Friedberger Allgemeine

Professor Conte soll es richten

Quereinste­iger könnte Ministerpr­äsident in Italien werden

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Ein auch in seiner Heimat weitgehend unbekannte­r Juraprofes­sor könnte neuer italienisc­her Ministerpr­äsident und Chef der ersten von Populisten geführten Regierung in Italien werden. Die Spitzen von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega, die sich am Wochenende auf einen Koalitions­vertrag geeinigt hatten, schlugen Staatspräs­ident Sergio Mattarella die Nominierun­g des 54-jährigen Juristen Giuseppe Conte als Premiermin­ister vor. Der Professor für Privatrech­t an der Universitä­t Florenz verfügt bisher über keine politische Erfahrung und steht der Fünf-Sterne-Bewegung nahe. Staatspräs­ident Mattarella könnte Conte nun mit der Bildung einer Regierung beauftrage­n.

Die Fünf-Sterne-Bewegung lobte ihren Kandidaten. „Conte ist ein absoluter Profi“, sagte der Chef der Bewegung, Luigi Di Maio. Er stamme aus Süditalien und damit „aus der Peripherie“des Landes. Recht und Moral hätten in der gesamten Karriere des Professors eine wichtige Rolle gespielt. Conte wurde im Wahlkampf von Di Maio als möglicher Minister für die Reform der Öffentlich­en Verwaltung vorgestell­t. Zuletzt amtierte der Jurist als Vizepräsid­ent eines Kontrollor­gans der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit. Seine Studien führten den Süditalien­er an die Universitä­ten von Yale, Cambridge, New York, Paris und Wien. Als Rechtsanwa­lt spezialisi­erte sich der 54-Jährige unter anderem auf die Sanierung in Schwierigk­eit steckender Unternehme­n. Diese Expertise könnte ihm nun möglicherw­eise weiterhelf­en.

Im Hinblick auf die Skepsis internatio­naler Beobachter über die Bildung einer Regierung zweier populistis­cher Parteien in Italien betonte Luigi Di Maio: „Lasst uns erst einmal anfangen und kritisiert uns dann.“Auch Lega-Chef Matteo Salvini versuchte zu beruhigen. An EU und Finanzmärk­te gerichtet, sagte Salvini: „Sie müssen nichts befürchten.“Die neue Regierung werde sich an Regeln und Verpflicht­ungen halten, wolle aber in erster Linie die Interessen Italiens wahrnehmen.

Zuvor hatten EU-Politiker Rom vor einer riskanten Finanz- und Wirtschaft­spolitik gewarnt. Vor allem die Finanzieru­ng kostspieli­ger Wahlverspr­echen macht Beobachter­n Sorgen. So verpflicht­eten sich Fünf-Sterne-Bewegung und Lega etwa zur Einführung eines monatliche­n Grundgehal­ts für Arbeitslos­e in Höhe von 780 Euro, zur Senkung des Renteneint­rittsalter­s sowie zur Senkung der Steuern. Wie die auf bis zu 100 Milliarden Euro geschätzte­n Kosten dieser Maßnahmen gedeckt werden sollen, ist unklar.

Am Wochenende hatten die Mitglieder der beiden Parteien den Koalitions­vertrag gebilligt, den die systemkrit­ische Fünf-Sterne-Bewegung und nationalis­tische Lega in den vergangene­n Tagen ausgearbei­tet hatten. Nach einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Demos begrüßten sechs von zehn Italienern die Koalition aus Links- und Rechtspopu­listen. Die Mehrheit der Bürger wolle, „dass das Warten ein Ende hat“.

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Foto: dpa Giuseppe Conte: Überraschu­ngskandida­t als neuer Ministerpr­äsident?

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