28 Millionen Panne: Was droht den Mitarbeitern?
Weil das Jugendamt einen Antrag zu spät eingereicht hat, ist die Stadt in Schwierigkeiten. Die Amtsleiterin muss ihren Posten räumen, gegen einen Sachbearbeiter läuft ein Disziplinarverfahren. So sieht der Strafenkatalog aus
Vor einem Monat ist das 28-Millionen-Debakel im Jugendamt der Stadt öffentlich bekannt geworden. Weil das Amt einen Antrag zu spät eingereicht hat, muss die Stadt nun um Kita-Fördermittel in Höhe von 28,5 Millionen Euro bangen. Die Amtsleiterin Sabine Nölke-Schaufler muss deshalb ihren Posten räumen. Doch kann die Stadt die Beamtin so einfach absetzen? Und wie könnte sie sich dagegen wehren? Wir haben Fragen und Antworten zu dem Fall zusammengefasst.
Darf die Stadt eine Amtsleiterin wie Sabine Nölke-Schaufler absetzen – auch gegen ihren Willen? Grundsätzlich ist das möglich. Allerdings legt das Beamtengesetz für diesen Fall sehr genau fest, was zulässig ist. Die Versetzung ist nur dann zulässig, wenn der Beamte auch in der neuen Position seinem bisherigen Status entsprechend beschäftigt wird. Das heißt: Die aus Spielfilmen bekannte Strafversetzung ins Archiv gibt es so nicht. Der Augsburger Rechtsanwalt Bernhard Hannemann erklärt: „Die neue Tätigkeit muss mindestens mit demselben Endgrundgehalt verbunden und aufgrund der Vorbildung und Berufsausbildung angemessen sein.“
Wie sieht das im Fall der abgesetzten Jugendamtsleiterin aus? Vorgesehen ist nach Angaben der Stadt, dass Sabine Nölke-Schaufler eine „angemessene Stelle“innerhalb des Sozialreferates angeboten wird. Also so, wie es auch das Gesetz bei der Versetzung eines Beamten fordert. Die Stadt ist dazu in Gesprächen mit ihr. Pressesprecher Richard Goerlich sagte dazu am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion: „Die Verhandlungen dauern fort.“Beide Seiten hätten vereinbart, sich zum Inhalt der Gespräche nicht öffentlich zu äußern. Klar ist, dass man bei der Stadt eine Mitverantwortung der Amtsleiterin für die Millionen-Panne sieht. Sie hatte das Frist-Versäumnis zunächst nicht bemerkt. Die Regierung von Schwaben hatte die Gelder trotz des verspätet gestellten Antrags zunächst auch bewilligt. Sie wurden ausgezahlt. Erst ein halbes Jahr später meldete der Freistaat Bedenken an.
Wer war im Amt dafür zuständig, den Förderantrag einzureichen – und welche Konsequenzen drohen? Es gibt im Jugendamt drei Sachbearbeiter, die sich um die Antragsstel- lung für die Zuschüsse kümmern. Bis zum 30. Juni 2017 musste der Antrag eingereicht werden. Ein Mitarbeiter wollte das am vorletzten Tag – einem Donnerstag – per Computer erledigen. Dies scheiterte aber offenbar an technischen Problemen. Am Freitag, dem letzten möglichen Tag, fehlte der Mitarbeiter krankheitsbedingt. Niemand schickte den Antrag ab. Erst am Montag, als der Kollege wieder im Dienst war, wurde der Antrag versendet. Der Sachbearbeiter ist inzwischen nicht mehr für Antragsstellungen zuständig, teilt die Stadt mit. Sprecher Richard Goerlich bestätigt, dass gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist.
Was passiert bei einem Disziplinarverfahren? Über eine Disziplinarmaßnahme gegen einen Beamten entscheiden zunächst dessen Dienstvorgesetzte. Die mildeste Sanktion ist ein sogenannter Verweis – ähnlich wie eine Abmahnung bei einem normalen Angestellten. In besonders gravierenden Fällen kann am Ende eines Disziplinarverfahrens aber auch die Entlassung als Beamter stehen. Dazwischen liegen eine Reihe von aberkrankte gestuften Strafmaßnahmen. Eine Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge und die Kürzung des Ruhegehalts kann durch den Vorgesetzten verfügt werden. Schwieriger ist eine Zurückstufung in der Laufbahn, eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts. Dem muss das Verwaltungsgericht vorher zustimmen.
Was droht dem Sachbearbeiter? Das ist zum aktuellen Zeitpunkt schwer zu sagen – zumal der Fall ja auch nicht abgeschlossen ist. Noch ist unklar, ob und wie viel Geld die Stadt wegen des Versäumnisses tatsächlich verliert. Eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis ist aber extrem unwahrscheinlich. In aller Regel passiert das nur, wenn ein Beamter wegen einer Straftat verurteilt wird. Zwingend vorgeschrieben ist eine Entlassung dann, wenn ein Beamter wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird.
Was kann ein Beamter tun, wenn er sich gegen eine Disziplinarmaßnahme wehren will?
Er kann dagegen klagen. Der Fachanwalt Bernhard Hannemann sagt: „Dem Beamten steht in solchen Fällen der Verwaltungsrechtsweg offen, er kann also gegen die Entscheidung des Dienstherrn beim Verwaltungsgericht Klage erheben.“
Wie viele Disziplinarverfahren gibt es jedes Jahr bei der Stadt?
Die Zahl bewegt sich nach Angaben von Stadt-Sprecher Richard Goerlich im „niedrigen zweistelligen Bereich“. Die Stadt Augsburg beschäftigt gut 6500 Mitarbeiter, allerdings sind nur ein Teil davon Beamte. Für städtische Angestellte gelten dieselben Regeln wie für Angestellte in der freien Wirtschaft.
Wie ist der Stand der Dinge im 28-Millionen-Debakel? Muss die Stadt wirklich alles zurückzahlen? Oberbürgermeister Kurt Gribl, der auch stellvertretender CSU-Vorsitzender ist, hat mit Ministerpräsident Markus Söder und Sozialministerin Kerstin Schreyer (beide CSU) gesprochen. Schreyer hat signalisiert, dass sie eine Rückzahlungsaufforderung abwenden will. Voraussetzung sei aber, dass man eine rechtssichere Grundlage finde. Ende voriger Woche sagte Kurt Gribl gegenüber unserer Zeitung, dass er nach den Gesprächen „vorsichtig optimistisch“sei. Eine Entwarnung gab es bisher aber noch nicht.