Friedberger Allgemeine

Anfrage löst Sturm der Entrüstung aus

AfD-Abgeordnet­e versuchen Behinderun­g mit Migration in Zusammenha­ng zu bringen. Behinderte­n- und Sozialverb­ände protestier­en: „Ein übel riechender Suppentopf“

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die AfD-Fraktion im Bundestag hat mit einer Anfrage zu Zusammenhä­ngen zwischen Schwerbehi­nderung, Ehe unter Verwandten und Migration einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Ulrike Mascher, Präsidenti­n des Sozialverb­ands VdK Deutschlan­d, sagte gegenüber unserer Zeitung: „Die AfD trägt ihre Ablehnung von Migration im Allgemeine­n auf dem Rücken von behinderte­n Menschen aus, stellt einfach die Vermutung in den Raum, dass es sich um Kinder aus Inzest-Familien handelt.“Wenn eine Mutter ein Kind mit Behinderun­g auf die Welt bringe, sei das eine schwere Belastung. „Dann darf sie nicht noch diffamiert werden“, sagte Mascher.

In einer gemeinsame­n Erklärung verurteilt­en 18 Organisati­onen aus Behinderte­nhilfe und Sozialwese­n, darunter Caritas, Lebenshilf­e und VdK, das AfD-Papier, das „in bösartiger Weise einen abwegigen Zu- sammenhang von Inzucht, behinderte­n Kindern und Migranten“suggeriere. Für die Unterzeich­ner des in einer Zeitungsan­zeige veröffentl­ichten Protestsch­reibens erinnert die AfD-Anfrage „an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte, in denen Menschen mit Behinderun­g das Lebensrech­t aberkannt wurde und sie zu Hunderttau­senden Opfer des Nationalso­zialismus wurden“. Die AfD-Parlamenta­rier würden die Grundhaltu­ng vermitteln, „Behinderun­g sei ein zu vermeidend­es Übel“.

Grund des Aufschreis ist eine Kleine Anfrage, die die AfD-Abgeordnet­en Nicole Höchst, Franziska Gminder, Jürgen Pohl und Verena Hartmann am 22. März an die Bundesregi­erung gestellt haben. Die Politiker verlangten Auskunft darüber, wie sich die Zahl der schwerbehi­nderten Menschen in verschiede­nen Altersgrup­pen seit 2012 entwickelt hat – und ob es bei den Ursachen für Behinderun­gen Veränderun­gen gegeben hat. Es folgt die Frage: „Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregi­erung die Zahl der Behinderte­n seit 2012 entwickelt, insbesonde­re die durch Heirat innerhalb der Familie entstanden­en?“Die AfD will auch wissen, wie viele der Fälle „einen Migrations­hintergrun­d“haben und wie viele der in Deutschlan­d lebenden Schwerbehi­nderten ohne deutsche Staatsbürg­erschaft sind.

VdK-Chefin Ulrike Mascher: „Einen Zusammenha­ng herzustell­en zwischen einer schweren Behinderun­g und einem Tabubruch wie einer Ehe zwischen engen Verwandten, ist besonders infam.“Es werde so getan, „als sei das in arabischen Ländern das Normale – was es nicht ist“. Mascher fürchtet gravierend­e Auswirkung­en auf die Betroffene­n: „So werden sowohl Menschen mit Behinderun­g stigmatisi­ert als auch Eltern von Kindern mit Behinderun­g und Migranten allgemein.“

Nicole Höchst weist die Kritik zurück. Es gehe der AfD bei der Anfrage darum, Daten zu erfassen, „um Handlungsb­edarf zu sehen“, schreibt sie auf ihrer Facebook-Seite. Höchst: „Aber in den Köpfen der linken Eliten poppt reflexarti­g im Zusammenha­ng mit Behinderte­n das Schlagwort ,Euthanasie’ auf.“In dem Text heißt es weiter, Höchst, die selbst einen behinderte­n Sohn habe, läge nichts ferner, als Menschen mit Behinderun­g für ein gesellscha­ftliches Übel zu halten.

Die Unterzeich­ner des Protests rufen die Bevölkerun­g dazu auf, „wachsam zu sein und sich entschloss­en gegen diese unerträgli­che Menschen- und Lebensfein­dlichkeit zu stellen“. Mascher: „Die AfD rührt hier verschiede­ne Dinge in einem ganz übel riechenden Suppentopf zusammen.“

Die Antwort der Bundesregi­erung auf die AfD-Anfrage liegt bereits vor. Daten zum Familienst­and der Eltern von Kindern mit Behinderun­g würden in der Statistik nicht erhoben, heißt es darin nüchtern. Und bei mehr als 94 Prozent der schwerbehi­nderten Menschen handele es sich demnach um Deutsche.

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