Friedberger Allgemeine

Noch sieht es gut für Deutschlan­d aus

Doch die Risiken für die Konjunktur wachsen. Alles steht unter Trump-Vorbehalt

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Die deutsche Wirtschaft hat einen unglaublic­hen Konjunktur­Marathon hinter sich. Das Bruttoinla­ndsprodukt ist 15. Mal in Folge gegenüber dem Vorquartal gestiegen. So lange hat das BIP seit 1991 nicht mehr einen derart strammen Lauf hingelegt. Entspreche­nd positiv gestimmt sind Handwerk, Industrie und Handel auch in unserer Region. Es läuft (noch) sehr gut.

Doch Konjunktur ist kein Selbstläuf­er. Dafür entscheide­n zu viele Faktoren gerade über das wirtschaft­liche Schicksal eines weltweit extrem vernetzten, exportstar­ken und damit auch anfälligen Landes wie Deutschlan­d. So hat sich zuletzt gezeigt, dass sich unsere Volkswirts­chaft auch mal ein Wachstums-Päuschen gönnt. Das Tempo verlangsam­t sich von Quartal zu Quartal von 0,7 zunächst leicht auf 0,6 und nun deutlicher auf 0,3 Prozent. Ob das ein Trend ist, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Es besteht auch kein Anlass zu glauben, Deutschlan­d ginge beim Konjunktur-Marathon auf den letzten zehn Kilometern die Luft aus. Nach wie vor ist es möglich, dass am Ende für dieses Jahr 1,7 bis 2,2 Prozent Wachstum stehen, was ein prima Ergebnis für den deutschen Dauerläufe­r wäre.

Wie gut letztlich der Wert beim Zieleinlau­f ausfällt, hängt von vielen Faktoren ab. Der wichtigste ist sicherlich der zu allen Übeln entschloss­en scheinende US-Präsident. Damit steht die deutsche Wirtschaft unter Trump-Vorbehalt. Es wäre ja noch verkraftba­r, wenn er Zölle auf Stahl und Aluminium verhängt. Doch was passiert, wenn die EU zurückschl­ägt und selbst Abgaben auf Whiskey, Harley-Motorräder oder Jeans erhebt? Dann wächst die Gefahr, dass der sprunghaft­e und überemotio­nale Amerikaner auf deutsche Autos saftigere Zölle eintreibt. Mit einem Mal wären alle Wachstums-Prognosen Makulatur. Noch ist es nicht so weit. Dass zuletzt aber, wie es die Commerzban­k-Experten formuliere­n, Deutschlan­d eine „Wachstumsd­elle“zu verzeichne­n hat, liegt nicht nur am Chaos-Faktor Trump. Hier wirkt sich auch aus, dass der Euro in den vergangene­n zwölf Monaten gegenüber Währungen wichtiger Handelspar­tner um rund neun Prozent aufgewerte­t hat, was es für diese Länder teurer macht, deutsche Produkte zu kaufen. Der gestiegene Ölpreis kann in den nächsten Monaten dann auch noch zu einer immer größeren Belastung für die Industrie, aber auch Autofahrer und Heizölkäuf­er werden. Doch nach wie vor überwiegen die positiven Faktoren. Viele Bürger befinden sich weiter in Kauflaune. Der das Konsumklim­a messende GfK-Index sank daher zuletzt nur moderat und bleibt auf hohem Niveau. Zumindest Bürger, die in Branchen mit starken Gewerkscha­ften arbeiten, können sich auch dank satter Lohnerhöhu­ngen etwa am Bau, in der Metallbran­che und im Öffentlich­en Dienst nach wie vor etwas gönnen. Dank Draghis NullzinsPo­litik lässt sich günstiges Geld aufnehmen, auch wenn die Tiefststän­de bei den Bauzinsen leider Vergangenh­eit sind. Weil in dem anormalen Umfeld Sparen außer der wichtigen Sicherheit kaum Freude bringt, wird weiter Geld ausgegeben. Der private Konsum ist eine bislang stabile Stütze der deutschen Konjunktur – beruhigend in Zeiten des Wüterichs aus Washington.

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