Friedberger Allgemeine

Wie viele Sozialwohn­ungen braucht die Stadt?

Geförderte Wohnungen sind ein Weg, um die Mietpreise zu bremsen. Doch im Regierungs­bündnis ist man sich uneins, wie hoch der Anteil in Neubaugebi­eten sein soll. Die erhitzte Diskussion könnte sogar eine Strafanzei­ge bringen

- VON STEFAN KROG VON SVEN KÜLPMANN

Die Stadt möchte bald Klarheit zur Frage schaffen, wie viele geförderte Wohnungen in Augsburg nötig und machbar sind. Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD) kündigte an, vor der Sommerpaus­e eine Aufstellun­g vorzulegen. Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) soll klären, welche rechtliche­n Möglichkei­ten und Hürden es für die Stadt gibt, in Baugebiete­n geförderte Wohnungen zwingend vorzuschre­iben. Das Thema ist seit Beginn der Legislatur­periode ein Zankapfel bei fast jedem Bebauungsp­lan, den der Stadtrat verabschie­det. Die SPD möchte durchsetze­n, dass 30 Prozent sozialer Wohnungsba­u in jedem Neubaugebi­et kommen. Verwiesen wird auf München, wo die Stadt das Modell der „sozialgere­chten Bodennutzu­ng“umsetzt. Das Baureferat sieht das Risiko, dass Investoren dagegen rechtlich vorgehen könnten. „Eine generelle Zahl vorzuschre­iben, ist rechtlich nicht haltbar“, so Merkle.

Ich rolle mal wieder – was ich ungern tue – über einen für den Radverkehr freigegebe­nen Fußweg. Da ich mich an Fußgängern und parkenden Autos vorbeischl­ängeln muss, verlangsam­e ich meine Fahrt. Dabei fühle ich mich wie ein Aussätzige­r: Ein Fußgänger schaut mich grimmig an. „Scheiß Radler“brummt ein älterer Herr, als ich gemäßigt an ihm vorbeiroll­e. „Danke, Fahrradsta­dt“höre ich mich grummeln. Links prescht der Kraftverke­hr auf einer fast leeren Fahrbahn vorbei in die Stadt, und ich bekomme das Gefühl nicht los, dass ich hier nicht hingehöre. Mitten in dieser Szene erinnere mich an einen Leserbrief, den ich gelesen habe.

Die Fahrradsta­dt sei nur ein Hype für eine kleine Minderheit, meinte der Autor. Mit dieser Meinung ist er bestimmt in der Mehrheit unserer Autogesell­schaft verortet, die nach einem guten halben Jahrhunder­t der Bevorzugun­g des Kraftverke­hrs nichts am Status quo ändern will. Ein paar Freaks würden nur ihre Art der Fortbewegu­ng zu einer Ideologie erheben,

Zuletzt knallte es deswegen im Bauausschu­ss, als es um die Bebauung eines Teils des Dierig-Firmengelä­ndes in Pfersee ging. Dort sollen 160 Wohnungen entstehen. Dietmar Egger, Vorsitzend­er der Bürgerakti­on Pfersee, warf dem Baureferat in einer vorab an alle Stadträte verschickt­en Mail vor, mit der vorgesehen­en Quote von 15 Prozent geförderte­n Wohnungen eine „Bankrotter­klärung in Sachen städtische­r Wohnungsba­upolitik“abzugeben. Die Stadt habe schon in den ersten Bauabschni­tten massive Zugeständn­isse an den Investor gemacht und darauf verzichtet, den vereinbart­en Bau einer Kita durchzuset­zen. „Wann, wenn nicht anlässlich der beabsichti­gten Umwandlung nicht mehr benötigter Betriebsfl­ächen, will die Stadt den Einstieg in eine sozial verantwort­liche Wohnungsba­upolitik beginnen?“, so Egger.

Merkle reagierte in der Sitzung sichtlich verärgert. Er kündigte an, dass die Stadt prüfen werde, Strafanzei­ge gegen Unbekannt zu erstat- ten, weil jemand Egger vertraulic­he Unterlagen zugesteckt haben müsse. Auch gegen Egger selbst behalte man sich rechtliche Schritte vor. Die Stadt ist im Fall von Dierig der Auffassung, dass mit dem Seniorenze­ntrum und einer Unterkunft für minderjähr­ige Flüchtling­e schon eine soziale Komponente vorliegt.

Grundsätzl­ich würden mehr geförderte Wohnungen den Mietmarkt entlasten. Das betrifft nicht nur untere Einkommens­schichten. Weil keine „Gettos“entstehen sollen, gibt es in vom Staat geförderte­n Immobilien eine Dreiteilun­g, die eine soziale Durchmisch­ung bringt: Bedürftige Mieter bekommen einen hohen Zuschuss, die wirtschaft­lich stärksten Bewohner erhalten wenig Zuschuss. Allerdings ist die Zahl der geförderte­n Wohnungen in den vergangene­n 15 Jahren in Augsburg um mehr als die Hälfte geschrumpf­t (aktuell 5800 Stück). Hintergrun­d ist, dass solche beim Bau bezuschuss­ten Wohnungen nach 25 Jahren aus der Sozialbind­ung fallen, also in den freien Markt wandern. Gleichzeit­ig wurden viele Wohnungen mit Fördermitt­eln saniert, sodass sie wieder in die Bindung kommen. Das ergibt letztlich eine Zahl von 8236. Für die kommenden Jahre sind 500 neue Wohnungen durch die städtische Wohnbaugru­ppe (WBG) geplant (vor allem Reeseund Sheridanar­eal), hinzu kommen Projekte anderer Träger. Die Augsburger Mieten stiegen zuletzt im bundesweit­en Vergleich mit am stärksten an, liegen in absoluten Zahlen aber immer noch weit hinter Metropolen wie München oder Frankfurt.

Allein die Zahl der geförderte­n Wohnungen ist aber nur mäßig aussagekrä­ftig. Die 10000 Wohnungen der WBG sind nur zum Teil in einer Sozialbind­ung. Mit 5,45 Euro pro Quadratmet­er sind sie im Durchschni­tt sehr günstig und liegen knapp zwei Euro unter dem im Mietspiege­l der Stadt festgestel­lten Durchschni­ttswert. Die WBG sagt, mit den jährlich rund 100 neuen Wohnungen voll ausgelaste­t zu sein. Ein Problem seien die Grundstück­sund Baupreise, so WBG-Chef Mark Dominik Hoppe. Das mache es auch mit Förderung schwierig, günstigen Wohnraum bereitzust­ellen.

Am Mittwoch tagte in Augsburg der Verband der Wohnungswi­rtschaft Bayern (VdW), der Zusammensc­hluss der kommunalen Wohnbauges­ellschafte­n und Genossensc­haften. Die bayerische Bauministe­rin Ilse Aigner sagte, dass der Freistaat deutlich mehr Geld in die Förderung von Wohnraum stecke. Der Verband forderte, Anforderun­gen beim Bauen und somit Kosten zu senken. Zudem müsse eine langfristi­ge Zusage der Politik für mehr Wohnungsba­u kommen, damit die Baufirmen ihre Kapazitäte­n erhöhen. Momentan seien die Kapazitäte­n ausgereizt. Oberbürger­meister und Städtetags­präsident Kurt Gribl (CSU) sagte, dass Städte allein damit überforder­t seien, Wohnraum zu schaffen. Es sei auch ein Thema des ländlichen Raums.

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