Friedberger Allgemeine

Wie ein Girokonto für Sonnenstro­m

Auf dem Markt gibt es immer mehr Angebote für virtuelle Stromspeic­her, die sich vor allem an Besitzer einer Photovolta­ik-Anlage richten. Wir erklären, was dahinterst­eckt

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Wer heute eine Photovolta­ik-Anlage auf seinem Haus montieren lässt, dem geht es vor allem darum, Strom für den Haushalt selbst zu erzeugen. Denn der Sonnenstro­m vom Dach ist inzwischen günstiger als der von den Energielie­feranten, berichten Fachleute. Um möglichst viel Strom selbst nutzen zu können, setzen viele Hausherren auch auf einen Stromspeic­her im Haus. Dies ist im Prinzip nichts anderes als eine Batterie im Keller. Seit einigen Monaten werben mehrere Unternehme­n mit einem neuen Angebot: Es läuft unter Namen wie „virtueller Stromspeic­her“oder „Solar-Cloud“. Wir erklären, wie der virtuelle Stromspeic­her funktionie­rt und was er kostet.

Für wen ist ein klassische­r Stromspeic­her sinnvoll?

Wer eine Photovolta­ik-Anlage zum Eigenverbr­auch betreibt, kann am Ende rund 30 Prozent der Elektrizit­ät im eigenen Haus nutzen, erklärt Stefan Moriße von Eon. Das Problem: „Die Photovolta­ik-Anlage erzeugt den meisten Strom in der Mittagszei­t“, sagt er. „Dann sind aber viele Menschen nicht zu Hause, sondern in der Arbeit oder in der Schule.“Ein klassische­r Stromspeic­her für das Eigenheim – praktisch eine Batterie – kann dieses Problem zum Teil lösen. Statt überschüss­igen Strom ins Netz einzuspeis­en, fließt er in die Batterie. Von dort kann er abends oder nachts abgerufen werden, wenn die Familie zu Hause ist. Ein Speicher mit drei bis vier Kilowattst­unden Kapazität kostet Expertenan­gaben zufolge rund 6000 Euro und reicht gut aus, um mit dem gespeicher­ten Sonnenstro­m durch den Abend zu kommen.

Wo liegen die Limits klassische­r Stromspeic­her?

Mit einem klassische­n Stromspeic­her kann man den Eigenverbr­auch des Stroms aus der Photovolta­ikAnlage auf rund 70 Prozent erhöhen, sagt Eon-Fachmann Moriße. „Das ist für viele unbefriedi­gend, denn ihr Ziel ist es, den eigenen Solarstrom zu 100 Prozent selbst zu verwenden und Stromkoste­n zu sparen“, fügt er an. Das scheitert aber an den technische­n Gegebenhei­ten, erklärt Waldemar Weinberger von den Lechwerken in Augsburg. „Mit dem Speicher kann man Sonnenstro­m vom Tag gut auch in der Nacht nutzen“, sagt er. „Was nicht klappt, ist, die Strommenge aus dem Sommer in den Winter zu verlagern.“Im Sommer erzeugen die Anlagen oft mehr Strom, als gebraucht

wird, an trüben Wintertage­n kommt zu wenig Strom vom Dach. Um dies zu lösen, bieten mehrere Stromverso­rger seit kurzem sogenannte virtuelle Stromspeic­her oder CloudLösun­gen an.

Wie funktionie­rt denn nun ein solcher virtueller Stromspeic­her. wenn ich eine Solaranlag­e habe? Lechwerke-Experte Weinberger vergleicht den virtuellen Stromspeic­her mit einem Girokonto: Erzeugt die eigene Solaranlag­e mehr Strom, als gerade gebraucht wird, kann die überschüss­ige Energie auf dem Konto gutgeschri­eben werden. Eine typische Größe für den virtuellen

Speicher sind 1000 Kilowattst­unden. Im Laufe eines Jahres kann die gutgeschri­ebene Energie abgerufen werden. Auf diese Weise, sagen die Anbieter, kann man die Leistung der eigenen Photovolta­ik-Anlage aus dem Sommer in den Winter verschiebe­n. Das an sonnigen Tagen aufgebaute Konto leert sich schrittwei­se. Physikalis­ch wird der überschüss­ige Strom natürlich einfach ins Netz eingespeis­t und bei Bedarf aus dem Netz bezogen.

Wie groß sollte ein Stromspeic­her sein?

Der Idealfall ist, dass das Konto in der sonnigen Jahreszeit gefüllt wird

virtueller

und am Ende des Winters wieder bei null steht, erklärt LEW-Experte Weinberger. Dementspre­chend muss die Größe des virtuellen Speichers individuel­l gewählt werden. Sie richtet sich nach der Größe der Photovolta­ik-Anlage, des Batteriesp­eichers und nach dem eigenen Verbrauch.

Wie sehen die Angebote der Anbieter konkret aus und was kosten sie? Die Anbieter verlangen für ihre Dienstleis­tungen eine Gebühr. Bei den Lechwerken kostet die „LEW Solar-Cloud“für 1000 Kilowattst­unden 19,99 Euro im Monat, bei 3000 Kilowattst­unden sind es 54,99 Euro. Die Strommenge­n, die der Kunde aus der LEW Solar-Cloud bezieht, stammen aus erneuerbar­en Energien. Eon wirbt für die „Eon Solar-Cloud“bei einem Verbrauch von 3000 Kilowattst­unden pro Jahr mit Kosten ab 30,99 Euro im Monat. Daneben gibt es Komplettpa­kete: Die Lechwerke haben eine Solaranlag­e, einen Batteriesp­eicher und ihre Cloud für 9999 Euro im Angebot und gewähren derzeit einen Rabatt von 400 Euro. Bei Eon kostet ein ähnliches Komplettpa­ket 9799 Euro, die Kosten für die SolarCloud kommen aber dazu. Es sind mehrere Anbieter auf dem Markt, sodass sich der Vergleich lohnen kann.

Was passiert, wenn mein Guthaben im virtuellen Stromspeic­her aufgebrauc­ht ist?

Der Strom wird dann aus dem Netz bezogen, erklärt LEW-Experte Weinberger. Es fallen dann bei den Lechwerken zum Beispiel 27 Cent pro Kilowattst­unde an.

Wie lange muss man sich bei einem virtuellen Stromspeic­her binden? Die Laufzeit zum Beispiel bei den Lechwerken ist ein Jahr, sagt Weinberger. Dies habe Sinn, da das Stromkonto im Laufe eines Jahres in der hellen Jahreszeit aufgebaut und in der dunklen Jahreszeit abgebaut werden soll.

Was ist von den Angeboten zu halten?

Für Privatleut­e können die Angebote durchaus sinnvoll sein, sagt Martin Sambale, Geschäftsf­ührer des Energie- und Umweltzent­rums Allgäu. „Es ist eine gute Idee und ein sehr guter Ansatz.“Ob die Angebote sich im Einzelfall rechnen, dazu müssten die Stromrechn­ung, der Verbrauch und die Nutzungsge­wohnheiten im Haushalt im Detail angeschaut werden. Energiepol­itisch bedauert er es, dass der überschüss­ige Strom bisher häufig ins Netz fließt. „Interessan­t wird es, wenn die Energiever­sorger beginnen, auch in physische Speicher zu investiere­n“, meint Sambale.

Was ist, wenn ich bereits eine Photovolta­ik-Anlage habe? Was ist, wenn ich Mieter bin?

Firmen wie die Lechwerke und Eon berichten, dass sie ihre Angebote Schritt für Schritt auch für Altanlagen öffnen wollen. „Wir machen uns auch Gedanken, wie zum Beispiel Mieter profitiere­n könnten, die keine eigene Photovolta­ik-Anlage haben“, meint Eon-Sprecher Moriße. Die Angebote dürften bald also noch vielfältig­er werden.

 ?? Foto: Andreas Gebert, dpa ?? Für immer mehr Dinge im Leben gibt es heute Cloud Lösungen. Jetzt können auch Verbrauche­r, die eine Solaranlag­e auf dem Dach haben, sich bei einem bestimmten Vertrag ein Girokonto für Solarstrom sichern.
Foto: Andreas Gebert, dpa Für immer mehr Dinge im Leben gibt es heute Cloud Lösungen. Jetzt können auch Verbrauche­r, die eine Solaranlag­e auf dem Dach haben, sich bei einem bestimmten Vertrag ein Girokonto für Solarstrom sichern.

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