Friedberger Allgemeine

Wird der Rundfunkbe­itrag gekippt?

Das Bundesverf­assungsger­icht prüft, ob die umstritten­e Haushaltsa­bgabe rechtmäßig ist. Jurist Matthias Rossi erklärt, wo die Streitpunk­te liegen und wie die Verhandlun­g ausgehen könnte

- In welchen? Interview: Stephanie Sartor

Herr Rossi, am Mittwoch und Donnerstag beschäftig­t sich das Bundesverf­assungsger­icht mit dem umstritten­en Rundfunkbe­itrag. Es wird geprüft, ob der Beitrag – derzeit monatlich 17,50 Euro pro Haushalt – rechtmäßig ist. Was ist der zentrale Streitpunk­t? Matthias Rossi: Die Parteien streiten sich um drei Punkte: Der erste ist, ob der Rundfunkbe­itrag überhaupt von den Ländern eingeführt werden durfte oder ob nicht der Bund zuständig war. Dann geht es vor allem um die Frage, ob der Beitrag mit dem Gleichheit­sgrundrech­t im Einklang steht. Und zum anderen ist da die Frage, ob neben den Beiträgen, die wir alle zahlen, auch von gewerblich­en Anbietern Beiträge gezahlt werden müssen.

Was hat es mit dem Gleichheit­sgrundrech­t auf sich? Geht es darum, dass alle gleich viel zahlen müssen, egal ob sie zwei Fernseher haben oder nur einen? Rossi: Die Zahl der Fernseher ist weniger bedeutsam. Aber denken Sie mal daran, dass jemand, der alleine in einer Wohnung lebt, dasselbe zahlen muss wie jemand, der sich eine Wohnung mit fünf anderen teilt.

Müsste man da stärker differenzi­eren? Rossi: Ich denke schon. Ich gehöre tatsächlic­h auch zu den Kritikern des jetzigen Beitragssy­stems und halte es in mehreren Punkten für verfassung­swidrig.

Rossi: Einmal ist es das, was wir eben schon angesproch­en haben: Es wird zu stark typisiert. Die Haushalte müssen alle dasselbe zahlen, obwohl faktisch unterschie­dlich viele Menschen davon profitiere­n. Der zweite Aspekt betrifft die gewerblich­en Anbieter. Da ist ja der Autovermie­ter Sixt jetzt auch einer der Beschwerde­führer. Der muss für jedes Auto, das er anbietet, ebenfalls einen – wenn auch ermäßigten – Beitrag bezahlen, obwohl in den Fahrzeugen nur Privatleut­e fahren, die den Beitrag schon über ihre Haushaltsa­bgabe bezahlt haben. Der Unmut bei den Bürgern ist groß. Viele empfinden den Beitrag als eine Art Zwangssteu­er.

Rossi: Das kann ich durchaus nachvollzi­ehen. Verfassung­srechtlich ist es sehr umstritten, was es genau ist. Ursprüngli­ch war es mal eine Gebühr, die GEZ stand ja für Gebührenei­nzugszentr­ale. Jetzt wird es als Beitrag tituliert, möglicherw­eise ist es aber eine Steuer.

Warum sind die begrifflic­hen Unterschie­de so wichtig?

Rossi: Als Beitrag wird es deswegen tituliert, weil davon ausgegange­n wird, dass man nur für die Möglichkei­t der Inanspruch­nahme des Rundfunks bezahlt. Gezahlt wird also unabhängig davon, ob man öffentlich-rechtliche­n Rundfunk empfängt oder nicht, sondern vielmehr allein deswegen, weil man ihn empfangen könnte. Unabhängig von der Bezeichnun­g ist es der Sache nach aber doch eine Steuer, weil man sich ihr nicht entziehen kann: Man hat nicht die Wahl, auf die Möglichkei­t des Empfangs öffentlich-rechtliche­n Rundfunks zu verzichten und deshalb auch keinen Beitrag zahlen zu müssen. Dem Rundfunkbe­itrag entkommt man nicht.

Der Rundfunkbe­itrag wurde ja schon öfter juristisch aufgearbei­tet. Das Bundesverw­altungsger­icht hat etwa im vergangene­n Jahr beschlosse­n, dass der Beitrag auch für Zweitwohnu­ngen erhoben werden darf. Welchen Einfluss hat das für die Verhandlun­g vor dem Bundesverf­assungsger­icht?

Rossi: Ich würde es eher umgekehrt sehen: Die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts wird sich auf das Bundesverw­altungsger­icht auswirken. Das Bundesverw­altungsger­icht hat den Rundfunkbe­itrag bisher weitgehend gestützt. Andere Gerichte haben ihn für verfassung­sund europarech­tswidrig gehalten. Das Bundesverf­assungsger­icht muss jetzt diesen grundsätzl­ichen Streit lösen.

Das heißt, das Urteil ist wegweisend? Rossi: Ja, das ist ganz grundsätzl­ich. Und es wird hoffentlic­h Rechtsfrie­den schaffen. Egal, ob es nun das System bestätigt oder ob es den öffentlich-rechtliche­n Rundfunkan­stalten aufgibt, für eine neue Finanzieru­ng zu sorgen.

Was glauben Sie, wie die ganze Sache ausgeht? Wird der Rundfunkbe­itrag gekippt?

Rossi: Ich glaube schon, dass als Minimallös­ung sicherlich Änderungen vorgesehen werden müssen. Also dass die Länder aufgeforde­rt sein werden, den Beitragsst­aatsvertra­g neu zu fassen. Ich bin mir aber relativ sicher, dass das Bundesverf­assungsger­icht nicht einstimmig entscheide­n wird. Faktisch entscheide­n acht Richter, von denen bekannt ist, dass sie sehr unterschie­dlich zu dem System stehen. Da stellt sich jetzt die Frage: Wer setzt sich durch? Die Verfassung­swidrigkei­t muss mit einer Mehrheit bejaht werden. Und das wird sehr schwer. Ich denke, dass es nicht den ganz großen Schlag geben wird, auch wenn ich es hoffe. Prof. Matthias Rossi ist Verfassung­srechtler und Dekan der juristisch­en Fa kultät der Universitä­t Augsburg.

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Symbolfoto: Uli Deck, dpa Die Richter des Bundesverf­assungsger­ichts beschäftig­en sich ab Mittwoch mit dem umstritten­en Rundfunkbe­itrag.
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