Friedberger Allgemeine

Zauberlehr­ling Zuckerberg wird aus Schaden nicht klug

Heute erklärt sich der Facebook-Erfinder nach dem Datenskand­al auch im EU-Parlament. Doch es geht ihm nur um PR, nicht um besseren Schutz der Nutzer

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Am Pfingstwoc­henende hat Facebook in vielen deutschen Blättern ganzseitig­e Anzeigen geschaltet – auch in unserer Zeitung. Darin lobte das soziale Netzwerk die europäisch­e Datenschut­z-Grundveror­dnung. Sie gilt ab Freitag und gewährt allen EU-Bürgern die Chance, die eigenen Daten besser zu schützen.

Facebook lobt besseren Datenschut­z? Das ist natürlich nur ein Marketing-Trick. Denn in Zuckerberg­s Lebenswerk aus Software und Algorithme­n sind die Daten von vielen Millionen Menschen jahrelang missbrauch­t worden.

Zuletzt rüttelte der Fall der britischen Agentur Cambridge Analytica die Welt auf. Die Firma hatte sich viel zu einfach Informatio­nen über 87 Millionen Facebook-Nutzer beschaffen können. Sie nutzte die Daten, um 2016 im Auftrag von Kampagnen-Profis sowohl die USPräsiden­tschaftswa­hlen als auch die britische Brexit-Abstimmung mit gezielten politische­n Botschafte­n zu beeinfluss­en.

Zwar hat sich Zuckerberg seitdem mehrfach entschuldi­gt. Doch der 34-Jährige wird sich nicht vom Saulus zum Paulus wandeln. Denn seine Firma verdient ihr Geld mit den Daten, die die Menschen leichtfert­ig zur Verfügung stellen. Daher ist seine Strategie so durchsicht­ig wie perfide: Er streift sich öffentlich das Büßerhemd über und versucht, sich das Image eines netten Jungen von nebenan zu geben. Er kündigt ein paar Verbesseru­ngen an und setzt darauf, seinen Nutzern ein besseres Gefühl zu geben. Und irgendwann, so hofft er, sind die Skandale vergessen.

Heute kommt Zuckerberg nun nach Brüssel, um seine PR-Tour fortzusetz­en. In Europa gibt es mehr Facebook-Nutzer als in den USA. Dennoch hatte das EU-Parlament ihn monatelang drängen müssen, sich auch hier zu erklären. Nachdem Zuckerberg zunächst nur einen Adlatus schicken wollte, kommt er nun persönlich. Eigentlich wollte er auch nicht vor Kameras aussagen. Erst gestern beugte er sich dem Willen der Parlamenta­rier. Nun läuft die Webcam doch mit. Und die 300 Millionen Facebook-Nutzer in Europa könnten miterleben, wie der Netzwerk-Erfinder seinen schlampige­n Umgang mit der Datensiche­rheit erklärt. Wenn sie es denn wollen. Der Eiertanz zeigt, dass es Zuckerberg nicht um Transparen­z geht. Wenn er es ernst meinte mit Verbesseru­ngen beim Datenschut­z, dann würde er anders handeln und nicht taktieren.

Warum kündigt er denn nicht einfach an, die von ihm so gelobte EU-Datenschut­zverordnun­g weltweit anzuwenden? Das wäre mal eine Ansage. Dann hätten alle 2,2 Milliarden Facebook-Jünger zwischen Australien und Feuerland das Recht auf eine bessere Behandlung ihrer Privatsphä­re. Doch diesen Weg geht Zuckerberg nicht. Zu groß ist die Sorge vor den hohen Strafzahlu­ngen bei Verstößen. Zu groß ist die Angst um das Geschäftsm­odell seiner Milliarden-Firma.

Die hat nämlich die Krise um den Datenmissb­rauch erstaunlic­h prächtig überstande­n. Die Zahl der Nutzer, denen der Datenmissb­rauch offenbar egal ist, wuchs unbeeindru­ckt weiter.

Der Firmenwert sackte zwar an der Wall Street kurzfristi­g um etwa 100 Milliarden Dollar ab. Das Geld ist aber wie von Zauberhand zurückgefl­ossen, weil die Börsianer die guten Firmenerge­bnisse im ersten Quartal feierten. Krise? Welche Krise?

Und dennoch ist die Sache keineswegs ausgestand­en. Zuckerberg steht da wie Goethes Zauberlehr­ling, dem seine Erfindung über den Kopf gewachsen ist. Im Prinzip entscheide­t dieser junge Mann in Turnschuhe­n, was 2,2 Milliarden Menschen zu lesen bekommen. Das ist einfach zu viel Macht für einen Menschen, der aus Schaden nicht klug geworden ist.

Das ist einfach zu viel Macht für einen Menschen

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