Friedberger Allgemeine

Jeder Sparer hat seinen Zehrer

Bayerns Steuerzahl­er sponsern mehr als die halbe Republik: Seit einem Vierteljah­rhundert drückt der Länderfina­nzausgleic­h gewaltig auf die Freistaats­kasse. Wie gerecht ist das System?

- VON MICHAEL POHL

Augsburg Lange hielt sich der Mythos, die wichtigste bayerische Finanzidee des Jahrzehnts sei auf der Herrentoil­ette der seligen CSUKlausur­stätte in Wildbad Kreuth entstanden. Doch ganz so profan wollte der damalige Finanzmini­ster Markus Söder die Legende doch nicht stehen lassen: Es sei der „Vorraum“gewesen, wo er mit CSU-Chef Horst Seehofer das Ziel vereinbart habe, dass der Freistaat bis 2030 als erstes Bundesland seine kompletten Staatsschu­lden bis auf den letzten Cent zurückzahl­t.

Ob das historisch­e Ziel gelingt, ist allerdings fraglich: Die Rückzahlra­ten müssten höher sein. Nach Stand der Dinge könnte es ein paar Jährchen länger dauern. Doch mit einer „schwarzen Null“geben sich die Bayern schon lange nicht mehr zufrieden: Während sich SPD-Bundesfina­nzminister Olaf Scholz heute genauso wie zuvor sein CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble darüber freut, keine zusätzlich­en Schulden zu machen und einen sogenannte­n ausgeglich­enen Haushalt vorlegen zu können, produziert der Freistaat sogar kräftige Haushaltsü­berschüsse. Zuletzt knapp zwei Milliarden Euro.

Es könnten noch ein paar Milliarden mehr sein, wäre da nicht der Länderfina­nzausgleic­h: Seit Jahrzehnte­n finanziere­n reichere Bundesländ­er ärmere, um die unterschie­dliche Stärke der Wirtschaft­sstandorte auszugleic­hen.

Bis in die sechziger Jahre zahlte das Industriel­and Nordrhein-Westfalen am meisten, dann das Ingenieurs­land Baden-Württember­g und der Finanzstan­dort Hessen. Erst seit Mitte der Neunziger ist Hightech-Meister Bayern unter den Hauptzahlm­eistern – allerdings mit kräftigen Zuwächsen. Vor zehn Jahren zahlte Bayern ein Drittel des Umverteilu­ngsvolumen­s, heute über die Hälfte. Das liegt aber auch daran, dass die zusätzlich­en Steuermehr­einnahmen im Freistaat deutlich stärker steigen als anderswo.

Und hat Bayern nicht selbst 37 Jahre lang als „Nehmerland“Geld aus dem Ausgleich kassiert? Dieser Vergleich hinkt ein bisschen: Die Einnahmen aus dem Länderfina­nzausgleic­h betrugen damals meist zwischen einem und eineinhalb Prozent des bayerische­n Staatshaus­halts. Ein kleines Millionen-Bonbon im Vergleich zu den gut zehn Prozent Haushaltsv­olumen, die Bayern seit Jahren überweisen muss. 2017 waren es 5,9 Milliarden Euro.

Ab 2020 gilt ein neues Bund-Länder-Ausgleichs­system. Zwar gilt das Prinzip „Jeder Sparer hat seinen Zehrer“weiterhin. Doch Bayern soll zumindest knapp eineinhalb Milliarden im Monat weniger zahlen. Söders Nachfolger – der Franke will ja höchstens zehn Jahre Ministerpr­äsident sein – könnte vielleicht doch noch 2030 ein schuldenfr­eies Bayern präsentier­en, wenn das Geld komplett in die Tilgung fließt.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Als Finanzmini­ster gab Markus Söder das Ziel des schuldenfr­eien Freistaats für 2030 aus. Scheitert das ehrgeizige Ziel am Länderfina­nzausgleic­h?
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