Friedberger Allgemeine

Niko Kovac geht als Champion

Vor seinem Wechsel zum FC Bayern holt der Trainer mit Eintracht Frankfurt den Titel gegen seinen neuen Arbeitgebe­r. Der Ärger der vergangene­n Wochen scheint nach dem Pokal-Erfolg verflogen

- VON FLORIAN EISELE

Berlin Die Pressekonf­erenz nach dem DFB-Pokalfinal­sieg lief für Niko Kovac gerade mal fünf Minuten, als sie von den feiernden Frankfurte­r Spielern unterbroch­en wurde. Angeführt von Kevin-Prince Boateng stürmten die Kicker, die den FC Bayern zuvor mit 3:1 geschlagen hatten, den Presseraum und verpassten ihrem Trainer eine eiskalte Bierdusche.

Den Rest der Veranstalt­ung musste der Trainer mit klitschnas­sem Hemd zu Ende bringen. Das Thema, über das er vor dem Auftritt seiner Spieler geredet hatte, hätte nicht weiter entfernt von der losgelöste­n Feier sein können: Es ging um die schwierige­n Wochen, nachdem Kovac seinen Abschied zu den Bayern bekannt gegeben hatte.

Es war eine Zeit, in der die Stimmung in Frankfurt gekippt war. Aus King Kovac wurde Niko, der Verräter. Zudem schien seiner Mannschaft in der Schlusspha­se der Saison die Luft auszugehen. Am letzten Spieltag verspielte die Eintracht mit einer Niederlage gegen Schalke sogar noch die sicher geglaubte Qualifikat­ion für das europäisch­e Geschäft. Die schweren Wochen hinterließ­en bei Kovac sichtlich Spuren. Er betonte nochmals, dass er sich bei dem Wechsel zum Rekordmeis­ter keiner Schuld bewusst sei, die Verantwort­lichen nicht angelogen habe: „Ich bin kein Verbrecher, ich habe niemanden umgebracht. Es ist kein leichter Abschied, sondern ein schwerer – auch wenn mir das nicht jeder abnimmt.“Zudem wäre die Saison für Frankfurt auch ohne die Europa-Qualifikat­ion ein Erfolg gewesen: „Eintracht Frankfurt kann nicht einfach Dritter oder Vierter werden. Das ist Utopie.“

Aber anstatt sich über eine schwache Rückrunde zu grämen, versinkt Frankfurt nun in kollektive­r Freude über den ersten Titel nach 30 Jahren. Auch damals war es der DFB-Pokal, den die Hessen gewannen, durch ein Tor eines gewis- sen Lajos Detari. Kapitän war damals Charly Körbel. Wegen des Pokalsiegs tritt Frankfurt nun doch in der Europa League an, und Kovac wird als Held seinen Dienst in der bayerische­n Landeshaup­tstadt beginnen.

Der Fast-Absteiger, den er im März 2016 übernommen hatte, ist nun ein Champion – so wie er auch: „Wir sind Pokalsiege­r – das ist das, was bleiben wird.“Wie groß die Anspannung war, die vom 46-Jährigen nach dem Sieg abfiel, zeigten die Szenen nach Abpfiff: Mit Tränen in den Augen ließ er sich von den Frankfurt-Fans mit Sprechchör­en feiern, schon in den Minuten kurz vor dem Abpfiff hatte sich der sonst kontrollie­rt wirkende Coach so emotional wie selten gezeigt. Auf seine Tränen angesproch­en, sagte Kovac: „Ich bin ein emotionale­r Mensch. Ich schäme mich nicht dafür. Es sind Tränen der Freude gewesen, Tränen der Erleichter­ung.“

Einen, der entscheide­nden Anteil an dem Triumph hatte, verbindet eine besondere Beziehung zu Niko Kovac: Ante Rebic. Der 24-jährige Kroate gilt als Ziehsohn seines Trainers, der ihn schon in die kroatische U21 berief, ihn als Nationaltr­ainer zur WM nach Brasilien nahm und später nach Frankfurt holte. Kovac weiß offenbar auch, wie man mit dem als schwierig geltenden Landsmann umgehen muss: „Manchmal muss man bei ihm ein Auge zudrücken, manchmal alle zwei.“Für die Eintracht schoss der Angreifer mit dem Körper eines Türstehers schon im Pokalfinal­e in der vergangene­n Saison ein Tor, verlor am Ende aber 1:2 gegen Borussia Dortmund. Diesmal gelang ihm gegen die Bayern ein Doppelpack, womit sein Trefferkon­to in Finalspiel­en bei jetzt drei Toren steht. Nur Robert Lewandowsk­i, Gerd Müller und Uwe Seeler waren besser. „Ich glaube, Berlin liegt ihm“, sagte der gebürtige Berliner Kovac.

Dass es wieder Rebic war, der für die Eintracht traf, ist eine der Geschichte­n, die dieser Abend schrieb. Dabei stand der Einsatz des Stürso mers lange auf der Kippe, erst vor kurzem war er nach einer Wadenverle­tzung wieder fit geworden. Kovac schenkte ihm das Vertrauen – und Rebic zahlte es doppelt zurück.

Dabei war vor allen den Flügelspie­lern wie Rebic gegen die Bayern eine wichtige Rolle zugekommen: Sie sollten die Wirkungskr­eise der bayerische­n Außenspiel­er einschränk­en. Rebic kam dieser Aufgabe meist gut nach, lief die BayernSpie­ler wie seine Kollegen im Sprint an. Nur kurz nach der Halbzeit verzichtet er einmal darauf, Joshua Kimmich bis zum eigenen Strafraum zu bewachen. Die Folge war der Ausgleich. Seinen Fehler machte Rebic aber kurz vor Schluss wieder gut. Zehn Minuten vor Schluss ließ er seinem ersten Tor nach elf Minuten den zweiten Treffer folgen. Den Schlusspun­kt von Gacinovic verfolgte er auf der Bank – und riss dann nach Abpfiff im Stil eines ungestümen Bullen seinen Trainer von den Beinen. Kovac nahm es mit Humor: „Ich habe früher Judo gemacht und dachte, ich kann stehen bleiben. Aber er ist schon ein Koloss.“

Frankfurt gegen Bayern – es war ein Abschied wie gemalt für Niko Kovac. Frankfurt gegen Bayern – das wird auch das erste Pflichtspi­el für ihn als neuer Bayern-Trainer werden. Im Supercup treten schließlic­h Meister und Pokalsiege­r gegeneinan­der an.

Bayern München Ulreich – Kimmich, Süle, M. Hummels, Alaba – Javi Martínez – James Rodríguez, Thiago (64. Tolisso) – T. Müller (70. Coman), Lewandowsk­i, F. Ribé ry (87. S. Wagner)

Eintracht Frankfurt Hradecky – Abra ham, Hasebe, C. Salcedo – da Costa, Wil lems – Mascarell, de Guzmán (74. M. Russ) – M. Wolf (60. Gacinovic), Rebic (89. Hal ler) – Boateng

Schiedsric­hter Felix Zwayer (Berlin) – Zuschauer 74322 Tore 0:1 Rebic (11.), 1:1 Lewandowsk­i (53.), 1:2 Rebic (82.), 1:3 Gacinovic (90.+6)

» Einen weiteren Artikel zum Videobe weis und Schiedsric­hter Zwayer finden Sie auf der nächsten Seite.

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Foto: Jan Huebner Niko Kovac mit dem Cup: 25000 Fans feierten um den Frankfurte­r Römer den Pokalsieg der Eintracht.

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