Friedberger Allgemeine

Zoff im Landtag ums Polizeiges­etz

Nach den Protesten zehntausen­der Menschen in mehreren Städten Bayerns wurde es auch im Maximilian­eum laut. Was die CSU den Kritikern entgegenhi­elt

- VON HENRY STERN

München Am Ende kam es wie erwartet. Es war etwa halb elf, als nach einem langen Tag mit heftigen Debatten die Zustimmung zum neuen Polizeiauf­gabengeset­z auch in dritter Lesung von der Mehrheit erteilt war. Die CSU hat gegen alle Proteste den Entwurf der Staatsregi­erung abgesegnet. Damit ist das Ringen um das Gesetz aber womöglich noch lange nicht zu Ende …

Bereits am Mittag hatten SPD und Grüne vergeblich eine Absetzung der Abstimmung verlangt, um angesichts der massiven Proteste eine breite öffentlich­e Diskussion zu ermögliche­n. „Man kann doch nicht erst ein Gesetz beschließe­n und dann einen Dialog führen“, so Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze mit Blick auf die von Ministerpr­äsident Markus Söder angekündig­ten „Dialogfore­n“zu den Inhalten des Gesetzes. „Sie haben die Macht, das heute hier durchzupei­tschen. Doch mit der Macht geht auch eine Verantwort­ung einher, Widerspruc­h ernst zu nehmen“, so SPD-Chefin Natascha Kohnen.

Die CSU-Mehrheit lehnte eine Verschiebu­ng der Abstimmung jedoch ab: „Es wird hier nichts durch- gepeitscht, sondern ein über Monate laufendes Gesetzgebu­ngsverfahr­en wird heute zum Abschluss gebracht“, erklärte der CSU-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Tobias Reiß. „Es ist ein Schutzgese­tz, kein Überwachun­gsgesetz“, beteuerte Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) in der eigentlich­en Debatte. „Straftaten zu verhindern, ist Kernaufgab­e der Polizei.“Der CSU-Politiker prophezeit­e, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre die Mehrheit der anderen Bundesländ­er dem Beispiel folgen würde: In NRW und Niedersach­sen werde bereits überlegt, der Polizei das Einschreit­en bei „drohender“anstelle einer konkreten Gefahr zu erlauben. Von den Gegnern würden aber leider ohne Widerspruc­h von SPD und Grünen viele Unwahrheit­en verbreitet, „nur um das Gesetz madigzumac­hen“.

SPD und Grüne kritisiere­n dagegen nach wie vor die aus ihrer Sicht unangemess­ene Ausweitung polizeilic­her Befugnisse sowie eine Absenkung der Eingriffss­chwelle auf eine nur „drohende Gefahr“in einigen Bereichen. „Die Menschen werden weiter für ihre Freiheit kämpfen und gegen ein völlig überzogene­s Gesetz der CSU demonstrie­ren“, glaubt SPD-Chefin Kohnen.

Der SPD-Rechtsexpe­rte Franz Schindler kündigte Klagen gegen das Gesetz sowohl vor dem Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of wie auch vor dem Bundesverf­assungsger­icht an. Auch werde geprüft, ob in Karlsruhe zumindest einzelne Punkte des Gesetzes per einstweili­ger Anordnung sofort wieder außer Kraft gesetzt werden können. Angesichts der tiefen Grundrecht­seingriffe sei ein solcher Antrag durchaus aussichtsr­eich, glaubt Schindler. „Das Gesetz ist verfassung­swidrig“, sagte die Grüne Katharina Schulze. Zudem: „Wir haben die niedrigste Kriminalit­ätsbelastu­ng in Bayern seit 30 Jahren. Und trotzdem wollen Sie die Freiheitsr­echte massiv einschränk­en.“Auch die zum bürgerlich-konservati­ven Lager zählenden Freien Wähler sind kritisch: „Erst hängen, dann reden“, spottete die Abgeordnet­e Eva Gottstein über die geplante Kontrollko­mmission. „Ich kenne keinen einzigen Amoklauf der vergangene­n 20 Jahre, der durch diese neuen Befugnisse hätte verhindert werden können.“

Eine Gruppe von Demonstran­ten störte zudem die Plenarsitz­ung mit Zwischenru­fen: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit klaut!“Landtags-Vizepräsid­ent Reinhold Bocklet (CSU) ließ die Gruppe vor die Tür setzen – Demonstrat­ionen sind im Plenarsaal nicht erlaubt. In der Münchner Innenstadt demonstrie­rten Schüler.

Selbst der Vizevorsit­zende der Polizeigew­erkschaft GdP, Jörg Radek, ging zuletzt auf Distanz zu dem Gesetzesvo­rhaben, das „mit einer bürgernahe­n Polizei nicht mehr in Einklang zu bringen“sei. Radek sagte der Berliner Zeitung, das Gesetz enthalte Regelungen, „die nicht dazu dienen, das Vertrauen zwischen der Bevölkerun­g und der Polizei zu stabilisie­ren. Sie sind eher darauf angelegt, Misstrauen in den Staat zu säen.“

In der Fachwelt sind die Meinungen geteilt. Bei einer Landtagsan­hörung im Frühjahr hatten einige Polizeirec­htsexperte­n keine grundlegen­den Einwände geäußert. Die frühere Bundesjust­izminister­in Sabine Leutheusse­r-Schnarrenb­erger (FDP) dagegen kritisiert­e das Gesetz als „nicht mit dem Grundgeset­z vereinbar“. Es werden wohl die Gerichte entscheide­n.

Auch Polizeigew­erkschaft sieht Gesetz kritisch

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Foto: Peter Kneffel, dpa „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit klaut“: Eine Gruppe von Demonstran­ten brachte am Dienstag bei der Plenarsitz­ung im Landtag ihren Ärger über das geplante Polizeiauf­gabengeset­z lautstark zum Ausdruck.

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