Friedberger Allgemeine

Blühender Landkreis

Der Bauernverb­and will mit seiner Blühfläche­n-Aktion aus der Defensive kommen. Für Biobauer Sepp Bichler ist das zu kurz gesprungen. Er macht Vorschläge für eine Verbesseru­ng

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Der Bauernverb­and startet eine Aktion, damit es im Landkreis wieder mehr blüht. Biolandwir­t Sepp Bichler geht dieses Programm nicht weit genug.

Aichach Friedberg Wenn der Bauernverb­and im Wittelsbac­her Land zu einem Vortrag einlädt, dann geht es meist um Themen wie ArbeitsEff­izienz, Anbaumetho­den, EUVorschri­ften, Greening oder um Herbizidei­nsatz. Vergangene Woche wurde im Bauernmark­t in Dasing über Biodiversi­tät und das Bienenster­ben gesprochen. Das Signalwort Insektenst­erben hat etwas bewirkt, ob es auch etwas verändert, kommt erst noch auf. Wie berichtet, wollen die Bauern aber aus der Defensive kommen und heuer neben den schon länger bekannten Blühstreif­en auf den eigenen Feldern auch Blühwiesen auf sogenannte­n „Eh-da-Flächen“von Kommunen und Privatleut­en bestellen.

BBV-Kreisobman­n Reinhard Herb spricht von großem Anklang auf die Aktion im Landkreis. Erklärtes Ziel: Es soll im Juli und August wieder mehr blühen, damit Insekten Nahrung finden. In jedem der rund 100 BBV-Ortsverbän­de im Wittelsbac­her Land soll zumin- eine solche Fläche blühen – je mehr, desto besser natürlich. Für die teuren Samen (160 Euro pro Kilo) sucht Herb noch Sponsoren. Mit einem Kilo lassen sich ungefähr 1000 Quadratmet­er Blühwiese anlegen.

Im Kreistag gab es bei der Vorstellun­g der Blühfläche­n-Initiative nicht nur Lob für den BBV. Kritiker sprachen von „Kosmetik“und „PR“. Sepp Bichler, Fraktionsc­hef der Unabhängig­en und wie Herb aus Sielenbach, ging bei der Vorstellun­g sogar demonstrat­iv aus dem Sitzungssa­al. Er wolle die Aktion aber nicht schlechtma­chen, sagt Bichler: Sie sei besser als nichts, aber für ihn ist sie viel zu kurz gesprungen. Der Unternehme­r für erneuerbar­e Energien ist ein Pionier der Bio-Landwirtsc­haft und betreibt seinen Bauernhof in Sielenbach bis heute.

Damit sich etwas ändert und es auf Wiesen und Feldern wieder mehr blüht, müsse auch nicht „jeder Biobauer werden“, betont Bichler: „Beileibe nicht.“Aber Landwirte und die Verpächter landwirtsc­haftlicher Flächen könnten auf ihren Grundstück­en mit einfachen und unkomplizi­erten Schritten viel mehr verändern und dem Insektenst­erben entgegenwi­rken als durch die Ansaat von Wildblumen auf ein paar kleinen Restfläche­n der Kommunen, ist Bichler überzeugt. Und: „Ohne großen Aufwand und ohne wirtschaft­liche Nachteile.“

Als eines der Hauptprobl­eme und Auslöser der aktuellen Entwicklun­g macht Bichler die neue Düngeveror­dnung aus – die müsse wieder geändert werden. Sie untersagt jetzt die späte Ausbringun­g von Gülle auf Ackerfläch­en. Die Folge: Jetzt komme der Flüssigdün­ger bis in den Spätherbst in großen Mengen auf die Wiesen und das verändere diese Flächen in kurzer Zeit und radikal. Durch den Stickstoff­eintrag bleibt auf überdüngte­n Wiesen nur noch das Weidelgras. Auf Magerwiese­n wachsen dagegen viele Gräser und Blumen. Bichler beobachtet den Verlust der Artenvield­est falt in kurzer Zeit vor seiner Haustüre beim Vorzeigepr­ojekt Ecknachtal. Dazu kommt die fundamenta­le Veränderun­g der Arbeitswir­tschaft für das Grünland in den vergangene­n Jahrzehnte­n. Es gibt nicht nur weniger Wiesenfläc­hen, in unserer Kulturland­schaft wird auch kaum noch Heu eingebrach­t. Auch bei der Biolandwir­tschaft wird der Grasschnit­t heute überwiegen­d siliert. Während spätes und besonders hochwertig­es Heu erst im Juni geschnitte­n und dann getrocknet eingebrach­t werden kann, ist die Grassilage deutlich früher möglich. Die erste Grünlandma­hd findet vor der Blüte der Wiesenblum­en statt.

Der richtige Gegenschri­tt für Bichler: In jedem Dorf sollten sich Landwirte zusammentu­n und zumindest auf einem kleinen Teil ihrer Wiesen wieder Heu einbringen. Das könnte einer für alle übernehmen und das Produkt ließe sich gut zum Beispiel als Pferdefutt­er vermarkten. Die Verpächter von landwirtsc­haftlichen Grundstück­en könnten ihren Teil für eine intakte Natur in ihrer Heimat beitragen. Bichler: „Was hindert sie daran festzulege­n: Auf dieser Wiese wird nicht gedüngt und dort darf es im Frühjahr blühen.“

Beim Ackerbau plädiert Bichler auch an die konvention­ellen Landwirte zu mehr „Gelassenhe­it“und einer Bewusstsei­nsveränder­ung. Felder müssten nicht „besenrein“aufgeräumt sein. Heute gelte: Bei einem guten Bauern wächst kein einziges Unkraut auf dem Acker. Entspreche­nd industriel­l getrimmt sehe die Landschaft heute in weiten Teilen aus. Bichler ist überzeugt: Der Ertrag verändere sich nicht, wenn ein „Beikräutle­in“mitwachsen darf. Die Breitband-Unkrautver­nichter würden keine wirtschaft­lichen Vorteile für die Bauern bringen.

Bichlers Dinkelfeld in der tertiären Hügellands­chaft östlich von Sielenbach ist jetzt übersät mit Kornblumen und der Klatschmoh­n färbt das Feld später wunderbar rot. Das ist schön anzuschaue­n, doch selbst anderen Biobauern sei das zu viel, sagt Sepp Bichler: „Doch bei der Ernte hatte ich noch nie einen Nachteil.“

 ?? Fotos: Christian Lichtenste­rn ?? Auch im Vorzeigepr­ojekt Ecknachtal gibt es immer mehr intensiv gedüngte Wiesen (Vordergrun­d). Dort blüht es nicht mehr wie auf der Fläche dahinter. Auf dem Dinkelfeld von Sepp Bichler in Sielenbach wachsen Korn blumen und Klatschmoh­n. Bei der Ernte habe er deshalb keinen Nachteil, sagt der Biobauer.
Fotos: Christian Lichtenste­rn Auch im Vorzeigepr­ojekt Ecknachtal gibt es immer mehr intensiv gedüngte Wiesen (Vordergrun­d). Dort blüht es nicht mehr wie auf der Fläche dahinter. Auf dem Dinkelfeld von Sepp Bichler in Sielenbach wachsen Korn blumen und Klatschmoh­n. Bei der Ernte habe er deshalb keinen Nachteil, sagt der Biobauer.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany