Wie geht es weiter mit den Nahverkehrs Tarifen?
Die Vorschläge, mit denen auf die Beschwerden nach der Tarifreform reagiert werden soll, sind nicht der große Wurf. Doch es gibt wohl weitere Überlegungen unter dem Namen „City Zone“, die noch geheim sind
Viereinhalb Monate nach dem Inkrafttreten der Tarifreform im öffentlichen Nahverkehr und der nachfolgenden Protestwelle wird die Politik am Donnerstag wohl erste Änderungen beschließen. Großflächige Verbesserungen für die durch die Tarifreform teils besonders zur Kasse gebetenen Gelegenheitsfahrer sind aber nicht absehbar. Vorgesehen sind nun folgende Änderungen:
● Zustempeln Wer ein Abo der Zonen 10 oder 20 hat und über die Grenze seiner Zone im Stadtgebiet hinausfährt, musste bisher zwei Preisstufen mit dem Einzelfahrschein zustempeln, hatte also keinen Vorteil vom Abo. Künftig wird als Aufpreis zum Abo nur eine Preisstufe fällig.
● Wochenkarte Die Wochenkarte wird wieder eingeführt. Ihr Preis steht noch nicht fest, wird aber so gestaltet sein, dass drei Wochenkarten teurer sind als eine Monatskarte.
● Stadtteil Kurzstrecke Für einige ausgewählte Stadtteile wird die Kurzstrecken-Regelung aufgeweicht. Das soll es Bewohnern ermöglichen, das nächstgelegene Stadtteilzentrum zu erreichen. Konkret geht es um die Stadtteile Bärenkeller, Inningen, Bergheim, Firnhaberau und Hochzoll-Süd; Letzteres nur als vorübergehende Lösung, bis es am Zwölf-Apostel-Platz wieder einen Supermarkt gibt. Allerdings dürfte dies Protest in anderen Stadtteilen hervorrufen.
Die Kosten für all diese Maßnahmen werden bei mindestens 260 000 Euro im Jahr liegen, hinzu kommen Einmal-Kosten von mindestens 110 000 Euro. Wer dafür aufkommt, ist noch ungewiss.
Die politischen Parteien ließen auf dem Höhepunkt des Ärgers mit der Tarifreform auch weitreichende Änderungen prüfen. Eine Arbeitsgruppe im Augsburger Verkehrsverbund AVV, in der neben Verkehrsunternehmen auch Politiker der beteiligten Landkreise und der Stadt Augsburg sitzen, sieht aber keine Realisierungsmöglichkeiten. Die Gründe: zu teuer, praktisch nicht umsetzbar oder im Widerspruch zum Ziel der Tarifreform, Kunden zu Dauer-Fahrgästen zu machen. Einige Beispiele:
● Kurzstreckenverlängerung Eine generelle Verlängerung der Kurzstrecke auf sechs oder mehr Haltestellen, wie sie von den Regierungspartnern CSU, SPD und Grünen gefordert worden war, wird nicht kommen. Grund: mindestens zwei Millionen Euro Einnahmeverluste pro Jahr allein im Stadtgebiet.
● Bahn Kurzstrecke Eine Nutzung der Kurzstrecke im S-Bahn-ähnlichen Bahnverkehr scheitert unter anderem am Widerstand der Bahnunternehmen.
● 365 Euro Ticket Ein 365-EuroJahresticket ohne Sperrzeit am Morgen (momentan 9 Uhr), wie es die Grünen nach Wiener Vorbild wollen, lehnen die Verkehrsunternehmen ab – es sei mit 12,5 Millionen Euro jährlich zu teuer und Fahrzeuge wären morgens noch voller.
● Fahrkartenverkauf Das neue Kurzstrecken-Ticket ist in Straßenbahnen beim Fahrer nicht erhältlich. Die Stadtwerke wollen bei dieser Lösung bleiben: Es sei im ersten Quartal gelungen, die Pünktlichkeit der Trams von 88 auf 91 Prozent zu steigern. Dies liege an der Entlastung des Fahrers. Fahrscheinautomaten in den Fahrzeugen wollen die Stadtwerke nicht. Sie seien teuer und störanfällig.
Allerdings scheint die Liste der Reform-Vorschläge nicht endgültig zu sein. Im Stadtrat am Donnerstag will die Stadtspitze den Entwurf ei- nes Mobilitätskonzepts für die Innenstadt vorstellen. Der Nahverkehr scheint Bestandteil der Überlegungen zu sein. Die Eckpunkte der sogenannten „City Zone“werden bei der Stadt vorab als Verschlusssache behandelt.
Bei der Tarifreform hatte für besonderen Unmut gesorgt, dass die Zonen 10 (Innenstadt und Umgebung) und 20 (sonstiges Stadtgebiet) für Nutzer von Einzeltickets und Streifenkarten zusammengelegt worden waren. Weil nun obligatorisch die Preisstufe 2 bezahlt werden muss, haben sich die Fahrpreise für die Gelegenheitsnutzer, die bisher nur in einer Zone unterwegs waren, verdoppelt. Die Stadtwerke sind aber der Auffassung, dass die Tarifreform mehr Fahrgäste bringt. Diese Rechnung (fußend auf den Zahlen des ersten Quartals) geht so: Aus der Zahl der verkauften Einzelti- ckets und Streifenkarten und dem Rückgang bei den Monatskarten (Wegfall der Senioren-Monatskarte) haben die Stadtwerke ein Minus von 114000 Fahrten monatlich ermittelt. Dem stehe aber ein Plus von 5490 Abonnenten – die neuen von der Stadt bezuschussten Schülerabos sind dabei enthalten – gegenüber. Veranschlage man branchenüblich rund 60 Fahrten mit einem Abo pro Monat, komme man auf 330000 Fahrten so die Stadtwerke.
Allerdings ist es unrealistisch, dass das neue 9-Uhr-Sparabo so häufig genutzt wird. Es wurde als Umstiegsangebot für Gelegenheitsfahrer entwickelt. Sie dürfen zwar täglich fahren, müssen das unter Umständen aber gar nicht, sondern haben sich nur wegen der Verteuerung im Bartarif fürs Abo entschieden. Die Stadtwerke sagen, dass aber auch bei 40 Fahrten im Monat immer noch ein klares Plus bei den Fahrten herausschaue.
Mittelfristig geplant ist, in den ticketlosen (nicht kostenlosen) Nahverkehr einzusteigen. Derartige Modelle, bei denen Fahrgäste sich beim Einstieg mit einer elektronischen Karte registrieren und beim Ausstieg abmelden, werden in einigen Städten erprobt. In Stuttgart läuft ein Versuch, bei dem eine Handy-App am Ende des Monats alle Kurz- und Einzeltickets zusammenrechnet und den günstigsten Preis ermittelt – im Nachhinein kann es also sein, dass bei vielen Fahrten der günstigere Preis für eine Monatskarte berechnet wird. In Frankfurt geht ein Pilotversuch weiter: Testkunden, die ihre Fahrt mit dem Handy kaufen, bekommen am Monatsende eine Abrechnung, die sich nicht mehr an Tarifzonengrenzen orientiert, sondern an der gefahrenen Strecke. Dass diese Angebote den Nahverkehr für Fahrgäste flächendeckend günstiger machen, ist allerdings nicht der Fall.
Auch in Augsburg geht es darum, die Schwelle für Gelegenheitsfahrgäste zu senken. In einem ersten Schritt sollen Stadtwerke und AVV ermitteln, welche Lösung fürs Verbundgebiet infrage kommt.
In Zukunft soll man ohne Ticket unterwegs sein