Blühender Landkreis
Der Bauernverband will mit seiner Blühflächen-Aktion aus der Defensive kommen. Für Biobauer Sepp Bichler ist das zu kurz gesprungen. Er macht Vorschläge für eine Verbesserung
Der Bauernverband startet eine Aktion, damit es im Landkreis wieder mehr blüht. Biolandwirt Sepp Bichler geht dieses Programm nicht weit genug.
Aichach Friedberg Wenn der Bauernverband im Wittelsbacher Land zu einem Vortrag einlädt, dann geht es meist um Themen wie ArbeitsEffizienz, Anbaumethoden, EUVorschriften, Greening oder um Herbizideinsatz. Vergangene Woche wurde im Bauernmarkt in Dasing über Biodiversität und das Bienensterben gesprochen. Das Signalwort Insektensterben hat etwas bewirkt, ob es auch etwas verändert, kommt erst noch auf. Wie berichtet, wollen die Bauern aber aus der Defensive kommen und heuer neben den schon länger bekannten Blühstreifen auf den eigenen Feldern auch Blühwiesen auf sogenannten „Eh-da-Flächen“von Kommunen und Privatleuten bestellen.
BBV-Kreisobmann Reinhard Herb spricht von großem Anklang auf die Aktion im Landkreis. Erklärtes Ziel: Es soll im Juli und August wieder mehr blühen, damit Insekten Nahrung finden. In jedem der rund 100 BBV-Ortsverbände im Wittelsbacher Land soll zumin- eine solche Fläche blühen – je mehr, desto besser natürlich. Für die teuren Samen (160 Euro pro Kilo) sucht Herb noch Sponsoren. Mit einem Kilo lassen sich ungefähr 1000 Quadratmeter Blühwiese anlegen.
Im Kreistag gab es bei der Vorstellung der Blühflächen-Initiative nicht nur Lob für den BBV. Kritiker sprachen von „Kosmetik“und „PR“. Sepp Bichler, Fraktionschef der Unabhängigen und wie Herb aus Sielenbach, ging bei der Vorstellung sogar demonstrativ aus dem Sitzungssaal. Er wolle die Aktion aber nicht schlechtmachen, sagt Bichler: Sie sei besser als nichts, aber für ihn ist sie viel zu kurz gesprungen. Der Unternehmer für erneuerbare Energien ist ein Pionier der Bio-Landwirtschaft und betreibt seinen Bauernhof in Sielenbach bis heute.
Damit sich etwas ändert und es auf Wiesen und Feldern wieder mehr blüht, müsse auch nicht „jeder Biobauer werden“, betont Bichler: „Beileibe nicht.“Aber Landwirte und die Verpächter landwirtschaftlicher Flächen könnten auf ihren Grundstücken mit einfachen und unkomplizierten Schritten viel mehr verändern und dem Insektensterben entgegenwirken als durch die Ansaat von Wildblumen auf ein paar kleinen Restflächen der Kommunen, ist Bichler überzeugt. Und: „Ohne großen Aufwand und ohne wirtschaftliche Nachteile.“
Als eines der Hauptprobleme und Auslöser der aktuellen Entwicklung macht Bichler die neue Düngeverordnung aus – die müsse wieder geändert werden. Sie untersagt jetzt die späte Ausbringung von Gülle auf Ackerflächen. Die Folge: Jetzt komme der Flüssigdünger bis in den Spätherbst in großen Mengen auf die Wiesen und das verändere diese Flächen in kurzer Zeit und radikal. Durch den Stickstoffeintrag bleibt auf überdüngten Wiesen nur noch das Weidelgras. Auf Magerwiesen wachsen dagegen viele Gräser und Blumen. Bichler beobachtet den Verlust der Artenvieldest falt in kurzer Zeit vor seiner Haustüre beim Vorzeigeprojekt Ecknachtal. Dazu kommt die fundamentale Veränderung der Arbeitswirtschaft für das Grünland in den vergangenen Jahrzehnten. Es gibt nicht nur weniger Wiesenflächen, in unserer Kulturlandschaft wird auch kaum noch Heu eingebracht. Auch bei der Biolandwirtschaft wird der Grasschnitt heute überwiegend siliert. Während spätes und besonders hochwertiges Heu erst im Juni geschnitten und dann getrocknet eingebracht werden kann, ist die Grassilage deutlich früher möglich. Die erste Grünlandmahd findet vor der Blüte der Wiesenblumen statt.
Der richtige Gegenschritt für Bichler: In jedem Dorf sollten sich Landwirte zusammentun und zumindest auf einem kleinen Teil ihrer Wiesen wieder Heu einbringen. Das könnte einer für alle übernehmen und das Produkt ließe sich gut zum Beispiel als Pferdefutter vermarkten. Die Verpächter von landwirtschaftlichen Grundstücken könnten ihren Teil für eine intakte Natur in ihrer Heimat beitragen. Bichler: „Was hindert sie daran festzulegen: Auf dieser Wiese wird nicht gedüngt und dort darf es im Frühjahr blühen.“
Beim Ackerbau plädiert Bichler auch an die konventionellen Landwirte zu mehr „Gelassenheit“und einer Bewusstseinsveränderung. Felder müssten nicht „besenrein“aufgeräumt sein. Heute gelte: Bei einem guten Bauern wächst kein einziges Unkraut auf dem Acker. Entsprechend industriell getrimmt sehe die Landschaft heute in weiten Teilen aus. Bichler ist überzeugt: Der Ertrag verändere sich nicht, wenn ein „Beikräutlein“mitwachsen darf. Die Breitband-Unkrautvernichter würden keine wirtschaftlichen Vorteile für die Bauern bringen.
Bichlers Dinkelfeld in der tertiären Hügellandschaft östlich von Sielenbach ist jetzt übersät mit Kornblumen und der Klatschmohn färbt das Feld später wunderbar rot. Das ist schön anzuschauen, doch selbst anderen Biobauern sei das zu viel, sagt Sepp Bichler: „Doch bei der Ernte hatte ich noch nie einen Nachteil.“