Bayerischer Leichtsinn
Wahlkampf ist eine verzwickte Angelegenheit. Wem will ich gefallen, wem sollte ich nicht auf die Füße treten, wen muss ich noch von mir überzeugen und wer setzt sein Kreuz ohnehin seit Jahr und Tag hinter den richtigen Namen oder die richtige Partei? Fragen, die sich Politiker im Wahlkampf regelmäßig stellen und dann entsprechend handeln. Bayerns neuer Ministerpräsident Markus Söder tut das derzeit quasi täglich und zieht damit immer wieder Ärger auf sich. Mal aus ungeahnter Richtung, wenn Kirchen seine Forderung nach Kreuzen in Behörden kritisieren. Mal überraschend heftig, wenn Zehntausende auf den Straßen gegen ein Polizeiaufgabengesetz protestieren. Und mal mit Ankündigung – so wie im jüngsten Fall. Da hatte Söder angesichts eines ministerpräsidialvollen Kalenders die Qual der Wahl, wem er die Ehre seiner Anwesenheit zuteilwerden lässt. Er entschied sich gegen die Eröffnung des Erweiterungsbaus des Jüdischen Museums in Fürth und ließ sich beim Festakt am Sonntag entschuldigen. Dafür veröffentlichte er fast zeitgleich im Internet ein Video aus dem Stadion des 1. FC Nürnberg – Söder hatte sich für dessen Aufstiegsfeier entschieden.
Nun sollte man in die Terminauswahl nicht zu viel politisches Gewicht legen. Es wäre unfair, Söder zu unterstellen, ihm sei Fußballkultur wichtiger als Erinnerungskultur. Oder eine feuchtfröhliche Party lieber als eine staubtrockene Einweihung. Gut möglich aber, dass Söder eingesehen hat, dass er kürzlich bei einer dieser Wahlkampfentscheidungen einen Fehler gemacht hat: Für ein Foto hatte er sich ein Trikot des FC Bayern übergestülpt. So eine Leichtsinnigkeit kann Stimmen kosten. Generell. Aber erst recht einem bekennenden „Club“-Fan.