Ein Reiter mit Leib und Seele
Richard Gardner sorgt mit dem Sieg für Neuseeland beim Nationenpreis in Abu Dhabi für eine Sensation. Warum ihn schon Millionen gesehen, aber wohl nicht erkannt haben dürften
Friedberg Poloshirt, verstaubte Arbeitshose – so steht der 47-jährige Neuseeländer Richard Gardner im Stall des Gestüts Jennissen in Stätzling. „Bewacht“von Hofhund Poncho, der den Besucher keine Sekunde aus den Augen lässt und seine Streicheleinheiten einfordert. „Ich komme gleich, ich muss nur noch das Wasser der Beregnungsanlage abstellen“, ruft Gardner. Wenn man ihn so sieht, dann kann man sich kaum vorstellen, einen der erfolgreichsten neuseeländischen Reiter vor sich zu haben, der auch hierzulande seit fast zwei Jahrzehnten überregional zu den Größen im Springreiten zählt.
Erst in diesem Jahr feierte Richard Gardner auf seinem Wallach Calisto seinen bislang größten sportlichen Triumph – und zwar in Abu Dhabi. Dort gewann er mit seinen Teamkollegen der neuseeländischen Equipe den Nationenpreis, einen internationalen Mannschaftswettbewerb – quasi die Champions League des Springreitens. „Das war einfach unglaublich, und ich habe auch erst später richtig realisiert, was da passiert ist. Wir sind als Underdog hingeflogen, und dann gewinnen wir – damit konnte niemand rechnen“, erzählt Gardner. War schon die Teilnahme beim Finale des Nationenpreises 2017 in Barcelona, bei dem ein zwölfter Platz heraussprang, ein herausragendes Erlebnis, so toppte der Sieg in Abu Dhabi alles bisher Dagewesene. „Noch nie hat Neuseeland einen Nationenpreis gewonnen – das ist ungefähr so, als würde der FC Stätzling im Pokal den FC Bayern besiegen“, meint Gardner lachend.
Das Unternehmen Abu Dhabi war ein Abenteuer – für Pferd und Reiter. „Ich war schon ein bisschen angespannt und nervös“, gibt Gardner zu. Vor allem, weil er nicht mit seinem Pferd fliegen durfte. „Calisto wurde per Cargo aus Lüttich nach Abu Dhabi geflogen – und da durften wir nicht mit. Wir sind mit der Linienmaschine nachgekommen“, so Gardner. Doch es ging alles glatt, Pferd und Reiter überstanden auch den Klimawechsel von minus zehn Grad im Februar hier zu plus 25 Grad am Persischen Golf ohne Probleme.
Nach dem historischen Triumph, der im Übrigen im Stechen gegen die Equipe aus Irland perfekt gemacht wurde, machte Richard Gardner mit seiner Lebensgefährtin Stephanie Jennissen und Tochter Anna-Maria Urlaub in Neuseeland. „Der Sponsor hat das Team eingeladen, um diesen sensationellen Sieg zu feiern“, so der 47-Jährige.
Seit 2001 ist Richard Gardner, der im neuseeländischen Christchurch geboren wurde und in Tologa Bay, einem kleinen Ort an der Ostküste des Landes aufwuchs, in Deutschland. Und seit dieser Zeit arbeitet er für das Stätzlinger Gestüt Jennissen – als Bereiter und Reitlehrer. 45 Pferde beherbergt das Gestüt momentan – von Top-Turnierpferden wie Calisto über eigene Ausbildungspferde, Einsteller, also fremde Pferde, bis hin zu den sogenannten „Rentnern“, die hier in Stätzling das Gnadenbrot erhalten, ist alles vertreten.
Der Neuseeländer hat sich bestens in den Familienbetrieb Jennissen eingelebt und unterstützt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Stephanie Jennissen nach Kräften Gestütsgründer Franz-Peter Jennissen, der dieses Gestüt 1972 ins Leben gerufen hatte. „Papa ist immer noch der Patron, sein Wort gilt – aber Richard und ich machen das alles in seinem Sinn“, erklärt Stephanie Jennissen.
Mit der deutschen Mentalität hat Gardner indes manchmal noch kleine Probleme, schließlich seien die Neuseeländer „wesentlich entspannter in allen Dingen“, wie er betont. Gewisse bayerische Eigenheiten hat er allerdings schon angenommen: „Sie sollten ihn mal fluchen hören“, meint Stephanie Jennissen lachend.
Seit knapp zwei Jahrzehnten ist Richard Gardner nun also in bayerischen Gefilden unterwegs und als Turnierreiter erfolgreich. Schon 2007 erhielt er das Goldene Reiterabzeichen überreicht – bei einem Turnier in Kissing. „Um das zu erhalten, muss man zehn S-Springen, also Springen der schwersten Kategorie, gewinnen“, erklärt der Neuseeländer.
In seiner größten Rolle, die er auf dem Rücken eines Pferdes gespielt hat, dürften ihn Abermillionen gesehen haben – ohne ihn allerdings zu erkennen. Richard Gardner spielte nämlich im Megaseller „Herr der Ringe“mit. „Ich war das Reiterdouble von Viggo Mortensen, dem Darsteller von Aragorn – und auch einer der Schwarzen Reiter aus dem ersten Teil“, erzählt Gardner. Im Jahr 2000 vermittelte ihn eine Freundin an den Set der Dreharbeiten – und Gardner blieb rund ein halbes Jahr dabei.
„Das war schon interessant, und ich konnte den Job damals auch gut brauchen“, erinnert sich der 47Jährige. Manchmal seien die Drehs auch langweilig gewesen, wenn man eine Szene immer und immer wieder spielen musste.
An eine Szene erinnert sich Gardner noch genau. „Ich musste auf einem Berg auf einem Pferd ohne Sattel sitzen und dann flog ein Helikopter über uns, der uns von oben drehen sollte – und das drei-, viermal. Und irgendwann ist das Pferd durchgegangen, da hatte ich dann auch für den Moment genug“, meint er lächelnd.
Aus rund 800 Stunden Material blieben letztlich neun Stunden Film übrig – und wie gesagt, erkannt hat den nun in Friedberg lebenden Richard Gardner niemand. „Aber er hat in der Filmmontur schon imposant ausgeschaut“, fügt Stephanie Jennissen schmunzelnd an.
Doch das ist Vergangenheit, nun richtet sich der Blick auch in die sportliche Zukunft. Geplant sind Starts bei den bayerischen Meisterden schaften – auf Calisto – ein WorldCup in Tschechien, im September der Start bei der Weltmeisterschaft in Tyron in North Carolina und hoffentlich wieder das NationenpreisFinale in Barcelona. Und auch im Landkreis wird man ihn bald sehen: Beim Turnier Ende Juni in Kissing, bei dem Richard Gardner mit eigenen Nachwuchspferden an den Start gehen wird.