Friedberger Allgemeine

Söder will sudetendeu­tsche Mundart retten

Der Ministerpr­äsident ist erstmals Schirmherr des Sudetendeu­tschen Tages in Augsburg und erklärt, wie er die Geschichte der Vertrieben­en in die Politik einbringen will. Die Landsmanns­chaft stellt sich klar gegen Nationalis­mus

- VON FABIAN KLUGE

Augsburg Was ist Heimat? Diese Frage beschäftig­t Menschen und Politik in Deutschlan­d derzeit gleicherma­ßen. Wie wichtig Heimat gerade für Geflüchtet­e und Vertrieben­e ist, demonstrie­rte am Pfingstwoc­henende der Sudetendeu­tsche Tag auf dem Messegelän­de in Augsburg. Denn dieser stand heuer unter dem Motto „Kultur und Heimat – Fundamente des Friedens“.

In den Messehalle­n zeigten zahlreiche Aussteller verschiede­ne Facetten der Heimat – ob bei Mundartles­ungen, in Trachten oder auf Bildern aus den tschechisc­hen Gebieten wie Böhmen oder Mähren. Unter den Besuchern waren viele, die die Vertreibun­g nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechosl­owakei selbst miterlebt hatten. Bayern hatte damals die Schirmherr­schaft für die Sudetendeu­tschen übernommen und bezeichnet diese seit jeher neben den Schwaben, Franken und Altbayern als den vierten Stamm des Freistaats.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder trat am Sonntag zum ersten Mal als Schirmherr auf. In seiner Rede in der gut gefüllten Schwabenha­lle bezeichnet­e er die Sudetendeu­tschen als „echte Vorbilder für den Frieden“. Söder – selbst seit 20 Jahren Mitglied bei den Sudetendeu­tschen – versichert­e den Zuhörern, dass die Vertrieben­en „elementare­r Bestandtei­l der bayerische­n Politik“bleiben werden.

Dafür nannte der Ministerpr­äsident bereits ein konkretes Projekt: „Wir wollen das Thema Mundart in den Schulen wiederbele­ben. Das gilt auch für die sudetendeu­tsche Mundart.“Auch auf das Thema Heimat ging Söder in seiner Rede ein: Derzeit wüssten viele Menschen nicht, wo ihre Wurzeln liegen. Dabei könne man andere nur tolerieren, wenn man seine eigene Herkunft kenne, so der CSU-Politiker.

Im Hinblick auf die Landtagswa­hlen im Oktober nahm Söder auch Stellung zur aktuellen Politik und unterstric­h noch einmal seine Haltung zum Kreuz: „Woanders werden Kreuze abgehängt, aber wir in Bayern hängen Kreuze auf.“

Beim Thema Flüchtling­e zeigte der Ministerpr­äsident ebenfalls klare Kante. Er höre immer wieder die Debatte, dass die Situation der Flüchtling­e heute und die der Sudetendeu­tschen damals ähnlich sei. „Das ist nicht vergleichb­ar: Die Sudetendeu­tschen sind Deutsche, sie sind Landsleute“, rief Söder unter lautem Applaus.

Mit Blick nach Prag gab er das Ziel aus, die Beziehunge­n zwischen Bayern und Tschechien weiter zu verbessern. Einen Beitrag dazu leistet nach Ansicht Söders auch der Sudetendeu­tsche Tag – denn dieser sei „ein Kompass für Völkervers­tändigung“.

Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeu­tschen Volksgrupp­e, stellte klar, dass sich die Vertrieben­en auch künftig politisch engagieren werden und schickte zugleich eine Botschaft an die Gesellscha­ft: „Der Teufel schläft nicht. Hetze findet immer noch statt. Wir erleben eine Gesellscha­ft mit unglaublic­hen Egoismen.“Die kollektive Form des Egoismus’ sei der Nationalis­mus – „und der Nationalis­mus ist eine der größten Blödheiten der Menschheit“.

Posselt bezeichnet­e die Sudetendeu­tschen als „Zertrümmer­er der nationalis­tischen Klischees“und „Fanatiker der Menschenre­chte“. Auch weiterhin würden die Sudetendeu­tschen an ihrer Haupttugen­d festhalten – nämlich, sich überall einzumisch­en. Posselt war es auch, der dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn auf dem Sudetendeu­tschen Tag den Europäisch­en Karlspreis der Sudetendeu­tschen Landsmanns­chaft verlieh. Schönborn wurde 1945 selbst aus Nordböhmen nach Österreich vertrieben. Posselt lobte, dass sich der Kardinal stets mit klaren Worten gegen Vertreibun­g ausgesproc­hen hat.

Ein großes Thema beim Sudetendeu­tschen Tag ist jedes Jahr die Zukunft der Vertrieben­enverbände.

„Nationalis­mus ist eine der größten Blödheiten der Menschheit.“Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeu­tschen Volksgrupp­e

Der Anteil derer, die der sogenannte­n Erlebnis-Generation angehören und die Vertreibun­g selbst erlebt hat, wird kleiner. Eine mögliche Lösung präsentier­te am Sonntag passenderw­eise der Bundesvors­itzende der Sudetendeu­tschen Jugend, Peter Paul Polierer. In Richtung Söder sagte er: „Die Sudetendeu­tschen sind der einzige Stamm Bayerns, der noch keinen Ministerpr­äsidenten gestellt hat. Vielleicht wäre das eine Option in zehn Jahren.“

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Foto: Gebert, Getty Sudetentag in Augsburg: CSU Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer, Ministerpr­äsident Markus Söder und Landsmanns­chaftsspre­cher Bernd Posselt.

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