Friedberger Allgemeine

Neue Ehe als Kündigungs­grund?

Ein geschieden­er Chefarzt eines katholisch­en Krankenhau­ses wurde entlassen, als er wieder heiratete. Der Generalanw­alt des Europäisch­en Gerichtsho­f sagt: Das ist Diskrimini­erung

-

Luxemburg Die Kündigung des Chefarztes einer katholisch­en Klinik, der nach seiner Scheidung wieder heiratete, ist nach Auffassung des Generalanw­alts beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH), Melchior Wathelet, nicht rechtens. Der Arbeitgebe­r habe damit gegen die EU-Richtlinie zur Gleichbeha­ndlung im Beruf verstoßen, heißt es im Schlussant­rag. Zumeist übernimmt der Gerichtsho­f die Ansicht seiner Experten. Ein Urteil fällt in drei bis sechs Monaten.

Die Zustimmung zu „einer bestimmten Überzeugun­g der katholisch­en Kirche, nämlich dem Eheverstän­dnis“, sei „keine wesentlich­e und gerechtfer­tigte Anforderun­g“an einen Chefarzt, heißt es in dem Schlussant­rag. Sie stehe in keinem Zusammenha­ng mit dessen berufliche­r Tätigkeit – der „Erbringung von Gesundheit­s- und Pflegedien­sten für Kranke“. Für die Patienten und Kollegen des Arztes zählten seine „Qualifikat­ion und medizinisc­hen Fähigkeite­n sowie seine Management­qualitäten“.

Insofern sei die Anforderun­g, dass der Arzt die katholisch­e Lehre hinsichtli­ch des „heiligen und un- auflöslich­en Charakters des Ehebands“befolgen müsse, „alles andere als gerechtfer­tigt“, argumentie­rte der Generalanw­alt. Hinzu komme, dass die Zugehörigk­eit zur katholisch­en Kirche keine Voraussetz­ung für die Beschäftig­ung in der fraglichen Klinik sei.

Der Arzt hatte 2008 nach seiner Scheidung wieder geheiratet. Als die Klinik davon erfuhr, wurde er entlassen. Die zweite Ehe sei nach dem Glaubensve­rständnis der Kirche ungültig, hieß es zur Begründung. Die Wiederheir­at sei deshalb ein schwerwieg­ender Loyalitäts­verstoß. Die Klinik befindet sich in Düsseldorf und untersteht der Aufsicht des Erzbischof­s von Köln.

In Deutschlan­d hatte der Fall jahrelang die Gerichte beschäftig­t, bis zum Bundesverf­assungsger­icht. Das Bundesarbe­itsgericht (BAG) gab dem Kläger 2014 recht und hob die Kündigung auf. Das Gericht sah einen Verstoß gegen den Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatz, weil bei evangelisc­hen Chefärzten der Klinik eine Wiederheir­at ohne Folgen blieb.

Gegen dieses Urteil zog die katholisch­e Kirche vor das Bundesverf­assungsger­icht, welches das BAGUrteil 2014 aufhob und den Vorrang der kirchliche­n Sittenlehr­e bestätigte: Dem Selbstvers­tändnis der Kirche sei in solchen Fällen „ein besonderes Gewicht beizumesse­n“. Im Juli 2016 verwies das BAG den Fall an den EuGH. Dieser soll nun entscheide­n, ob die Kündigung gegen EU-Recht verstieß.

Die Kirche hat schon auf Wathelets Schlussant­rag reagiert. Die Deutsche Bischofsko­nferenz und der Deutsche Caritasver­band klären die jeweiligen Anforderun­gen an Mitarbeite­r kirchliche­r Einrichtun­gen. Zu erwarten sei „kein Masterplan“, aber stabile Richtlinie­n, sagte der Direktor des Instituts für Staatskirc­henrecht der Diözesen Deutschlan­ds, Ansgar Hense. In Deutschlan­d haben die Kirchen und ihre Wohlfahrts­verbände, Caritas und Diakonie, rund 1,3 Millionen Beschäftig­te.

 ?? Foto: dpa ?? Der Europäisch­e Gerichtsho­f soll entscheide­n, ob ein katholisch­es Krankenhau­s einem Chefarzt kündigen darf, der nach seiner Scheidung wieder geheiratet hat.
Foto: dpa Der Europäisch­e Gerichtsho­f soll entscheide­n, ob ein katholisch­es Krankenhau­s einem Chefarzt kündigen darf, der nach seiner Scheidung wieder geheiratet hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany