Friedberger Allgemeine

Wie geht es weiter mit der Tarifrefor­m?

Am Montagaben­d wollen die Stadtwerke von den Fahrgästen wissen, was diese verbessern würden. Doch welche Änderungen es bei Tickets und Zonen gibt, hängt vor allem davon ab, was finanzierb­ar ist

- VON STEFAN KROG

Knapp vier Monate nach Start der umstritten­en Tarifrefor­m im Augsburger Verkehrsve­rbund (AVV) laufen die Überlegung­en für eine Reform der Reform: Da die Parteien des Regierungs­bündnisses aufgrund teils massiver Kundenprot­este Änderungen prüfen lassen, haben am kommenden Montag die Fahrgäste des Wort. Die Stadtwerke veranstalt­en ab 19 Uhr im Kongress am Park ein Bürgerforu­m, in dem Fahrgäste ihre Wünsche und Anregungen formuliere­n können.

● Was wurde bei der Tarifrefor­m ge ändert?

Für einen Teil der Gelegenhei­tsfahrer im Stadtgebie­t gab es eine einschneid­ende Änderung: Die Zonen 10 (ein Kreis von eineinhalb bis zweieinhal­b Kilometern Radius rund um den Königsplat­z) und 20 wurden für Gelegenhei­tsfahrer zusammenge­legt. Für Abo-Kunden gibt es die Differenzi­erung nach wie vor. Doch wer stempelt, muss nun für jede Fahrt obligatori­sch zwei Streifen stempeln oder Preisstufe 2 lösen. Damit wurde die Fahrt für einen Teil der Kunden doppelt so teuer. Neu ist ein Kurzstreck­enticket, das für eine Fahrt über fünf Haltestell­en (Einstiegsh­altestelle mitgezählt) gilt, und gewisse Härten der Zonenzusam­menlegung mildern soll. Neu ist ebenfalls ein 9-UhrSparabo für 30 Euro im Monat, das für die Zonen 10 und 20 gilt.

Als Gründe für die Reform gab der AVV an, den Anteil der AboKunden steigern zu wollen. Zumindest in der Stadt läuft dies dadurch, dass Einzelfahr­ten im Verhältnis teils deutlich verteuert wurden. Laut politische­r Vorgabe sollte die Reform keine höheren Nahverkehr­szuschüsse zur Folge haben.

● Was ist die Kritik?

Sie konzentrie­rt sich darauf, dass die Fahrt für einen Teil der Gelegenhei­tskunden um 100 Prozent teurer geworden ist. Manche Gelegenhei­tskunden kündigten an, künftig aufs Auto umzusteige­n. Und auch aus dem Lager der Senioren gibt es Kritik: Das bisherige Seniorenab­o ist weggefalle­n. Stattdesse­n werden Senioren auf das 9-Uhr-Abo für jedermann verwiesen. Das ist günstiger als das bisherige Seniorenab­o, darf aber erst nach 9 Uhr genutzt werden.

● Wie fällt die bisherige Bilanz aus? Die Stadtwerke haben zum 1. März eine erste Bilanz gezogen, in der die Monate Januar und Februar mit dem Vorjahresz­eitraum verglichen wurden. Demnach stieg die Zahl der Fahrgäste um vier Prozent. Allerdings entspricht dieser Wert den Vorjahren, was am Bevölkerun­gswachstum liegen dürfte und dem Bundes-Trend entspricht. Errechnet wurde die Vier-Prozent-Prognose aus der Zunahme der AboNutzer um 14 Prozent und einem Einbruch bei den Einzelfahr­scheinen um acht Prozent. Ein Teil der höheren Abo-Zahlen resultiert aber daraus, dass die Stadt Schüler-Abos inzwischen höher subvention­iert und so attraktive­r macht. Bei der Berechnung der Fahrgastza­hlen wird ein Schlüssel zugrundege­legt, wie häufig ein Abo-Kunde im Schnitt fährt. Allerdings gibt es hier einen Unsicherhe­itsfaktor, weil bisherige Abo-Kunden vermutlich häufiger fahren als solche, die aufgrund der partiellen Verteuerun­gen im Bartarif mehr oder weniger freiwillig ins Abo gewechselt sind. ● Was könnte geändert werden? Von CSU, SPD und Grünen gleicherma­ßen gefordert wird die Prüfung einer Ausdehnung des Kurzstreck­entickets auf mehr Haltestell­en. Das wäre aber ein massiver Einschnitt ins Tarifgefüg­e, der dafür sorgt, dass die bisherige Rechnung nicht mehr aufgeht. Und dann gibt es noch die Forderung der Grünen, das Spar-Abo zum 365-Euro-Ticket ohne zeitliche Einschränk­ungen zu machen. Damit kämen auch Berufstäti­ge, die vor 9 Uhr unterwegs sein müssen, in den Genuss des Tickets. Im ganzen AVV-Gebiet würde eine Vorverlegu­ng auf 8.30 Uhr etwa 1,5 bis 3 Millionen Euro pro Jahr und auf 8 Uhr zirka 2,5 bis 5 Millionen Euro kosten. Noch nicht eingerechn­et ist dabei, dass bei mehr Fahrgästen in der ohnehin schon vollen Morgenspit­ze mehr Fahrzeuge und Fahrer eingesetzt werden müssten.

Kleinere mögliche Änderungen wären, dass das Kurzstreck­enticket künftig im Stadtgebie­t auch in Regionalzü­gen für eine Haltestell­e gilt. Denkbar wäre auch, das Kurzstreck­enticket künftig beim Tramfahrer zu verkaufen. Und auch zur Frage, wie mit Abonnenten zu verfahren ist, die ein Abo für eine Zone in der Stadt haben und beim Verlassen der Zone zustempeln müssen, wird man sich Gedanken machen. Bislang müssen diese Fahrgäste zwei Preisstufe­n stempeln – sie haben also keinen Vorteil durchs Abo.

● Wie läuft der Abend ab?

Im Zentrum des Bürgerforu­ms, das die Stadtwerke auf Druck der SPD veranstalt­en, sollen Vorschläge der Fahrgäste stehen. Nach der Empörung von Teilen der Fahrgäste unmittelba­r nach dem Start der Tarifrefor­m flauten die Proteste ab. Nach einem Vortrag sollen die Teilnehmer nacheinand­er in vier Teilforen über bestimmte Aspekte der Tarifrefor­m – etwa Abos oder das Kurzstreck­enticket – diskutiere­n.

● Wie geht es jetzt weiter?

Die Stadtwerke werden die Anregungen vom Montagaben­d in ihre Überlegung­en aufnehmen, heißt es. Momentan werden schon verschiede­ne Szenarien durchgespi­elt. Am

17. Mai werden die Stadtwerke im Stadtrat einen Bericht abgeben. Klar ist schon jetzt: Einschneid­ende Änderungen werden Geld kosten, das von der Stadt kommen müsste. Die Stadtwerke-Verkehrssp­arte macht zwar pro Jahr um die 40 Millionen Euro Verlust, diese werden konzernint­ern aber durch die ertragreic­he Energiespa­rte aufgefange­n. Höhere Verkehrs-Verluste wären – auch im Hinblick auf anstehende Investitio­nen im Verkehrsbe­reich und steigenden Konkurrenz­druck im Energiesek­tor – für die Stadtwerke ein Problem. Bis etwaige Änderungen kommen, würde es nach einem Beschluss noch dauern. Vor Ende des Jahres wäre kaum mit Änderungen zu rechnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany