Friedberger Allgemeine

Plastik steckt auch in der Kleidung

Viele Hosen, Hemden oder Blusen sind aus Kunststoff-Fasern gemacht. Beim Waschen werden sie zum Problem

- VON KERSTIN MOMMSEN ● Kerstin Mommsen ist Redakteu rin des Südkurier in Konstanz, der wie unsere Zeitung in der Medien gruppe Pressedruc­k erscheint.

Augsburg Seit Mitte Januar beschäftig­en sich nun meine Familie und ich mit der Frage, wie wir auf möglichst viel Plastik verzichten können. Einer meiner Kollegen fragte mich ganz am Anfang, ob ich künftig nur noch in Hanf und Jute gekleidet sein würde: Es war ein Witz, natürlich. Aber seitdem ich mich mit dem Thema beschäftig­e, muss ich feststelle­n, dass ein großer Teil des Mikroplast­iks, das in unseren Meeren herumschwi­mmt, von der Kleidung ins Abwasser gelangt. Mir war das vorher gar nicht so bewusst. Doch es ist ein Thema, das uns wohl in Zukunft noch öfter beschäftig­en wird.

Ein Großteil unserer Hosen, T-Shirts, Hemden und Pullis ist aus Kunststoff-Fasern wie Polyester, Nylon oder Polyacryl gemacht. Greenpeace geht davon aus, dass 60 Prozent der Kleidung weltweit Polyester enthält. Die billige Kunstfaser ist auf dem Vormarsch. Einer Studie des Umweltbund­esamtes (UBA) zufolge stieg die Gesamtprod­uktion an Chemiefase­rn weltweit von circa 2,1 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf etwa 49,6 Millionen Tonnen im Jahr 2010 an. Sie stecken in Fleecejack­en, Stretch-Hosen, Sportklamo­tten und in vielen, vielen anderen Kleidungss­tücken.

Das Problem ist, dass diese Fasern, die übrigens auch aus Erdöl gemacht werden, bei jeder Wäsche fusseln, also mikroskopi­sch feine Plastikpar­tikel ans Waschwasse­r abgeben. Zwischen 80 und 400 Tonnen Mikroplast­ik kommen allein aus deutschen Waschmasch­inen, so eine Rechnung des UBA. Als Mikroplast­ik werden winzige Kunststoff­partikel bezeichnet, die wenige tausendste­l Millimeter bis unter fünf Millimeter groß sind. Auch im Bodensee, im Rhein oder in der Donau fanden Forscher bereits Mikroplast­ik – in nicht geringen Mengen.

Die kleinen Partikel, die aus den Flüssen in die Meere geschwemmt werden, werden immer mehr zum Problem – selbst in der Arktis haben Forscher des Alfred-WegenerIns­tituts Mikroplast­ik bereits ausgemacht: In einem Liter Meereis

teilweise mehr als 12 000 Mikroplast­ikteilchen.

Beim Blick in unsere Kleidersch­ränke wurde mir nach diesen Recherchen ganz mulmig. Natürlich haben auch wir Fleecejack­en, Synthetik-Jacken, T-Shirts mit Nylon. Wir gehen gerne wandern, fahren viel Fahrrad, dementspre­chend viel

Kunststoff findet sich in unserer Kleidung. Dass eine kuschelige Fleecejack­e bis zu einer Million Fasern pro Waschgang freisetzen kann, war mir noch nicht bewusst. Die Kläranlage­n können in der Regel die kleinen Teilchen nicht herausfilt­ern. Ist dies doch der Fall, bleiben sie am Ende im Klärsteckt­en

schlamm, der dann auch wieder in der Natur landet.

Für meine beiden Kinder versuche ich, Anziehsach­en zu kaufen, die aus Bio-Baumwolle sind, denn beide haben etwas trockene Haut. Aus plastikpol­itischer Sicht bin ich damit auf dem richtigen Weg, doch ich muss offen gestehen, dass der Anteil solcher Kleidung bei uns eher nicht so groß ist. Daher kann ich in diesem Serienteil auch nicht wirklich davon berichten, was wir bisher geleistet haben, sondern Ihnen nur erklären, was derzeit in diesem Bereich getan wird.

Der Outdoor-Hersteller Vaude etwa, der in Tettnang sitzt, hat sich schon seit längerem der Nachhaltig­keit verschrieb­en und wurde dafür schon mit vielen Preisen ausgezeich­net. Nun hat sich das Unternehme­n vorgenomme­n, auch den Kampf gegen Mikroplast­ik in Outdoor-Kleidung aufzunehme­n. In der neuen Herbstkoll­ektion wird es erstmals einen Fleece-Pulli geben, der innen aus Holzfasern statt aus Synthetik gemacht ist. „Auf diese Weise möchten wir auch zur Lösung globaler ökologisch­er Probleme beitragen“, sagt Antje von Dewitz, Vaude-Geschäftsf­ührerin. Gemeinsam mit Partnern aus Umweltverb­änden, Wissenscha­ft und der Textilindu­strie hat Vaude das Forschungs­projekt „TextileMis­sion“ins Leben gerufen. So sollen Lösungen gefunden werden, um die Belastung der Umwelt durch Mikroplast­ikpartikel zu reduzieren, die beim Waschen von Kunstfaser-Bekleidung freigesetz­t werden.

„TextileMis­sion“wird vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschw­erpunktes „Plastik in der Umwelt – Quellen, Senken, Lösungsans­ätze“mit rund 1,7 Millionen Euro gefördert. Mit an Bord bei dem Projekt sind Adidas, Polartec, der Bundesverb­and der Deutschen Sportartik­el-Industrie, Henkel, Miele, die Hochschule Niederrhei­n, die TU Dresden und der WWF Deutschlan­d. „Das Ziel ist die Optimierun­g der Kläranlage­ntechnolog­ie mit Filtern und die Entwicklun­g von Textilien, die einen deutlich geringeren Mikroparti­kelausstoß aufweisen“, erklärt Hilke Patzwall von Vaude. Auch Adidas setzt auf das Thema Nachhaltig­keit und hat einen Schuh entwickelt, der aus Meeresmüll entsteht. Die Modelle „Adidas x Parley“kosten allerdings zwischen 100 und 200 Euro.

 ?? Foto: Fotografie Trautmann ?? Kerstin Mommsen verzichtet mit ihrer Familie auf Plastik. Das ist gar nicht so einfach. Denn der Kunststoff verbirgt sich nahezu überall – auch in der Kleidung, die wir auf der Haut tragen.
Foto: Fotografie Trautmann Kerstin Mommsen verzichtet mit ihrer Familie auf Plastik. Das ist gar nicht so einfach. Denn der Kunststoff verbirgt sich nahezu überall – auch in der Kleidung, die wir auf der Haut tragen.

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