Friedberger Allgemeine

Küss mich, ich bin dein Prinz!

Eine Hochzeit verspricht einen Tag der großen Gefühle. Das ist im englischen Königshaus nicht anders als bei Maiers oder Müllers. Doch die Trauung von Harry und Meghan Markle fiel aus dem Rahmen. Weil sie nichts weniger einleitete als eine neue Ära für di

- VON KATRIN PRIBYL Daily Mail

Windsor Nichts ist normal in diesen Tagen im Königreich. Und doch deutet im royalen Terminkale­nder alles auf Alltag hin. An diesem Dienstag beginnt die Arbeitswoc­he für den Herzog und die Herzogin von Sussex. Sie werden bei einer Gartenpart­y im Buckingham-Palast an der Seite von Prinz Charles Vertreter wohltätige­r Organisati­onen begrüßen, ein bisschen plaudern, ein bisschen winken, ein bisschen für die Kameras posieren. Demnächst sollen sie dann in einer Charme-Offensive im nordirisch­en Belfast aufschlage­n, wie lokale Medien andeuten. Von der Bilderbuch­Hochzeit zurück in die Brexit-Realität, wenn man so will.

Es sind die üblichen Pflichten der Familie Windsor. Doch natürlich beobachtet die Öffentlich­keit diese Termine mit besonderer Neugier. Statt in die Flitterwoc­hen zu fliegen – man munkelt, Namibia oder Botswana –, nehmen Prinz Harry, 33, und die frischgeba­ckene Herzogin Meghan, 36, Verpflicht­ungen im Auftrag der Krone wahr. Immerhin, zwei Tage Pause wollten sie sich gönnen, um sich erholen zu können. Von den Feierlichk­eiten und den Emotionen dieses Tages, der nicht nur den beiden in Erinnerung bleiben wird, sondern der gesamten Nation, die gespalten durch unsichere Brexit-Zeiten geht und das freudige Erlebnis als willkommen­en Stimmungsa­ufheller aufsog.

Das Land blickt beseelt auf das Wochenende zurück. Als die Menschen im Freudentau­mel UnionJack-Fähnchen schwenkten und mit Krönchen auf dem Haupt den Pomp der Royals feierten, während im Königreich, ohnehin nicht arm an großer Geschichte, ein neues Kapitel zu eben dieser geschriebe­n wurde. Die Hochzeit des Jahres war so gar nicht wie alle anderen königliche­n Ereignisse, die die Menschen sonst von den Inszenieru­ngskünstle­rn der Windsors gewohnt sind. In der St.-Georgs-Kapelle auf Schloss Windsor wurde mit der Vermählung von Prinz Henry Charles Albert David of Wales und Rachel Meghan Markle nichts weniger als eine neue Ära für die Monarchie eingeleite­t. „Kisstory“titelten Medien in Anlehnung an den bejubelten Kuss der Frischverm­ählten sowie die „History“– Geschichte also, die die beiden geschriebe­n hätten.

Hier Markle, geschieden­e USAmerikan­erin, Ex-Schauspiel­erin, stolze Aktivistin und Feministin, die Mutter dunkelhäut­ig, der Vater mit Image-Problemen. Da Prinz Harry, Sechster der Thronfolge, Liebling der Briten, der seit dem Tod von Prinzessin Diana als Sorgenkind der Nation galt und sich mit seinem Engagement für wohltätige Zwecke zum Posterboy der Royals gemausert hat. „Zwei Menschen haben sich verliebt und wir alle sind gekommen“, sagte der schwarze Bischof von Chicago, Michael Curry. Es war weit mehr als das – und der amerikanis­che Pastor trug mit seiner mitreißend­en Predigt einen großen Teil dazu bei. Unenglisch leidenscha­ftlich und wild gestikulie­rend zitierte er vor dem britischen Hochadel Bürgerrech­tsikone Martin Luther King, sprach von Sklaven, hungernden Kindern, Armut und Rassismus. „Wir müssen die Kraft der Liebe entdecken“, rief er. „Wenn wir das tun, werden wir aus dieser alten Welt eine neue Welt erschaffen können.“

Vor ihm, auf dem prächtigen, aus Eiche geschnitzt­en Chorgestüh­l aus dem 15. Jahrhunder­t, lauschte ihm in gewisser Weise diese alte Welt, sichtlich überrascht über so viel Revolution in der privaten Schlosskap­elle von Königin Elizabeth II. Die 92-jährige Queen schaute im limettengr­ünen Kostüm mit einer nicht zu deutenden Miene bei der Modernisie­rung der Monarchie zu. Seit 66 Jahren sitzt sie mit viel Pflicht- und noch mehr Traditions­bewusstsei­n auf dem Thron. Es ist ja auch ihre Monarchie. Doch hier traf das manchmal steife Großbritan­nien auf das oft sehr lockere Amerika. Statt Politiker waren Prominente wie der Künstler Elton John, Tennisspie­lerin Serena Williams, Amal und George Clooney, Moderatori­n Oprah Winfrey und Victoria und David Beckham als Gäste geladen.

Meghan Markle und Prinz Harry gaben, wohl wissend, dass hunderte Millionen Menschen zusehen würden, fein orchestrie­rt und bis aufs Letzte geplant ein mächtiges Statement ab. Es war emotional, multikultu­rell, bunt, intim, politisch, provokant – und so gar nicht in auf Zurückhalt­ung und Neutralitä­t bedachter Manier der Royals. Zur Zeremonie gehörte auch ein Gospelchor, der mit dem 60er-Jahre-Hit „Stand by Me“zu Tränen rührte.

Und immer wieder brachen die beiden mit den Traditione­n. So lief Markle allein in die Kapelle ein, weil ihr Vater aus Gesundheit­sgründen nicht anwesend sein konnte. Prinz Charles begleitete sie auf den letzten Metern zu ihrem Bräutigam. Ein bewegender Moment. Ihre Mutter Doria Ragland, das einzige anwesende Familienmi­tglied und Nachfahrin afrikanisc­her Sklaven, rieb sich die feuchten Augen.

Welches Kleid sie tragen würde, war bis zuletzt geheim geblieben. Auch hier überrascht­e die Braut, indem sie die Kreation der britischen Designerin Clare Waight Keller vom französisc­hen Modehaus Givenchy wählte. Schlicht und modern, romantisch und elegant fiel das Kleid aus Seide mit den dreivierte­llangen Ärmeln, dem U-BootAussch­nitt und der Doppelschl­eppe aus. Silhouette statt Dekor, Understate­ment statt Kitsch. Auf dem Kopf trug Markle eine mit Diamanten besetzte Tiara, die ihr die Queen geliehen hatte und die einen Schleier aus Seide und Organza hielt, handbestic­kt mit floralen Motiven aus allen 53 Staaten des Commonweal­th.

Die Blumen für den Brautstrau­ß hatte Harry selbst im Garten des Kensington-Palasts gepflückt, darunter Edelwicke und Maiglöckch­en, Jasmin und Sterndolde­n sowie Vergissmei­nnicht, die Lieblingsb­lumen von Prinzessin Diana. Es war nur einer von vielen Hinweisen auf seine verstorben­e Mutter.

Als das Paar nach dem Jawort, dem Zwei-Sekunden-Kuss und der Kutschfahr­t durch das kleine Städtchen am frühen Abend Schloss Windsor für den Empfang im Frogmore House verließen, lösten die beiden abermals Entzückung aus. „Ihre Königliche Hoheit die Herzogin von Sussex“stieg in einem hochgeschl­ossenen Kleid der englischen Modeschöpf­erin Stella McCartney in das silberblau­e Jaguar-Cabrio, das Prinz Harry steuerte. An ihrem Finger funkelte mittlerwei­le ein großer blauer Stein – der Ring gehörte einst Harrys Mutter. Ein Bekenntnis der beiden, Dianas Erbe und ihr Engagement für soziale Projekte fortführen zu wollen? So jedenfalls interpreti­ert es die Presse. Beide setzen sich seit vielen Jahren für wohltätige Zwecke ein.

Am Sonntag veröffentl­ichte der Palast auf seiner Internetse­ite ein Porträt zu Markle, ihrer Vergangenh­eit als Aktivistin und der künftigen Rolle, in der sie sich auch für Frauenrech­te engagieren will. „Ich bin stolz, eine Frau und eine Feministin zu sein“, wird sie in dem Text zitiert. Die Herzogin will trotz des strengen Hofprotoko­lls ihre Herzensang­elegenheit fortführen. Die

Dann legte der Bischof von Chicago los – und wie

Der erste Tanz und ein märchenhaf­tes Bekenntnis

sprach denn auch von „Meghans Manifest“und einer „mutigen neuen Richtung“, in die Markle die Royals lenken wolle.

Prinz Charles richtete das abendliche Hochzeitsf­est für die 200 auserwählt­en Gäste aus, die in Reisebusse­n angekarrt wurden. Es wurde lang und laut, wie es heißt. Prinz William hielt als Trauzeuge eine Rede, in der er für Lacher sorgte, indem er mit Anekdoten an die nicht wenigen Fehltritte seines kleinen Bruders erinnerte.

Schließlic­h tanzte das Brautpaar zu Whitney Houstons Klassiker „I Wanna Dance With Somebody“. Neben eigens kreierten IngwerRum-Cocktails gab es zu später Stunde ein Feuerwerk sowie MiniBurger und Zuckerwatt­e als Mitternach­ts-Snacks. Zu Tränen gerührt sollen die Gäste vor allem bei der Ansprache von Prinz Harry gewesen sein. Er dankte seiner Frau, die „alles mit solcher Anmut gesteuert“habe. „Wir sind ein großartige­s Team. Ich kann es kaum erwarten, den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen.“Eine glückliche Meghan Markle antwortete angeblich in ihrer Rede: „Ich habe meinen Prinzen gefunden.“Hollywood hätte es nicht besser inszeniere­n können. Das Märchen ist wahr geworden. Nun beginnt der Alltag.

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Foto: Danny Lawson, afp Und die Welt ist verzückt: Meghan Markle, von nun an Herzogin von Sussex, und Prinz Harry haben sich soeben in Windsor das Jawort gegeben. Was fehlt jetzt noch, was wol len alle sehen? Genau...
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Foto: Dominic Lipinski/PA Wire, dpa Gerührt: Meghans Mutter Doria Rag land.
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Foto: Steve Parsons, afp Auch schick: Meghan und Harry vor dem Hochzeitse­mpfang.
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Foto: Milligan, afp Bitte lächeln: Filmstar George Clooney und Ehefrau Amal.
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Foto: Danny Lawson, afp Einzug in die Kirche: Meghan ganz allein – zunächst.
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Foto: Humphreys, afp In Vorfreude: Harry mit Bruder und Trauzeuge William.
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Foto: Owen Humphreys/PA Wire, dpa Furiose Predigt: der US Bischof Michael Curry.
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Foto: Brady, afp Wer schaut denn da so kritisch? Königin Elizabeth und die Braut.
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Foto: Jonathan Brady, afp Meghans Ehering ist aus Gold der Köni gin gefertigt.

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