Seehofer entschuldigt sich für Asylskandal
Der Berg an Verfahren wächst schon wieder. Liegt es an fehlendem Personal?
Berlin Der Skandal hat zwar lange vor seinem Amtsantritt in Berlin begonnen – trotzdem bittet Innenminister Horst Seehofer (CSU) jetzt im Namen der Bundesregierung bei der Bevölkerung für die Fehler im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge um Entschuldigung. Die Kommunikation zwischen dem Ministerium und dem Amt sei „nicht gut“gewesen, räumte er nach einer Sondersitzung des Innenausschusses ein. Er wolle die Art und Weise, wie Asylverfahren in Deutschland ablaufen, deshalb reformieren – und zwar „ohne Hektik“, sagte Seehofer. Behördenpräsidentin Jutta Cordt versicherte mit Blick auf die laufenden Untersuchungen bei der Bremer Außenstelle ihres Amtes: „Bei mir wird nichts vertuscht.“
Die manipulierten Asyl-Entscheidungen in Bremen haben auch weitreichende Konsequenzen in der Praxis: Der Berg der unbearbeiteten Asylanträge dürfte in den nächsten Monaten wieder deutlich wachsen. In einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf einen Fragenkatalog der Grünen-Fraktion heißt es: „Mit der Prüfung der rund 18000 Fälle der Außenstelle Bremen werden rund 70 Mitarbeiter für ca. drei Monate betraut sein.“Bedingt durch diesen zusätzlichen Personalaufwand bestehe das Risiko, dass der Bestand an offenen Asylverfahren von 50 000 auf 80 000 steigen könne. Das Ziel einer Bearbeitungsdauer von drei Monaten bei neuen Verfahren sei dann nicht mehr zu halten. Seehofer betonte, er habe angeordnet, dass Qualität wieder vor Schnelligkeit gehe. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass wieder Rückstände aufgebaut werden. Deswegen sei mehr Personal nötig.
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, der Allgäuer Abgeordnete Stephan Thomae, bekräftigte die Forderung seiner Partei, wegen der Affäre einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Grüne und Linke hadern damit noch – in der Union allerdings bröckelt der Widerstand gegen einen solchen Ausschuss. „Ich möchte wie Horst Seehofer auch, dass die Vorfälle der vergangenen Jahre jetzt zügig, lückenlos und transparent aufgeklärt werden“, betonte die Vorsitzende des Innenausschusses, die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz, gegenüber unserer Zeitung. „Einen Untersuchungsausschuss lehne ich nicht grundsätzlich ab.“Allerdings würde er schwerfällig arbeiten und erst in Monaten oder gar erst in Jahren Ergebnisse liefern. Jetzt gehe es jedoch darum, möglichst schnell für Klarheit zu sorgen und die Missstände sofort abzustellen. Ähnlich hatte zuvor CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer argumentiert.
Die SPD warf dem Koalitionspartner Union dagegen schwere Versäumnisse bei der Aufsicht über das Bundesamt vor. Eine Mischung aus „Schlamperei und Gleichgültigkeit“habe dazu geführt, dass die Missstände im Bundesamt nicht abgestellt worden seien, kritisierte der innenpolitische Sprecher der SPDFraktion, Burkhard Lischka. Obwohl es seit Anfang 2014 immer wieder Hinweise auf Versäumnisse und Fehlverhalten in der Bremer Außenstelle gegeben habe, sei „offensichtlich weggeschaut“worden. Innenminister war damals noch der CDU-Mann Thomas de Maizière. Insgesamt sollen in Bremen in mindestens 1200 Fällen Asylanträge zu Unrecht genehmigt worden sein.
Mit der Aufarbeitung des Skandals im Bundesamt beschäftigt sich auch ein ausführlicher Hintergrundbericht in der Politik. (bju, AZ)
„Einen Untersuchungs ausschuss lehne ich nicht grundsätzlich ab.“Andrea Lindholz, CSU