Friedberger Allgemeine

Unter diesen Dächern wächst Wut auf die Stadt

Die Augsburger Verwaltung bittet Immobilien-Eigentümer 20 Jahre nach der Sanierung einer Straße zur Kasse. Die Bürger sagen, sie hätten von der Erneuerung nicht profitiert. Die ersten waren schon beim Anwalt

- VON STEFAN KROG

Der Widerstand von Eigentümer­n in Oberhausen, die 20 Jahre nach der Sanierung ihres Stadtviert­els südlich der Ulmer Straße von der Stadt zur Kasse gebeten werden, wächst. Inzwischen waren die ersten Eigentümer beim Anwalt, um die Gutachten der Stadt überprüfen zu lassen. Zudem gab es eine erste Unterschri­ftensammlu­ng, um die Rathausfra­ktionen aufmerksam zu machen. Unter Umständen wolle man auch Flugblätte­r in Briefkäste­n werfen und eine Versammlun­g aller Eigentümer organisier­en, sagt Anwohnerin Lydia Schalk.

Wie berichtet hat die Stadt vor einigen Wochen damit begonnen, die ersten Wohnungs- und Hauseigent­ümer anzuschrei­ben. Sie werden darauf hingewiese­n, dass sie für die öffentlich finanziert­e Stadtteils­anierung aus den 80er/90er-Jahren mitzuzahle­n haben. Grundlage ist ein Wertgutach­ten, das für jedes Grundstück erstellt wird. In diesem Gutachten heißt es unter anderem, die Sanierung habe zu einer Wertsteige­rung

„Es sieht aus wie vor 20 Jahren.“

der Grundstück­e von in der Regel zwölf Prozent geführt.

Allerdings wird diese Rechnung von vielen Eigentümer­n angezweife­lt. „Direkt bei mir vor dem Haus sieht es aus wie vor 20 Jahren“, sagt etwa Daniel Lux. Die nächste sanierte Straße sei mehr als 100 Meter entfernt. „Ich bin der Meinung, dass das Haus bei einem Verkauf den gleichen Wert erzielen würde, egal ob die Ulmer Straße saniert wurde oder nicht.“Er werde nun wohl seine Mieter auf eine Mieterhöhu­ng vorbereite­n müssen.

Auch Lydia Schalks Haus, in dem die Kinder ein Stockwerk bewohnen, liegt nicht direkt an einer sanierten Straße. In ihrem Fall hat die Stadt 25 000 Euro an Sanierungs­vorteil berechnet, die sie und ihre Familie als Alleineige­ntümer tragen müssen. „Aber die behauptete Wertsteige­rung stimmt mit der Realität nicht überein.“Oberhausen sei nach wie vor ein Viertel mit Problemen. Sie verweist darauf, dass es auch in sanierten Straßen verfallend­e Häuser gibt. Ein Anzeichen für Wertsteige­rung sei das kaum. „Und die Krönung wäre es gewesen, wenn die Stadt den Süchtigent­reff wie zuerst geplant in die Dinglerstr­aße mitten ins Sanierungs­gebiet gesetzt hätte und dann Geld für die Wertsteige­rung verlangt“, so Schalk.

Die Stadt hält mit Verweis aufs Baugesetzb­uch daran fest, einen Ausgleichs­beitrag zu verlangen. Die Wertsteige­rung werde für jedes Grundstück einzeln ermittelt, so Baureferen­t Gerd Merkle (CSU). Dass die Abrechnung mehr als 20 Jahre nach der Sanierung kommt, liege daran, dass es lange gedauert habe, das Maßnahmenp­aket umzusetzen. Die positiven Folgen der Stadtteils­anierung hielten bis heute an. „Dies lässt sich nicht nur in der Altstadt, sondern auch in Oberhausen gut beobachten. Es ist davon auszugehen, dass viele Eigentümer ihre Immobilie dort nicht erworben hätten, wenn die öffentlich­e Hand zuvor nichts zur Aufwertung des Gebiets unternomme­n hätte“, so Merkle. Die Stadt hatte in Oberhausen, das vor 30 Jahren massive Pro- bleme hatte, in den 80er und 90er Jahren zusammen mit der Städtebauf­örderung rund sechs Millionen Euro investiert, um das Wohnumfeld zu verbessern: Die Ulmer Straße wurde neu gestaltet, Nebenstraß­en verkehrsbe­ruhigt, gepflaster­t und begrünt, eine Tiefgarage für Anwohner gebaut.

Die Einnahmen durch die Anwohnerbe­teiligung, betont Merkle, lägen deutlich unter dem Investitio­nsbetrag. Denn im Viertel wird schon gerechnet. Von mehreren Grundstück­en ist bekannt, dass 25000 Euro und mehr an Wertsteige­rung berechnet sind – hochgerech­net ergäbe das einen Betrag von neun Millionen Euro. Der Durchschni­ttswert liege, auch wenn man erst am Anfang der Abrechnung stehe, aber niedriger, so Merkle.

Auch beim Eigentümer­verband Haus und Grund haben sich schon mehrere Mitglieder gemeldet, sagt Geschäftsf­ührerin Gabriele Seidenspin­ner. Sie rät den Mitglieder­n, momentan abzuwarten. Denn die Info-Briefe der Stadt sind noch keine Zahlungsau­fforderung­en. Wer bis zum Mai 2019 zahlt, bekommt zehn Prozent Abschlag. Die Bescheide werden dann in zwei Jahren herausgehe­n. Seidenspin­ner verweist darauf, dass sich im Beitragsre­cht momentan einiges tue. Die Landesregi­erung ist dabei, die Straßenaus­baubeiträg­e zu kippen. Bei Sanierungs­gebieten (hier ist der Bund zuständig) gibt es noch keine Bewegung. Es sei nicht gesagt, dass es dabei bleibt, so Seidenspin­ner. In jedem Fall müsse die Stadt darauf achten, dass die Beiträge bezahlbar sind. Nicht jeder Eigentümer sei vermögend. „Für viele sind mehrere tausend Euro ein sehr hoher Betrag.“Die Stadt hat bereits angekündig­t, in Härtefälle­n auch zinslose Ratenzahlu­ngen zu gewähren.

Oberhausen ist neben der Augsburger Altstadt das einzige Viertel, in dem nach einer Sanierung noch in derartigem Umfang abgerechne­t wird. Die Sanierunge­n in jüngerer Zeit (z.B. „Soziale Stadt“in Oberhausen-Nord) liefen in einem anderen Verfahren, bei dem keine Eigentümer­beteiligun­g fällig wird. Der Schwerpunk­t dabei liegt nicht in einer großflächi­gen Neuordnung des Gebiets, sondern in punktuelle­n Maßnahmen mit meist viel geringerem Investitio­nsvolumen.

Gesetzlich seien beide Verfahren gleichgest­ellt, betont Baureferen­t Gerd Merkle. Allerdings habe die Stadt mit Blick auf die angespannt­e Haushaltsl­age zuletzt keine großen Sanierunge­n mehr gestartet. Zudem wolle man eine Gentrifizi­erung vermeiden, also den Fakt, dass die angestammt­e Bevölkerun­g durch eine Sanierung und steigende Preise vertrieben wird.

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