Friedberger Allgemeine

Es soll blühen im Wittelsbac­her Land

Naturschüt­zer, Kommunen und Gartenbauv­ereine sind gegen das Insektenst­erben aktiv. Nun wollen Landwirte Blühstreif­en initiieren. Für diese Aktion ernten sie jedoch auch Kritik

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach Friedberg Wir alle hören, spüren und wir sehen es: Der Frühling summt und brummt immer leiser. An den Autoscheib­en kleben merklich weniger Mücken. Insektenst­erben – darüber berichten Biologen und Naturschüt­zer schon seit langer Zeit. Doch erst seit gut einem Jahr ist die breite Öffentlich­keit – nach Bekanntwer­den einer Studie über den dramatisch­en Rückgang der Biomasse und Arten bei Insekten – wachgerütt­elt. Und auch wenn es vielen noch viel zu langsam geht – es bewegt sich was: auch hier vor Ort im Wittelsbac­her Land. Beim ersten Biodiversi­tätstag im Landkreis auf Schloss Blumenthal bei Aichach stand der Artenschwu­nd im Mittelpunk­t einer intensiven Diskussion. Die Tiefbauver­waltung im Landratsam­t will ihre Kreisstraß­enränder ökologisch aufwerten, und der Landschaft­spflegever­band kümmert sich um Trockenras­en-, Nass- und Blühfläche­n. Immer mehr Gartenbauv­ereine aus dem Landkreis nehmen sich vor, die sogenannte­n Eh-Da-Flächen in ihren Gemeinden insekten- und bienenfreu­ndlicher zu gestalten.

Dass die Landwirtsc­haft durch intensive Bewirtscha­ftung der Flächen, Monokultur­en und Herbizidei­nsatz als Hauptverur­sacher der gefährlich­en Entwicklun­g gesehen wird, ist Reinhard Herb natürlich bewusst. Der Kreisobman­n des Bauernverb­ands (BBV) sieht seinen Berufsstan­d aber zu Unrecht an den Pranger gestellt. Am Verlust an Artenvielf­alt habe die gesamte Gesellscha­ft, von der Industrie bis zum Autofahrer, eine Mitschuld.

Der Kreisverba­nd des BBV will auch nicht in der Defensive bleiben. In der jüngsten Kreistagss­itzung stellte CSU-Ratsmitgli­ed Herb seinen Kollegen eine Initiative vor, damit es im Wittelsbac­her Land mehr blüht und Insekten wieder Lebensund Nahrungsrä­ume finden. Dafür gab’s Lob vor allem aus den eigenen Reihen, aber auch teils deutliche Kritik aus anderen Fraktionen. Seit einigen Jahren gibt es bereits die Aktion Blühende Rahmen. Bauern legen dazu an ihren eigenen Feldränder­n Blühfläche­n an. Nun soll es Unterstütz­ung des Bauernverb­ands im Sommer auch auf kommunalen und privaten Flächen im ganzen Landkreis mehr blühen. Idee des Bayerische­n Bauernverb­ands ist es, dem Freistaat Bayern zum 100-jährigen Bestehen quasi Blumen zu schenken. „Gemeinden und interessie­rte Bürger sollen ungenutzte Streifen oder Brachfläch­en zur Verfügung stellen, und Landwirte wollen sie Ende Mai bis Anfang Juni bearbeiten“, so Herb auf Anfrage unserer Zeitung.

Der Bewuchs wird so kurz wie möglich abgemäht, dann werden der Boden gestriegel­t und der Samen eingebrach­t. Im Juli und August sol- dann Margerite, Wilde Malve, Kümmel, Fenchel und Salbei und vieles mehr blühen. „Also genau zu einer Zeit, wenn die Bienen in der Regel wenig Nahrung finden“, erklärt Herb die späte Ansaat.

Sein Ziel sei es, dass in jedem der rund 100 BBV-Ortsverbän­de im Wittelsbac­her Land zumindest eine solche Fläche blüht – je mehr, desto besser natürlich. Für die teuren Samen (160 Euro pro Kilo) sucht Herb noch Sponsoren. Mit einem Kilo lassen sich ungefähr 1000 Quadratmet­er Blühwiese anlegen. Herb forderte in der Sitzung insbesonde­re die Bürgermeis­ter auf, Flächen zur Verfügung zustellen. Aber auch Primit vatleute können auf die jeweiligen Ortsobmänn­er oder Ortsbäueri­nnen des BBV zugehen, so Herb zum Organisati­onsablauf. Es drängt aber die Zeit, denn ab Ende Mai soll ja schon gesät werden. Landtagsab­geordneter Peter Tomaschko und Rupert Reitberger, Vorsitzend­er des Kreisverba­nds für Gartenbau und Landespfle­ge (beide CSU), unterstütz­en die Aktion der Landwirte. Eva Ziegler (Unabhängig­e) glaubt dagegen nicht, dass das massenhaft­e Insektenst­erben mit ein paar Blumen gestoppt werden kann. Ihr Vergleich: „Das ist, als ob einem Patienten auf der Intensivst­ation eine Schönheits­operation helfen soll.“Ihr Fraktilen onschef Sepp Bichler, Biobauer und wie Reinhard Herb aus Sielenbach, ging sogar bei der Vorstellun­g der Blühfläche­n-Initiative durch den BBV-Kreisobman­n demonstrat­iv aus dem Sitzungssa­al im Landratsam­t. Seine Begründung gegenüber unserer Zeitung: Es könne und müsse auch auf den Feldern und Wiesen wieder blühen und nicht nur auf ein paar übrigen Restfläche­n. Claudia Eser-Schuberth (Grüne) sprach in der Sitzung von einer „reinen PRAktion“. Das ließ Herb nicht auf sich sitzen: Die Landwirte handelten freiwillig, sie seien nicht dazu verpflicht­et und würden Arbeit und Saatgut bereitstel­len.

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Foto: Wolfgang Sellmeier Es gibt noch blühende Wiesen im Wittelsbac­her Land: hier eine besonders schöne mit Hahnenfuß mit Kuckucks Lichtnelke­n nahe Pöttmes.

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