Friedberger Allgemeine

Kommt Seehofer schnell genug voran?

Die SPD beklagt, die Aufklärung der Bamf-Affäre schleppe sich dahin. Der Innenminis­ter versetzt einen Spitzenbea­mten in den Ruhestand. Inzwischen tauchen auch Fragen nach hohen Millionens­ummen auf

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Im Bremer Asylskanda­l kommt Horst Seehofer nicht zur Ruhe. Nach der Sondersitz­ung des Bundestags-Innenaussc­husses am Dienstag reißt die Kritik am Bundesinne­nminister nicht ab. Und sie kommt weiter auch vom Koalitions­partner. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil sagt zu unserer Zeitung: „Wir könnten bei der Aufklärung schon viel weiter sein. Die Union trägt seit 13 Jahren Verantwort­ung im Innenminis­terium. Während dieser Zeit sind alle Probleme entstanden, die nun ans Tageslicht kommen. Ich erwarte von Herrn Seehofer, dass er jetzt liefert.“

Seehofer und Jutta Cordt, die Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf), hatten am Dienstag in einer mehrstündi­gen Sitzung Fragen der Abgeordnet­en beantworte­t. Es ging nicht nur um die Vorgänge in der Bremer BamfAußens­telle, in der mindestens 1200 Migranten unrechtmäß­ig Asyl erhalten haben sollen. Sondern um die gesamte Asylpoliti­k der Bundesregi­erung in den vergangene­n Jahren.

Der Innenaussc­huss verständig­te sich darauf, zu weiteren Sitzungen in der Sache zusammenzu­kommen. Dabei könnten auch der frühere Kanzleramt­schef und Flüchtling­skoordinat­or Peter Altmaier (CDU) und die ehemaligen Bamf-Leiter Frank-Jürgen Weise und Manfred Schmidt befragt werden. Für einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss, wie ihn FDP und AfD fordern, ist dagegen weiter nicht die erforderli­che Mehrheit in Sicht.

Seehofer hatte sich nach der Sitzung „namens der Bundesregi­erung“bei der Bevölkerun­g für den „handfesten, schlimmen Skandal“beim Bamf in Bremen entschuldi­gt. Und seine früheren Ankündigun­gen bekräftigt, die Affäre vollständi­g aufzukläre­n und die Schuldigen zur Verantwort­ung zu ziehen.

Nach Medienberi­chten hat Seehofer inzwischen erste personelle Konsequenz­en gezogen und einen Spitzenbea­mten im Innenminis­terium in den einstweili­gen Ruhestand versetzt. Der Ministeria­ldirektor sei ein enger Vertrauter von Seehofers Amtsvorgän­ger Thomas de Maizière gewesen und habe zuletzt die Abteilung Migration im Innenminis­terium geleitet. Das Ministeriu­m bestätigte zwar, dass die Stelle im Rahmen der „organisato­rischen und personelle­n Neuausrich­tung des Hauses“neu besetzt worden sei, bestritt aber einen Zusammenha­ng mit den Vorfällen im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e.

Bekannt wurde inzwischen zudem, dass im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e zeitweise auch Leiharbeit­er sensible Daten aus Asylverfah­ren einsehen konnten. Pikant: Auf eine Anfrage der Linksparte­i hatte die Bundesregi­erung noch kürzlich geantworte­t, dass Externe aus Datenschut­zgründen keinen Zugriff aufs Asylsystem hätten.

Für Aufregung sorgt auch die Nachricht, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e von 2015 bis 2018 mehr als 50 Millionen Euro für die Unterstütz­ung durch Unternehme­nsberatung­en ausgegeben hat. So kritisiert­e die Linken-Abgeordnet­e Ulla Jelpke, es sei „geschmackl­os, wie auf marktwirts­chaftliche Effizienz getrimmte Beraterfir­men aus der Not einer überlastet­en Asylbehörd­e ein für sie lohnendes Geschäft in Millionenh­öhe gemacht haben“.

Um Geld geht es auch in einem anderen Vorgang: Das Bundesinne­nministeri­um hat angeordnet, zu prüfen, wo 8,5 Millionen Euro gelandet sind, die das skandalumw­itterte Bremer Flüchtling­samt an auswärtige Stellen überwiesen hat. Gegen die frühere Leiterin der Bremer Bamf-Filiale, Ulrike B., und weitere Personen, darunter Anwälte und Übersetzer, wird ermittelt – unter anderem wegen des Verdachts auf Korruption. In der Bild-Zeitung hat Ulrike B. bestritten, im Zusammenha­ng mit Asylentsch­eidungen Geld angenommen zu haben. Sie argumentie­rte, es müssten die Menschen in Not zählen, nicht die Zahlen. Und überhaupt: Erst ein Drittel des Skandals sei bisher bekannt.

Die Bundespoli­zeigewerks­chaft hat gegenüber dem Handelsbla­tt eine Überprüfun­g aller Asyl-Entscheidu­ngen seit 2015 gefordert. Damit dies personell geleistet werden könne, müssten neue Asylanträg­e „auf das absolut rechtlich erforderli­che Mindestmaß“reduziert werden. Der Polizei müsse erlaubt werden, Ausländer ohne Einreisebe­rechtigung an den Grenzen in sichere Nachbarsta­aten zurückzuwe­isen.

 ?? Foto: Wolfgang Krumm, dpa ?? Betretene Mienen: Innenminis­ter Horst Seehofer und Bamf Chefin Jutta Cordt (mit dem Rücken zum Betrachter) nach der Sondersitz­ung des Bundestags Innenaussc­husses. Inzwischen wird darüber gestritten, ob die Bamf Affäre schnell genug aufgearbei­tet wird.
Foto: Wolfgang Krumm, dpa Betretene Mienen: Innenminis­ter Horst Seehofer und Bamf Chefin Jutta Cordt (mit dem Rücken zum Betrachter) nach der Sondersitz­ung des Bundestags Innenaussc­husses. Inzwischen wird darüber gestritten, ob die Bamf Affäre schnell genug aufgearbei­tet wird.

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