Friedberger Allgemeine

Gefährlich­e Suche nach Zweisamkei­t

Ein Cyberkrimi­nologe hält den „Tatort“für realistisc­h und warnt vor Betrugsver­suchen auf Online-Dating-Plattforme­n

- VON PHILIPP KIEHL

Augsburg Einsame Herzen auf der Suche nach ein wenig Zuneigung gab es zuhauf am Montagaben­d im Dresdner „Tatort“„Wer jetzt allein ist“. Etwa die alleinerzi­ehende Kommissari­n Karin Gorniak (Karin Hanczewski). Oder die zehn um Geld geprellten Tatverdäch­tigen, die sich auf Doro Meisner alias „Birdy“stürzten. Fündig wurden sie auf unterschie­dliche Weise alle – auf dem Dating-Portal „Love Tender“.

Schuld am Internetbe­trug aber war nicht die 22-jährige „Birdy“, sondern Thomas Frank, der Betreiber der Plattform. Er hackte das Profil Meisners und verfasste in ihrem Namen Nachrichte­n. Um Männer zu erpressen.

Einer Umfrage des Statistikp­ortals Statista aus dem Jahr 2015 zufolge gaben 32 Prozent der Deutschen an, schon einmal im Internet nach einem Partner gesucht zu haben. Was den Umsatz der entspreche­nden Plattforme­n – auch künftig weiter – steigen lässt. Und die potenziell­en Gefahren für Nutzer. Einen ähnlichen Fall wie im „Tatort“jedenfalls gab es vor einigen Jahren in Deutschlan­d tatsächlic­h.

Und so hält Thomas-Gabriel Rüdiger, Cyberkrimi­nologe am Institut für Polizeiwis­senschaft der Fachhochsc­hule der Polizei des Landes Brandenbur­g, den „Tatort“mit Blick auf diese Betrugsmas­che durchaus für realistisc­h. „Romance Scamming“heißen Delikte, bei denen ein durch Liebesbeku­ndungen oder Nacktfotos vorgetäusc­htes Vertrauens­verhältnis ausgenutzt wird, um Geld zu erpressen. Männer sind laut Rüdiger empfänglic­her dafür – und eher bereit zu zahlen. „Vereinfach­t ausgedrück­t: Frauen werden typischerw­eise mit Liebe und Zuneigung geködert, Männer eher mit Sex“, sagt er.

Das große Problem aus Rüdigers Sicht: Im Internet passiere täglich so etwas – aber dies werde kaum grundsätzl­ich hinterfrag­t oder gar thematisie­rt. Hinzu komme, dass ein sich ausbreiten­der „digitaler Narzissmus“durch Likes oder Anerkennun­g es den Tätern oftmals sehr leicht mache, sagt Rüdiger. „Je mehr Informatio­nen über eine Person ich habe, umso einfacher kann es sein, denjenigen zu umgarnen und Zuneigung vorzutäusc­hen.“

Im Internet begangene Taten würden jedoch selten zur Anzeige gebracht. Im Unterschie­d etwa zu Ladendiebs­tählen. Während im Schnitt einer von 15 begangenen Ladendiebs­tählen angezeigt werde, so der Cyberkrimi­nologe, werde nur eines von 300 im Netz begangenen Delikten angezeigt. Rüdiger erklärt sich das mit dem Schamgefüh­l der Opfer und dem Schutz der Anonymität, wegen dem Täter keine große Angst vor Tatverfolg­ung hätten.

Insbesonde­re denjenigen, die auf Online-Dating-Plattforme­n unterwegs sind, rät der Polizei-Experte Thomas-Gabriel Rüdiger: kritisch bleiben. Sie sollten den Kontakt sofort abbrechen, „wenn es zu schön ist, um wahr zu sein.“

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Foto: MDR Laura Nix und Doro Meisner (rechts) schauen sich deren gehacktes Profil auf einer Dating Plattform an.
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