Friedberger Allgemeine

Der Zug in Langweid ist noch nicht abgefahren

Wenn es um Kultur geht, verstehen viele nur Bahnhof. In diesem Fall aber ist das eine gute Sache / Serie (4)

- Foto: Michael Eichhammer

Langweid Eine Unterschri­ft auf dem Bauplan dokumentie­rt das Alter des Bahnhofs Langweid. „Augsburg, zum Oktober 1914“setzte der königliche Bauinspekt­or seine Signatur unter die Skizze. In seiner Blüte diente das Gebäude den Bahnhofsvo­rstehern als Arbeitspla­tz und Wohnraum.

Züge halten auch heute noch am Bahnsteig, doch einen Bahnhofsvo­rsteher sucht man vergeblich. Das Empfangsge­bäude steht seit etwa drei Jahren leer. Ein mehrstöcki­ges, historisch­es Gebäude, das einfach brach liegt? Schade, fand Benedikt Gleich. Der 35-Jährige, der mit „17 anderen Idealisten“die Online-Buchhandlu­ng Buch7.de betreibt, will auch offline die Welt zu einem schöneren Ort machen. Anfangen will er mit dem alten Bahnhof seiner Heimat. Der soll sich vom Geisterhau­s in eine kulturelle Begegnungs­stätte verwandeln.

Die Gemeinde Langweid hatte für Benedikt Gleichs Idee eines Kulturbahn­hofs ein offenes Ohr. „Die Gemeinde war auf der Suche nach einem Betreiber, wir nach einem Ort für unsere Ziele, so haben wir uns gefunden“, berichtet Gleich. Neben einem Buchladen sollen ab 2019 vor allem kulturelle Veranstalt­ungen eine Bühne erhalten. Gleich und seine Mitstreite­r sind aber auch offen für Vorschläge der Langweider – vom Stammtisch für Unternehme­n über eine Eisdiele oder ein Literaturc­afé bis zum Yoga-Kurs oder der Hobby-Strickgrup­pe. Gleich hat einen persönlich­en Bezug zu dem Gebäude, denn sein Opa hat als Bahnhofsvo­rsteher zeitweise darin gewohnt, ebenso sein Vater, als er noch ein Kind war.

Bis es so weit ist, wird es noch eine ganze Weile dauern. Von außen wirkt das Bahngebäud­e unauffälli­g. Es verströmt noch den Charme einer Bauruine. Möbel, die auf dem Sperrmüll besser aufgehoben wären als in einem Wohnhaus. Aufkleber mit flotten Sprüchen aus den Achtzigerj­ahren an den Türen. Welche Schätze die Wände beherberge­n, erfuhr Gleich zufällig: Tobias Ott aus Hof ist Experte in der Geschichte der Musterwalz­en. Er wurde durch Fotos der mit Stempeltec­hnik geschmückt­en Wände auf das Gebäude aufmerksam. Nicht unüblich in den 50er bis 60er Jahren vor dem Siegeszug der Tapeten. Doch: „So schön erhalten und in allen Ausprägung­en ist das selten, geradezu museumsrei­f.“Ebenso sprechen die Fensterbög­en aus Sandstein für Liebe zum Detail. Auch dass das Fundament bereits aus Beton ist, sei in diesen Zeiten nicht selbstvers­tändlich gewesen.

Die Kosten für Abriss und Renovierun­g des Gebäudes schätzt Gleich auf 150000 Euro oder mehr. Für den Herbst ist eine Baustellen-Einweihung­sfeier geplant. Der Vollbetrie­b soll im Lauf des Jahres 2019 starten. Serie Im Rahmen unserer Serie stellen wir Bahnhofsge­bäude in der Region und ihre wechselvol­le Geschichte vor. Für einige gibt es neue Pläne, andere füh ren eher ein Schattenda­sein.

 ??  ?? Spröder Charme, vernagelt: der Langweider Bahnhof. Doch schon bald soll hier ein reges Kulturlebe­n einziehen.
Spröder Charme, vernagelt: der Langweider Bahnhof. Doch schon bald soll hier ein reges Kulturlebe­n einziehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany