Der Zug in Langweid ist noch nicht abgefahren
Wenn es um Kultur geht, verstehen viele nur Bahnhof. In diesem Fall aber ist das eine gute Sache / Serie (4)
Langweid Eine Unterschrift auf dem Bauplan dokumentiert das Alter des Bahnhofs Langweid. „Augsburg, zum Oktober 1914“setzte der königliche Bauinspektor seine Signatur unter die Skizze. In seiner Blüte diente das Gebäude den Bahnhofsvorstehern als Arbeitsplatz und Wohnraum.
Züge halten auch heute noch am Bahnsteig, doch einen Bahnhofsvorsteher sucht man vergeblich. Das Empfangsgebäude steht seit etwa drei Jahren leer. Ein mehrstöckiges, historisches Gebäude, das einfach brach liegt? Schade, fand Benedikt Gleich. Der 35-Jährige, der mit „17 anderen Idealisten“die Online-Buchhandlung Buch7.de betreibt, will auch offline die Welt zu einem schöneren Ort machen. Anfangen will er mit dem alten Bahnhof seiner Heimat. Der soll sich vom Geisterhaus in eine kulturelle Begegnungsstätte verwandeln.
Die Gemeinde Langweid hatte für Benedikt Gleichs Idee eines Kulturbahnhofs ein offenes Ohr. „Die Gemeinde war auf der Suche nach einem Betreiber, wir nach einem Ort für unsere Ziele, so haben wir uns gefunden“, berichtet Gleich. Neben einem Buchladen sollen ab 2019 vor allem kulturelle Veranstaltungen eine Bühne erhalten. Gleich und seine Mitstreiter sind aber auch offen für Vorschläge der Langweider – vom Stammtisch für Unternehmen über eine Eisdiele oder ein Literaturcafé bis zum Yoga-Kurs oder der Hobby-Strickgruppe. Gleich hat einen persönlichen Bezug zu dem Gebäude, denn sein Opa hat als Bahnhofsvorsteher zeitweise darin gewohnt, ebenso sein Vater, als er noch ein Kind war.
Bis es so weit ist, wird es noch eine ganze Weile dauern. Von außen wirkt das Bahngebäude unauffällig. Es verströmt noch den Charme einer Bauruine. Möbel, die auf dem Sperrmüll besser aufgehoben wären als in einem Wohnhaus. Aufkleber mit flotten Sprüchen aus den Achtzigerjahren an den Türen. Welche Schätze die Wände beherbergen, erfuhr Gleich zufällig: Tobias Ott aus Hof ist Experte in der Geschichte der Musterwalzen. Er wurde durch Fotos der mit Stempeltechnik geschmückten Wände auf das Gebäude aufmerksam. Nicht unüblich in den 50er bis 60er Jahren vor dem Siegeszug der Tapeten. Doch: „So schön erhalten und in allen Ausprägungen ist das selten, geradezu museumsreif.“Ebenso sprechen die Fensterbögen aus Sandstein für Liebe zum Detail. Auch dass das Fundament bereits aus Beton ist, sei in diesen Zeiten nicht selbstverständlich gewesen.
Die Kosten für Abriss und Renovierung des Gebäudes schätzt Gleich auf 150000 Euro oder mehr. Für den Herbst ist eine Baustellen-Einweihungsfeier geplant. Der Vollbetrieb soll im Lauf des Jahres 2019 starten. Serie Im Rahmen unserer Serie stellen wir Bahnhofsgebäude in der Region und ihre wechselvolle Geschichte vor. Für einige gibt es neue Pläne, andere füh ren eher ein Schattendasein.