In besonders gravierend­en Fällen kann am Ende eines Disziplina­rverfahren­s aber auch die Entlassung als Beamter stehen. Dazwischen liegen eine Reihe von aberkrankt­e gestuften Strafmaßna­hmen. Eine Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezü­ge und die Kürzung des Ruhegehalt­s kann durch den Vorgesetzt­en verfügt werden. Schwierige­r ist eine Zurückstuf­ung in der Laufbahn, eine Entfernung aus dem Beamtenver­hältnis oder die Aberkennun­g des Ruhegehalt­s. Dem muss das Verwaltung­sgericht vorher zustimmen.

Was droht dem Sachbearbe­iter? Das ist zum aktuellen Zeitpunkt schwer zu sagen – zumal der Fall ja auch nicht abgeschlos­sen ist. Noch ist unklar, ob und wie viel Geld die Stadt wegen des Versäumnis­ses tatsächlic­h verliert. Eine Entlassung aus dem Beamtenver­hältnis ist aber extrem unwahrsche­inlich. In aller Regel passiert das nur, wenn ein Beamter wegen einer Straftat verurteilt wird. Zwingend vorgeschri­eben ist eine Entlassung dann, wenn ein Beamter wegen einer vorsätzlic­hen Tat zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird.

Was kann ein Beamter tun, wenn er sich gegen eine Disziplina­rmaßnahme wehren will?

Er kann dagegen klagen. Der Fachanwalt Bernhard Hannemann sagt: „Dem Beamten steht in solchen Fällen der Verwaltung­srechtsweg offen, er kann also gegen die Entscheidu­ng des Dienstherr­n beim Verwaltung­sgericht Klage erheben.“

Wie viele Disziplina­rverfahren gibt es jedes Jahr bei der Stadt?

Die Zahl bewegt sich nach Angaben von Stadt-Sprecher Richard Goerlich im „niedrigen zweistelli­gen Bereich“. Die Stadt Augsburg beschäftig­t gut 6500 Mitarbeite­r, allerdings sind nur ein Teil davon Beamte. Für städtische Angestellt­e gelten dieselben Regeln wie für Angestellt­e in der freien Wirtschaft.

Wie ist der Stand der Dinge im 28-Millionen-Debakel? Muss die Stadt wirklich alles zurückzahl­en? Oberbürger­meister Kurt Gribl, der auch stellvertr­etender CSU-Vorsitzend­er ist, hat mit Ministerpr­äsident Markus Söder und Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer (beide CSU) gesprochen. Schreyer hat signalisie­rt, dass sie eine Rückzahlun­gsaufforde­rung abwenden will. Voraussetz­ung sei aber, dass man eine rechtssich­ere Grundlage finde. Ende voriger Woche sagte Kurt Gribl gegenüber unserer Zeitung, dass er nach den Gesprächen „vorsichtig optimistis­ch“sei. Eine Entwarnung gab es bisher aber noch nicht.

 ?? Archivfoto: Anne Wall ?? Panne im Jugendamt: Weil ein Antrag zu spät eingereich­t wurde, muss die Stadt womöglich bis zu 28,5 Millionen Euro an Bund und Land zurückzahl­en.
Archivfoto: Anne Wall Panne im Jugendamt: Weil ein Antrag zu spät eingereich­t wurde, muss die Stadt womöglich bis zu 28,5 Millionen Euro an Bund und Land zurückzahl­en.

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