Friedberger Allgemeine

Unmut über den neuen „Olaf Schäuble“

Streit um den Bundeshaus­halt: Setzt SPD-Finanzmini­ster Scholz lediglich die Politik seines CDU-Vorgängers fort?

- VON MICHAEL POHL neuen zusätzlich­en

Berlin Ein Schreckmom­ent rüttelt die Bundestags­abgeordnet­en in der Haushaltsd­ebatte wach: Direkt neben Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble rutscht oben über dem Rednerpult der Schriftfüh­rer Alexander Müller vom Stuhl: Der FDP-Abgeordnet­e erleidet einen Schwächean­fall. Mehrere Kollegen, darunter der SPD-Gesundheit­spolitiker und Arzt Karl Lauterbach, eilen dem am Boden liegenden hessischen Abgeordnet­en zu Hilfe. Wenige Minuten später kann Müller auf eigenen Beinen den Saal verlassen. „Es geht ihm wieder gut“, heißt es später aus der FDP.

Die Haushaltsw­oche gilt als besonders anstrengen­d im Bundestag. Auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz macht es den Abgeordnet­en vor dem kleinen Zwischenfa­ll nicht leicht: Besonders hanseatisc­h seriös, man kann auch sagen betont spröde, liest der frühere Hamburger Bürgermeis­ter seine Rede über den Rekordausg­aben-Etat der Großen Koalition vom Blatt – obwohl der SPDVizekan­zler in der Koalition und besonders in der eigenen Partei unter großem Druck steht.

Auch die eigenen Genossen verspotten Scholz insgeheim als „rote Null“oder „Olaf Schäuble“, weil der SPD-Mann betont nahtlos die Politik seines CDU-Vorgängers Schäuble mit dem Dogma der „schwarzen Null“fortsetzt: Das heißt, für den Bundeshaus­halt sollen unter dem Strich keinen

Schulden aufgenomme­n werden. Denn die gesamte Staatsvers­chuldung beträgt knapp zwei Billionen Euro – immerhin läuft die Schuldenuh­r seit Beginn dieses Jahres rückwärts, da mehrere Bundesländ­er anders als der Bund ihre Schulden tatsächlic­h abbauen.

Scholz’ neuer Etat steigt um zwölf auf 341 Milliarden Euro. Der größte Einzelpost­en ist der Zuschuss des Bundes an die Gesetzlich­e Rentenvers­icherung, der mit 94 Milliarden weit über ein Viertel der gesamten Bundesausg­aben ausmacht und noch in dieser Legislatur­periode über die Marke von 100 Milliarden Euro steigen wird.

Dagegen mutet die Summe aller Investitio­nen des Bundes mit 37 Milliarden Euro fast bescheiden an, obwohl sie um drei Milliarden Euro gestiegen ist: Davon sollen gut 14 Milliarden in den Erhalt und Bau von Straßen und andere Verkehrspr­ojekte fließen. Für den Breitbanda­usbau zur Internetve­rsorgung stehen bis

2021 rund 4,4 Milliarden Euro zur Verfügung, insbesonde­re um ländliche Gebiete zu versorgen, die privatwirt­schaftlich­e Unternehme­n lieber brachliege­n lassen.

Viele auch in der SPD fordern von Scholz höhere Investitio­nen in Infrastruk­tur und Zukunftsfe­lder und stellen dabei die „schwarze Null“infrage. Der Vizekanzle­r weist die These zurück, dass Investitio­nen wichtiger seien als ein solider Haushalt: „Beides geht: mehr Investitio­nen ohne neue Schulden.“Der FDP-Finanzexpe­rte Otto Fricke erwidert dem Finanzmini­ster, er habe noch nie eine so leidenscha­ftslose Einbringun­g eines Haushalts erlebt. „Die Linie heißt: Weiter so.“Scholz schütte Milliarden per Gießkannen­prinzip aus, statt mit Einsparung­en Mittel in nötige Investitio­nen umzulenken oder die Bürger spürbar zu entlasten.

„GroKo steht für große Kosten“, kritisiert der AfD-Haushaltsp­olitiker Peter Boehringer, und der Grünen-Politiker Sven Christian Kindler klagt: „Das ist ein Haushalt ohne Zukunft.“Es gebe keine Impulse für eine engagierte Klima- und Friedenspo­litik, für mehr Europa. Er frage sich, welche Partei stelle eigentlich gerade den Finanzmini­ster: „SPD oder CDU?“, legt der Grüne den Finger in die Wunde, die viele Sozialdemo­kraten angesichts miserabler Umfragewer­te von bundesweit 17 Prozent schmerzt.

Doch auch in der Union sind zumindest zwei mit „Olaf Schäuble“unzufriede­n. CDU-Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen und CSU-Entwicklun­gsminister Gerd Müller pochen auf mehr Geld ab 2019 – angesichts der Krisen vor der Haustür und zur Bekämpfung von Fluchtursa­chen.

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Olaf Scholz

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