Patienten beschweren sich über Notaufnahme
Bei einer 27-jährigen Mutter war ein Schlaganfall zunächst nicht erkannt worden. Nach unserem Bericht meldeten sich weitere Leser mit Kritik. Was das Klinikum zu zwei Fällen und dem Umgang mit Vorwürfen sagt
Tatjana Schweihofers Schlaganfall wurde in der Notaufnahme nicht entdeckt, sie wurde nach Hause entlassen. Die 27-jährige Mutter aus Neusäß erhob im Gespräch mit unserer Redaktion zuletzt schwere Vorwürfe gegen das Klinikum Augsburg (wir berichteten). Danach meldeten sich einige Leser, die ebenfalls schlechte Erfahrungen in der Notaufnahme schilderten.
Einer davon ist Bernhard Lösel. Als der Augsburger den Artikel über Tatjana Schweihofer las, fühlte er sich an seinen eigenen Fall erinnert. Dieser liegt zehn Jahre zurück. „Aber ich trage das Geschehen immer noch mit mir herum“, sagt der 67-Jährige. „Auch bei mir wurde der Schlaganfall in der Notaufnahme nicht erkannt.“Lösel hatte plötzlich Blitze vor einem Auge, dann war sein Sichtfeld eingeschränkt. Auf Anraten eines Arztes suchte er die Notaufnahme auf. „Nach einer von über sechs Stunden wurde ich nach einer unqualifizierten Untersuchung am Morgen nach Hause entlassen.“Noch am selben Tag habe sein Augenarzt bei ihm einen Schlaganfall festgestellt.
Zurück im Klinikum, kam er nach Untersuchungen auf die Intensivstation. „Das kommt vom Rauchen. Hören Sie das Rauchen auf“, habe der Arzt ihm gesagt. Das ärgerte Lösel, zumal sich seinen Angaben zufolge später herausstellte, dass ein Loch in seinem Herzen den Schlaganfall ausgelöst hatte – wie bei der 27-jährigen Tatjana Schweihofer auch. Lösel hat seitdem einen Sichtfeldausfall von 15 Prozent, sagt er. Angesichts der langen Wartezeit bis zur Behandlung sei er noch ein Glückspilz gewesen. „Die Thrombose stoppte circa einen Millimeter vor meinem Sehnerv, sonst wäre ich heute blind.“Tatjana Schweihofer hatte ebenfalls geschildert, dass bei ihrem ersten Aufenthalt in der Notaufnahme im März 2018 der Schlag- anfall nicht erkannt wurde. Es seien weder Computertomografie (CT) noch Magnetresonanztomographie (MRT) gemacht worden. Ab wann werden diese Untersuchungen denn durchgeführt?
„In Abhängigkeit der Anamnese, des Krankheitsbilds und der klinischen Untersuchungen entscheidet der Neurologe, ob bei einem Patienten bildgebende Diagnostik eingesetzt wird“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Klinikums. Die Patientin Schweihofer sei „leitliniengerecht und engmaschig“untersucht worden. „Die durchgeführten Laborkontrollen und weiteren neurologischen Untersuchungen waren unauffällig.“Das Zentrale Beschwerdemanagement des Klinikums habe den Fall Lösel analysieren lassen und hier kein Fehlverhalten festgestellt.
Auch im Fall von Gertrud Burkhardt, 65, nicht. Die Augsburgerin kam Anfang 2016 wegen eines Darmverschlusses in die NotaufWartezeit nahme. Mehrere Stunden habe sie unter Schmerzen warten müssen, bis sie operiert wurde. Sie wirft dem Klinikum vor, dass die Operation nicht sorgfältig durchgeführt wurde. Deshalb habe man sie ein zweites Mal operieren müssen. Zudem sei die Narbe schlecht vernäht. Burkhardt fühlt sich nicht nur entstellt. „Die Narbe bereitet mir immer noch Probleme, etwa wenn ich was Schweres tragen muss.“Sie fordert Schmerzensgeld und hat sich einen Rechtsanwalt genommen. Im vergangenen Sommer wurde ein Verfahren vor der Landesärztekammer eingeleitet.
Generell werden Krankenhäuser immer wieder mit Kritik konfrontiert. Das Klinikum erhielt nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 550 Beschwerden. „Nur in wenigen Fällen beziehen sich die Anmerkungen auf eine angeblich nicht richtig durchgeführte Diagnostik oder Therapie“, erklärt eine Sprecherin. Gemessen an den 255 000 ambulanten und stationären Patienten, die 2017 im Klinikum behandelt wurden, entsprächen 550 kritische Anmerkungen 0,21 Prozent. Dazu kämen jährlich 80000 Patienten in der Notaufnahme, die die zweitgrößte des Landes sei. „Dass es vereinzelt zu Beschwerden kommt, lässt sich bei der Größe naturgemäß nicht vermeiden und dient auch der Überprüfung der Prozesse und Behandlungsmaßnahmen.“Natürlich bedauere man es, wenn es schlechte Verläufe aus Sicht eines Patienten gebe. „Wir nehmen Beschwerden sehr ernst und erarbeiten in diesen Fällen ausführliche Stellungnahmen mit den Verantwortlichen vor Ort.“Auch Gespräche werden angeboten. Im Übrigen könne selbst mit modernsten Behandlungsmethoden durch keinen Arzt und kein Krankenhaus ein auf jeden Fall eintretender Behandlungserfolg garantiert werden. „Entscheidend aber ist, dass aus medizinischer Sicht alles Erforderliche getan worden ist.“