Es soll blühen im Wittelsbacher Land
Naturschützer, Kommunen und Gartenbauvereine sind gegen das Insektensterben aktiv. Nun wollen Landwirte Blühstreifen initiieren. Für diese Aktion ernten sie jedoch auch Kritik
Aichach Friedberg Wir alle hören, spüren und wir sehen es: Der Frühling summt und brummt immer leiser. An den Autoscheiben kleben merklich weniger Mücken. Insektensterben – darüber berichten Biologen und Naturschützer schon seit langer Zeit. Doch erst seit gut einem Jahr ist die breite Öffentlichkeit – nach Bekanntwerden einer Studie über den dramatischen Rückgang der Biomasse und Arten bei Insekten – wachgerüttelt. Und auch wenn es vielen noch viel zu langsam geht – es bewegt sich was: auch hier vor Ort im Wittelsbacher Land. Beim ersten Biodiversitätstag im Landkreis auf Schloss Blumenthal bei Aichach stand der Artenschwund im Mittelpunkt einer intensiven Diskussion. Die Tiefbauverwaltung im Landratsamt will ihre Kreisstraßenränder ökologisch aufwerten, und der Landschaftspflegeverband kümmert sich um Trockenrasen-, Nass- und Blühflächen. Immer mehr Gartenbauvereine aus dem Landkreis nehmen sich vor, die sogenannten Eh-Da-Flächen in ihren Gemeinden insekten- und bienenfreundlicher zu gestalten.
Dass die Landwirtschaft durch intensive Bewirtschaftung der Flächen, Monokulturen und Herbizideinsatz als Hauptverursacher der gefährlichen Entwicklung gesehen wird, ist Reinhard Herb natürlich bewusst. Der Kreisobmann des Bauernverbands (BBV) sieht seinen Berufsstand aber zu Unrecht an den Pranger gestellt. Am Verlust an Artenvielfalt habe die gesamte Gesellschaft, von der Industrie bis zum Autofahrer, eine Mitschuld.
Der Kreisverband des BBV will auch nicht in der Defensive bleiben. In der jüngsten Kreistagssitzung stellte CSU-Ratsmitglied Herb seinen Kollegen eine Initiative vor, damit es im Wittelsbacher Land mehr blüht und Insekten wieder Lebensund Nahrungsräume finden. Dafür gab’s Lob vor allem aus den eigenen Reihen, aber auch teils deutliche Kritik aus anderen Fraktionen. Seit einigen Jahren gibt es bereits die Aktion Blühende Rahmen. Bauern legen dazu an ihren eigenen Feldrändern Blühflächen an. Nun soll es Unterstützung des Bauernverbands im Sommer auch auf kommunalen und privaten Flächen im ganzen Landkreis mehr blühen. Idee des Bayerischen Bauernverbands ist es, dem Freistaat Bayern zum 100-jährigen Bestehen quasi Blumen zu schenken. „Gemeinden und interessierte Bürger sollen ungenutzte Streifen oder Brachflächen zur Verfügung stellen, und Landwirte wollen sie Ende Mai bis Anfang Juni bearbeiten“, so Herb auf Anfrage unserer Zeitung.
Der Bewuchs wird so kurz wie möglich abgemäht, dann werden der Boden gestriegelt und der Samen eingebracht. Im Juli und August sol- dann Margerite, Wilde Malve, Kümmel, Fenchel und Salbei und vieles mehr blühen. „Also genau zu einer Zeit, wenn die Bienen in der Regel wenig Nahrung finden“, erklärt Herb die späte Ansaat.
Sein Ziel sei es, dass in jedem der rund 100 BBV-Ortsverbände im Wittelsbacher Land zumindest eine solche Fläche blüht – je mehr, desto besser natürlich. Für die teuren Samen (160 Euro pro Kilo) sucht Herb noch Sponsoren. Mit einem Kilo lassen sich ungefähr 1000 Quadratmeter Blühwiese anlegen. Herb forderte in der Sitzung insbesondere die Bürgermeister auf, Flächen zur Verfügung zustellen. Aber auch Primit vatleute können auf die jeweiligen Ortsobmänner oder Ortsbäuerinnen des BBV zugehen, so Herb zum Organisationsablauf. Es drängt aber die Zeit, denn ab Ende Mai soll ja schon gesät werden. Landtagsabgeordneter Peter Tomaschko und Rupert Reitberger, Vorsitzender des Kreisverbands für Gartenbau und Landespflege (beide CSU), unterstützen die Aktion der Landwirte. Eva Ziegler (Unabhängige) glaubt dagegen nicht, dass das massenhafte Insektensterben mit ein paar Blumen gestoppt werden kann. Ihr Vergleich: „Das ist, als ob einem Patienten auf der Intensivstation eine Schönheitsoperation helfen soll.“Ihr Fraktilen onschef Sepp Bichler, Biobauer und wie Reinhard Herb aus Sielenbach, ging sogar bei der Vorstellung der Blühflächen-Initiative durch den BBV-Kreisobmann demonstrativ aus dem Sitzungssaal im Landratsamt. Seine Begründung gegenüber unserer Zeitung: Es könne und müsse auch auf den Feldern und Wiesen wieder blühen und nicht nur auf ein paar übrigen Restflächen. Claudia Eser-Schuberth (Grüne) sprach in der Sitzung von einer „reinen PRAktion“. Das ließ Herb nicht auf sich sitzen: Die Landwirte handelten freiwillig, sie seien nicht dazu verpflichtet und würden Arbeit und Saatgut bereitstellen.