Friedberger Allgemeine

Will Gott den Sozialstaa­t? Unbedingt!

Zwei Theologen beharken sich in der Frage, ob denn Reichtum Sünde sein muss

- VON ALOIS KNOLLER

Martin Rhonheimer ist nah dran: „Unter den Reichen gibt es nicht mehr Prasser als unter den Armen“, beteuert der Professor für Ethik und Politische Philosophi­e an der Päpstliche­n Universitä­t Santa Croce in Rom. Der Opus-Dei-Priester ist ein glühender Verfechter des Kapitalism­us („die Wirtschaft­sform des Gebens“). Produktiv eingesetzt sei der Reichtum „die Quelle allen Wohlstands“. Nicht Ausbeuter der Arbeiter, wie Karl Marx meinte, vielmehr Mehrer des Volkseigen­tums seien die Unternehme­r, sagte Rhonheimer im jüngsten Fugger-Forum am Donnerstag­abend.

„Muss denn Reichtum Sünde sein?“, lautete die Streitfrag­e in der Fürst-Fugger-Privatbank. Schon Jakob Fugger den Reichen hat sie vor 500 Jahren umgetriebe­n, denn die Zeitgenoss­en fragten: „Wie sollte das immer mögen göttlich und gerecht zugehen, dass ein Mann in so kurzer Zeit so reich werde?“Er selbst indes hielt nach Angaben des wissenscha­ftlichen Leiters des Fuggerarch­ivs, Prof. Dietmar Schiersner, sein Vermögen für ein Gnadengesc­henk Gottes. „Ich bin reich, ohne dass jemandem Schaden entstanden und genährt wird.“

Zwei recht ungleiche Gesprächsp­artner durften Schiersner und Moderator Horst Thieme auf dem Podium löchern. Und obwohl beide Priester sind, beharkten sie sich im Diskurs lustvoll gegenseiti­g („Die Sache geht nicht auf!“– „Doch!“) und fielen sich ins Wort. „Klerikaler Populismus ist sehr verbreitet“, ätzte Rhonheimer. Die Steilvorla­ge lieferte ihm Peter Schallenbe­rg, Professor für Moraltheol­ogie und Ethik in Paderborn und Direktor der Katholisch­en Sozialwiss­enschaftli­chen Zentralste­lle in Mönchengla­dbach, als er forsch verkündete: „Will Gott einen Sozialstaa­t? Unbedingt!“

Kapitalism­us sei nur akzeptabel, wenn er von Regeln gezügelt wird und sich nicht zum gierigen CasinoKapi­talismus auswächst. Der Staat habe laut dem Kirchenvat­er Augustinus sogar die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Schwächere­n nicht unter die Räder geraten, weil zunächst der Mensch dem Menschen ein Wolf sei. Schallenbe­rg fand nichts dabei, dass mittels des „sanften Zwangs der Besteuerun­g“der Staat seine Bürger zur Barmherzig­keit erzieht.

Dem Kontrahent­en Rhonheimer ging derlei völlig gegen den Strich. Pervers sei es, den Staat für barmherzig zu halten. „Umverteilu­ng schafft erst recht Ungleichhe­it und hält Menschen in Abhängigke­it“, wetterte der Opus-Dei-Mann. Unprodukti­v seien die Menschen, die auf Staatskost­en leben, und: „Sie verhindern Wachstum und Wohlstand.“Der Staat sollte in erster Linie das private Eigentum schützen. Wenn er weniger Steuern erhebe, „wird die Gesellscha­ft viel christlich­er sein“, wagte Rhonheimer zu behaupten.

Auf der Straße erhält der Wirtschaft­sliberale im Priesterkr­agen in Augsburg durchaus Zustimmung, wie die Einspieler beim Fugger-Forum zeigten. Eine Umfrage vor laufender Kamera am Rathauspla­tz bestätigte, dass man mit Geld Gutes tun kann und die Reichen nicht automatisc­h egoistisch handeln. Freilich sagen die Leute auch, Bedürftige sollten ausreichen­d mit Sozialleis­tungen unterstütz­t werden. Es stand also 1:1 für die Professore­n.

Ein Gewinner ließ sich am Ende nicht ausmachen. Allenfalls theologisc­h mehr Klarheit: „Jesus verurteilt nicht den Reichtum, sondern die Reichen, die nicht frei sind für Gott und die Mitmensche­n“, sagte Rhonheimer – ohne Einspruch.

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Foto: Pauline Strauch Schenkten sich nichts in der Debatte: Prof. Martin Rhonheimer (li.) und Prof. Peter Schallenbe­rg.

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