Weltmeister Hamilton in der Krise
Der Brite ist als großer Titelfavorit in die Saison gestartet. Doch vor dem vierten WM-Rennen in Baku ist das Mercedes-Team noch ohne Sieg. Detail-Probleme oder mehr?
REGIONALLIGA BAYERN V. FREITAG Baku Die Anspannung ist zu spüren: Ob die Teambosse oder Starpilot Lewis Hamilton – die beim Testen und auch zu Saisonbeginn bei Mercedes noch fast demonstrativ zur Schau getragene Lockerheit ist weg. Vor dem vierten Saisonrennen am Sonntag (14.10 Uhr/RTL) in Baku immer noch ohne Sieg – was ist da los bei den Silbernen? Große Krise oder nur Detail-Probleme? Verlust der Führungsrolle oder nur ein Zusammenspiel eher unglücklicher Umstände? Motorsport-Chef Toto Wolff betont, er habe bereits vor der Saison, entgegen der Experten-Meinungen, einen harten Dreikampf mit Ferrari und Red Bull prophezeit. Tatsache ist aber auch: Zumindest intern war seine eigene Technikabteilung schon von einem netten Vorsprung gegenüber der Konkurrenz ausgegangen. Und auch das Qualifying und der Rennverlauf bis zum Safety-Car beim Auftaktrennen in Australien sprachen dafür.
Danach aber schien der Faden irgendwie gerissen – ab Bahrain lief es nicht mehr. Es spielen mehrere Faktoren zusammen. Ausgangspunkt der Probleme: Man schafft es im Qualifying nicht mehr in die erste Startreihe. Und dann kommt eine Charakteristik zum Tragen, die dem Mercedes-Silberpfeil schon seit Jahren innewohnt: Das Auto funktioniert mit Abstand am besten, wenn es vorneweg fährt. Aerodynamik und Kühlkonzept sind genau auf diese Situation ausgelegt. Weil man bei Mercedes nicht zu Unrecht bis jetzt immer davon ausgehen konnte, im Normalfall sowieso vorne zu stehen. Auch dank der speziell für das Qualifying abrufbaren Zusatzleistung, die Sebastian Vettel als Erster mit dem schönen Namen „Party Mode“versah. Aber warum schafft man die erste Startreihe auf einmal nicht mehr sicher? Ein Thema, das auch beide Fahrer bestätigen, liegt bei den Reifen: Mercedes hat ein Problem damit, eine Abstimmung zu finden, mit der die weicheren Reifenmischungen, die nur in einem relativ engen Temperaturfenster funktionieren, zwar für eine Runde optimal auf Temperatur kommen, dann aber über die Distanz überhitzen und zu schnell abbauen.
Ein weiterer „Problem-Faktor“: Lewis Hamilton, normalerweise ja die Speerspitze der Mercedes-Armada, fuhr zuletzt nicht in absoluter Topform. Schon in Bahrain leistete er sich im Laufe des Wochenendes den ein oder anderen ungewohnten Ausrutscher, zuletzt in Schanghai blieb er spätestens ab Samstag erstaunlich blass, wirkte im Rennen zeitweise fast ein bisschen lustlos und unmotiviert. Immerhin gab er sich danach dann ja auch ungewohnt selbstkritisch: „Ich bin hier hinter den Erwartungen geblieben, genauso wie das Team. Von meiner Seite aus war das Wochenende ein Desaster. Ich muss es mir anschauen, damit ich wieder auf mein normales Leistungslevel komme und nicht noch mehr Punkte verliere.“Einige Kritiker werfen Hamilton vor, sein noch immer laufender Vertragspoker mit Mercedes lenke ihn wohl zu sehr ab. Was der amtierende Weltmeister freilich brüsk zurückweist: „Blödsinn, daran denke ich im Auto nun wirklich nicht.“Toto Wolff nahm seinen Starfahrer zuletzt in China in Schutz: „Jeder, auch der Allerbeste, kann einmal einen schlechten Tag haben.“
Offiziell versucht der Brite, sich seine Bedenken nicht anmerken zu lassen. „Die WM ist erst drei Rennen alt. Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen“, winkt er ab. „Wir sind noch in einem Lernprozess über die Reifen, das Auto und die Stärke der Gegner. Erst wenn wir alle Fragen beantwortet und verstanden haben, werden wir sehen, wie gut unser Auto ist.“Und er versucht, sich so sogar extra zu motivieren: „Jetzt muss jeder von uns das Beste aus sich herausholen, wenn wir gewinnen wollen. In dieser Situation zählt jede Kleinigkeit. Ich genieße diese Situation. Weil jeder Sieg umso wertvoller wird. Und weil du auch kleine Siege feiern kannst. So wie in Bahrain, wo ich als Neunter gestartet und trotzdem noch Dritter geworden bin.“Aber so richtig überzeugend wirkt er dabei trotzdem nicht.