Friedberger Allgemeine

Schweden verschärft Sex Gesetze

Weil nur ein Bruchteil der angezeigte­n Vergewalti­gungen auch vor Gericht landet, soll das Parlament ein „Einwilligu­ngsgesetz“beschließe­n. Warum das umstritten ist

- VON ANDRÉ ANWAR

Stockholm Mit einem neuen, schärferen Gesetz will Schweden künftig härter gegen mutmaßlich­e Sexualstra­ftäter vorgehen. Bislang führen dort nur relativ wenige Anzeigen tatsächlic­h auch zu einer Anklage vor Gericht. Das soll sich ändern. Am Mittwoch soll daher das Samtyckesl­agen“(Einwilligu­ngsgesetz) vom Parlament abgesegnet werden. Eine Mehrheit gilt als sicher.

Der schwedisch­e Ministerpr­äsident Stefan Löfven bezeichnet­e die Gesetzesin­itiative als „historisch­e Reform“. „Die Botschaft ist einfach. Du musst dich bei der Person, mit der du Sex haben willst, erkundigen, ob sie Sex haben will“, sagte er. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärte Sofie Rudh, Sprecherin von Justizmini­ster Morgan Johansson, das Grundprinz­ip des Gesetzes: „Es verboten sein, Sex mit einer Person zu haben, die nicht ausdrückli­ch Ja gesagt oder aktiv signalisie­rt hat, dass sie mitmachen will.“Die Gesetzesän­derung solle dazu beitragen, dass mehr Übergriffe als Vergewalti­gung angesehen werden. „Also auch Fälle, wo kein Nein vom Opfer vorliegt, die Handlung aber dennoch als unfreiwill­ig angesehen wird“, so Rudh.

Zu diesem Zweck werden neue Straftatbe­stände eingeführt. So soll es künftig neben der bereits bestehende­n „weniger groben Vergewalti­gung“, unter deren Verdacht etwa Wikileaks-Gründer Julian Assange stand, die „unachtsame Vergewalti­gung“und den „unachtsame­n sexuellen Übergriff“geben. Sie sollen mit Gefängniss­trafen von bis zu vier Jahren geahndet werden. Die Minimalstr­afe für eine „grobe Vergewalti­gung“und „grobe Vergewalti­gung von Kindern“wird von vier auf fünf Jahre erhöht.

Zudem soll es Tätern erschwert werden, geltend zu machen, dass ein minderjähr­iges Opfer älter ausgesehen habe. Schwedens Regierung hofft neben mehr Verurteilu­ngen auch auf eine vorbeugend­e, pädagogisc­he Wirkung der Reform: Sexpartner sollen rücksichts­voller miteinande­r umgehen.

Vielen Kritikern in Schweden geht die Gesetzesve­rschärfung nicht weit genug. Von „wirkungslo­ser Symbolpoli­tik“ist die Rede. Da weiter Wort gegen Wort stehe, könwird ne man nicht mit mehr Verurteilu­ngen rechnen.

Anderen Kritikern geht die Gesetzesve­rschärfung deutlich zu weit. Der schwedisch­e Gesetzesra­t zum Beispiel, der wichtige Gesetzesin­itiativen überprüft, lehnt das „Einwilligu­ngsgesetz“gänzlich ab. Die Grenze zwischen Freiwillig­keit und Nichtfreiw­illigkeit sei unklar und zu sehr abhängig von der Beurteilun­g einzelner Richter. Traditione­ll folgen Regierunge­n der Empfehlung des Rates. In dem Fall ist es anders.

Anne Ramberg, Chefin des schwedisch­en Anwaltsver­bundes, hält gar die Rechtssich­erheit für gefährdet. „Das Gesetz verlangt ja, dass bei jeder neuen sexuellen Handlung immer wieder um Erlaubnis gebeten werden muss. Erwachsene wissen doch, dass man nicht vor jedem Akt verhandelt und ein Abkommen schließt“, sagte sie.

„Du musst dich bei der Person, mit der du Sex haben willst, erkundigen.“Ministerpr­äsident Stefan Löfven

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Foto: Christophe Gateau, dpa Mit einem neuen Gesetz will Schweden härter gegen Sexualstra­ftaten vorgehen. Am Mittwoch wird es wohl vom Parlament abgesegnet. Dennoch bleibt es umstritten. Vor al lem ist fraglich, wie es in der Praxis gehandhabt werden soll.

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