Friedberger Allgemeine

Wie passen noch mehr Menschen ins Flugzeug?

Designer arbeiten an neuen Ideen, wie Flüge noch komfortabl­er werden können. Manche Anbieter versuchen stattdesse­n, möglichst viele Passagiere in die Kabine zu quetschen – mit außergewöh­nlichen Ideen

- VON CHRISTIAN GALL Thomas Goßner

Flugreisen sind nicht unbedingt die bequemste Angelegenh­eit. Abgeklemmt­e Beine, schlechte Luft und ein verbissene­r Kampf mit dem Sitznachba­rn um die Armlehne – die wenigsten Reisenden verbinden mit einem Flug angenehme Erfahrunge­n. Außer natürlich, sie gehören zu den Luxus-Reisenden, die in der Business- oder First Class fliegen. Für diese Königs-Kunden lassen sich Airlines immer wieder neue Extravagan­zen einfallen. Mit den „Crystal Cabin Awards“wurden jüngst die pfiffigste­n Ideen ausgezeich­net.

Diese Ideen bewegen sich in ihrer Einsetzbar­keit zwischen praktisch und dekadent. Eine Kino-Lounge mit gigantisch­em Bildschirm und umfangreic­hem Soundsyste­m fällt sicherlich in die Kategorie dekadent. Grundsätzl­ich könnten solche Räume aber in eine Boeing 787 eingebaut werden – die chinesisch­e Designerfi­rma Ameco hat das bereits bis ins Detail ausgearbei­tet. Ein Kino im Kleinforma­t stellte dagegen die italienisc­he Firma Iacobucci HF Aerospace vor – abgeschirm­te Liegesitze in der Business-Class mit eigenem Bildschirm und PC-Anschluss. Damit die Geschäftsr­eisenden aber nicht nur isoliert im MiniKino sitzen, hat Qatar Airways eine Idee in den Raum geworfen: ein luxuriöses Großraumab­teil, das sich durch drehbare Sitze in eine ViererSitz­gruppe mit gemeinsame­m Konferenzt­isch umbauen lässt.

Einige der preisgekrö­nten Ideen haben nichts mit Komfort zu tun, sondern bieten technische Raffinesse­n. Das Unternehme­n „Printed Electrics“will dicke Kabelsträn­ge in Flugzeugen überflüssi­g machen. Dazu werden Stromleitu­ngen mit einem Druckverfa­hren installier­t. Zusätzlich­e Sicherheit soll dagegen eine Erfindung aus England bringen. Ein Modul namens „ViatorAero“überprüft, ob alle Passagiere ihren Gurt geschlosse­n haben, und checkt gleichzeit­ig die Luftqualit­ät in der Kabine.

Für die unterste Preisklass­e im Flieger, die Economy Class, wurden auch Preise vergeben. Einige davon sind tatsächlic­h sehr praktisch – etwa Armlehnen, die genügend Platz für zwei Gäste bieten. Dafür ist die Lehne in ihrem Querschnit­t als liegendes „U“geformt: Ein Passagier legt den Arm auf die Lehne, der andere in die Einbuchtun­g unterhalb. Der Konflikt um die Armablage könnte damit der Vergangenh­eit angehören. Airbus will die Passagiere hingegen komplett aus der engen Billigklas­se holen – zumindest einige ihrer Sinne. Mit Virtual-Reality-Brillen entfliehen Passagiere womöglich bald der grausamen Realität ihrer engen Sitze.

Der Unterschie­d zwischen Economy Class und den Luxusklass­en wird wieder einmal klar: Mit ausgefalle­nen Ideen in den Premium-Abteilen verdienen die Airlines viel Geld – ein Platz in der BusinessCl­ass ist immerhin oft drei Mal so teuer wie ein Sitz im billigen Abteil. In der Economy Class wird dagegen auf Masse gesetzt: Nur wenn viele Passagiere im Flugzeug sitzen, lohnt sich das Geschäft. Daher nehmen die günstigen Sitze oft drei Viertel des gesamten Flugzeugs ein.

Damit auf diesem Raum möglichst viele Passagiere unterkomme­n können, hat die italienisc­he Firma Aviointeri­ors einen Sitz erfunden, der das genaue Gegenteil von Luxus ist. Ein Steh-Sitz, in dem die Fluggäste sitzen wie auf einem Barhocker mit Rückenlehn­e. Bereits 2010 hatte das Unternehme­n einen ersten Entwurf vorgestell­t

– nun verspricht der „Skyrider 2.0“große Vorteile für Fluglinien. Der Sitz ist nicht nur halb so schwer wie ein normaler Sitzplatz, er verbraucht auch 20 Prozent weniger Raum. Eine „neue Grenze für Niedrigpre­istickets“überschrei­ten die Italiener damit – so heißt es auf ihrer Internetse­ite.

Zwar hat der Skyrider 2.0 keinen Preis für FlugzeugIn­novationen eingeheims­t, allerdings dürfte die Industrie das Projekt interessie­rt verfolgen. Die irische BilligFlug­linie Ryanair wollte schon 2012 Testflüge starten, bei denen die Passagiere in der Kabine stehen und sich an einem Handgriff festhalten. Eine Luftfahrtb­ehörde stoppte den Plan damals – zu unsicher sei es für die Gäste. Der Steh-Sitz hingegen erlaubt es Passagiere­n, sich vorschrift­smäßig anzuschnal­len. Die Sicherheit ist damit gewährleis­tet – in Sachen Komfort sieht es hingegen anders aus. Es gibt ja die berühmte Geschichte von dem Allgäuer Bauern, der sich von seinem Einödhof auf den Weg nach Paris macht: zu Fuß ins Dorf, von dort aus mit dem Bus in die Stadt, mit dem Bummelzug nach Kempten, mit dem D-Zug nach Ulm und schließlic­h mit dem Express in die französisc­he Metropole. Wieder zurück in der Heimat wollen natürlich alle wissen, wie Paris denn so sei. „Schön, aber recht abgelegen“, lautet die Antwort.

Schön, aber abgelegen – das gilt für Frankreich ganz allgemein, zumal wenn man aus dem südbayeris­chen Raum in die Tiefen des Nachbarlan­des vorstoßen will. Da empfiehlt sich eine gute Anlaufstel­le auf halber Strecke. Wir haben sie im Hameau de Barboron gefunden, einem ehemaligen Landgut in den Hügeln des Burgund. Im Zentrum von Savigny-Lès-Baune führt ein schmales

Sträßchen bergauf aus dem Dorf hinaus, durch einen Wald und in den

Talgrund, an dessen Ende sich die Steinhäuse­r um einen Innenhof gruppieren.

Ein Dutzend individuel­l gestaltete Zimmer warten auf den Gast, der nach dem

Menü unter dem Zirpen der Grillen in eine himmlische Nachtruhe gleitet. Ein Glas Meursault oder der rote Burgunder, die es auch im Hofladen zu kaufen gibt, tun das ihre dazu. Am nächsten Morgen wartet das Frühstück in einem überdachte­n Freisitz. Der Duft des frisch gebrühten Kaffees vermischt sich mit den Aromen der Natur um uns. Ohne Zweifel: So abgelegen kann dieser Ort gar nicht sein, dass sich der Weg dorthin nicht lohnte.

Technische Neuerungen sollen Flüge sicherer machen

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In unserer Rubrik „Zimmer-Service“stellen wir Hotels, Pensionen und Ferienhäus­er vor, die unsere Redaktions­mitglieder und Mitarbeite­r ausprobier­t haben und bemerkensw­ert fanden.

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Foto: Aviointeri­ors Mit Steh Sitzen passen mehr Passagiere ins Flugzeug.
 ??  ?? Hameau de Barbo ron, 21420 Savi gny Lès Baune, Frankreich www.hameau bar boron.com; Tel. 0033/0380215 8 35 DZ ab 99,50 Euro.
Hameau de Barbo ron, 21420 Savi gny Lès Baune, Frankreich www.hameau bar boron.com; Tel. 0033/0380215 8 35 DZ ab 99,50 Euro.

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