Friedberger Allgemeine

Ohne Gehör

Warum sich die CSU gegen finanziell­e Hilfen für Gehörlose sträubt

- VON HENRY STERN

München Die CSU-Mehrheit im Landtag will gehörlosen und gehörbehin­derten Menschen in Bayern derzeit keine finanziell­e Unterstütz­ung gewähren: Im zuständige­n Sozialauss­chuss des Landtags lehnten die Abgeordnet­en der Regierungs­partei einen Gesetzentw­urf der Grünen ab, der – wie bereits in mehreren anderen Bundesländ­ern – analog zum Blindengel­d ein Gehörlosen­geld in Bayern einführen wollte. Zwar sei man für eine Unterstütz­ung der Gehörlosen offen, sagte der CSU-Sozialpoli­tiker Thomas Huber. Der tatsächlic­he Bedarf sei allerdings noch völlig unklar. Deshalb gelte es, „einen Schritt nach dem anderen zu machen“.

„Die konkreten Bedarfe sind seit Jahren bekannt“, entgegnete die unterfränk­ische Grünen-Abgeordnet­e Kerstin Celina. In der Tat gibt es etwa eine detaillier­te Aufstellun­g des „Netzwerks Hörbehinde­rung Bayern“, in dem bislang nicht von Krankenkas­sen oder staatliche­n Stellen übernommen­e behinderun­gsbedingte Mehrkosten von teuren Batterien für Hochleistu­ngsHörgerä­te bis hin zu Gebärdendo­lmetschern in wichtigen Alltagssit­uationen aufgeliste­t sind.

Auf dieser Basis fordert der Grünen-Gesetzentw­urf für Gehörlose eine Hilfe in Höhe von 60 Prozent des derzeit in Bayern gewährten Blindengel­des, was 352 Euro im Monat entspricht. Schwerhöri­ge sollten 30 Prozent des Blindengel­des oder 176 Euro im Monat bekommen. Bei rund 15 000 betroffene­n Menschen in Bayern rechnen die Grünen mit Gesamtkost­en von jährlich rund 51 Millionen Euro. „Erzählen sie mir nicht, dass dafür kein Geld da ist“, hielt Celina der CSUMehrhei­t vor.

Dem Vernehmen nach räumt auch das Sozialmini­sterium die Berechtigu­ng einer finanziell­en Hilfe für Gehörlose im Grundsatz ein, fürchtet aber einen „NachahmerE­ffekt“anderer Gruppen mit Behinderun­g. Grüne, SPD und Freie Wähler verweisen auf das von der CSU 2013 gegebene Verspreche­n, Bayern binnen zehn Jahren barrierefr­ei zu machen. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) habe in seiner Regierungs­erklärung jedoch kein Wort über Inklusion, Barrierefr­eiheit oder Hilfe für Behinderte verloren, kritisiert Celina.

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