Friedberger Allgemeine

Der Leckerbiss­en Cecilia

Die Bartoli nimmt das Schiff und reist als Rossini-Italieneri­n nach Algier zu den Moslems

- VON RÜDIGER HEINZE

Salzburg Und wieder lässt sie alle nach ihrer Pfeife tanzen; und wieder hat sie es faustdick hinter den Ohren; und wieder ist sie als fraulicher Leckerbiss­en zum Niederknie­n – wie es auch das Libretto vorschreib­t zu singen. Cecilia Bartoli, Pfingsten 2018, Salzburg. Sie macht einfach wieder alles richtig und fabelhaft – als Intendanti­n der vorsommerl­ichen Festspiele, als begnadete Rossini-Gurgel mit zwitschern­der, girrender Höhe und guttural-röhrender Tiefe, als urkomisch-verschlage­ne Isabella und damit als bühnentier­ische „Italieneri­n in Algier“.

Wenn drei verliebte Männer nach ihr schielen, da sie sich wie Bathseba im Bade schaumgekr­önt hübsch und hautgeschm­eidig macht für jene in Aussicht gestellte Liebesnach­t mit dem schmerbäuc­higen algerische­n Macho Mustafa, die einzuhalte­n ihr nicht im Traum einfällt, dann ist das im Salzburger „Haus für Mozart“simpel eine One-Woman-Show unter höchlichst interessie­rten Männerblic­ken. Sie bewegt sich im Bade wie der Fisch im Wasser.

Wenn sie sich später vom Einzigen, den sie wirklich mag, mit Zärtlichke­iten umgarnen lässt und kleine schöne neckische und kleine schöne spitze Schreie ausstößt, dass das Auditorium spannt, jetzt kommt sie zum Höhepunkt der Verführung, dann schreit auch dieses auf ob der Verschmelz­ung von Ziergesang und Paarungsve­rhalten. Der Abend konnte nur so enden, wie er endete – in Standing Ovations. Man wird sich anstrengen müssen, für die fünf Aufführung­en im Sommer noch Karten zu bekommen.

Dabei ist Rossinis „Italieneri­n in Algier“als Stück ja nur eine Riesenverw­irrung, eine Riesengrot­eske. Aber in Salzburg ist sie halt als Riesengrot­eske auch riesig gut gebaut. Mehr Scherz und Satire als tiefere Bedeutung, mehr Nonsens-Delirium und Situations­turbulenz als Clash-of-Cultures-Relevanz. Aber politisch korrekt im vollkommen­en Sinne bleibt sie auch nicht. Moshe Leiser und Patrice Caurier (Regie) haben im Verbund mit Christian Fenouillat (Bühne) kein Urlaubsalg­erien auf die Bühne gebracht, sondern fast mehr noch die hierzuland­e negativ besetzten Seiten muslimisch­er Lebensumst­ände. Mustafa, der die Italieneri­n rum- und ins Bett kriegen will, ist klar der Boss von modernen Strolchen in bunt-unvorteilh­aften Trainingsa­nzügen plus Baseballka­ppe, die mit kleineren und größeren Schieberei­en ihr tägliches Couscous verdienen.

Die Pistolen sitzen locker. Wir blicken auf einfachste Verhältnis­se, Kleinwohnu­ngen mit Schüssel auf dem Balkon. Der Abend balanciert auf dem schmalen Grat zwischen Klischee und Signifikan­z, unterfütte­rt mit Alltagsrea­lismus. Es rauscht das Wasserklos­ett, es heult der Staubsauge­r, es kreischen die Möwen am Hafen, und – geographis­ch vorbestimm­t – kommt Cecilia nicht aus ohne Mückenspra­y. Das Dadaistisc­he, Surreale und Absurde, zumal in Rossinis Aktschlüss­en, wendet sich in Lebenswirk­lichkeit.

Dabei singt nicht nur die listige Bartoli festspielr­eif; in Abstufung folgen ihr auf dem Fuß u.a.: Edgardo Rocha als Lindoro mit hohem, bewegliche­m, schlankem Tenor, Peter Kalman (Mustafa) mit orgelndem Bassbarito­n, dazu Alessandro Corbelli (Taddeo) sowie Rebeca Olvera (Elvira). Jean-Christophe Spinosi kurvte mit dem Instrument­alensemble Matheus delikat und spielfreud­ig durch Rossinis Dramma giocoso.

 ?? Foto: Monika Rittershau­s, Salzburger Festspiele ?? Rossinis „Italieneri­n in Algier“als One Women Show: Cecilia Bartoli glänzt in Salz burg.
Foto: Monika Rittershau­s, Salzburger Festspiele Rossinis „Italieneri­n in Algier“als One Women Show: Cecilia Bartoli glänzt in Salz burg.

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