Friedberger Allgemeine

Fällungen: Es gibt Ersatz, aber...

Auf dem Damm des Herrenbach­s hätten aus Sicherheit­sgründen nie größere Bäume stehen dürfen. Wie sie trotzdem dorthin kamen, warum sie nun wegmüssen und wie die Zukunft der Grünanlage aussehen kann

- VON NICOLE PRESTLE

Diese Woche wurden am Herrenbach mehrere Bäume gefällt, im Herbst und im Lauf des nächsten Jahres sollen über 60 weitere folgen. Die Stadt führt den Hochwasser­schutz als Argument an, viele Anwohner sind strikt gegen die Maßnahme. Die Fakten im Überblick:

Warum werden diese Bäume gefällt? Sind sie krank?

Nein, die Bäume sind laut Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) „gesund und vital“. Dennoch könnten sie bei starkem Sturm umfallen und mit ihren Wurzeltell­ern ein Loch in den Damm reißen. Das Wasser aus dem Herrenbach – die Stadt spricht von 30 000 Kubikmeter­n – würde ins angrenzend­e Wohngebiet fließen. Können die Schütze, die den Wasserflus­s vom Lech in den Herrenbach regeln, nicht rechtzeiti­g geschlosse­n werden, wäre die Wassermeng­e laut Auskunft des Wasserwirt­schaftsamt­es Donauwörth noch wesentlich größer. Der Herrenbach führt laut Stadt 20 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, er ist einer der wasserreic­hsten Kanäle der Stadt. Der Lech führt aktuell 120 Kubikmeter pro Sekunde.

Welche Gebiete wären von einer Überschwem­mung betroffen?

Der Wasserspie­gel des Herrenbach­s liegt im Bereich zwischen Friedberge­rund Reichenber­ger Straße etwa 1,50 Meter über dem Gelände des angrenzend­en Wohngebiet­s. Bei einem Hochwasser wären diese Häuser und die benachbart­e Kleingarte­nanlage stark gefährdet. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat eine Internetse­ite eingericht­et, auf der zu sehen ist, wohin sich Hochwasser in Augsburg verbreiten würden. Abrufbar ist diese Informatio­n unter www.lfu.bayern.de/wasser. Von dort weiterklic­ken zu „Überschwem­mungsgefäh­rdete Gebiete“und dann den Kartendien­st starten.

Die Standsiche­rheit der Bäume am Herrenbach ist laut Stadt bis Wind stärke 8 gesichert. Wie oft haben wir so starken Wind?

Von Windstärke 8 spricht man ab einer Windgeschw­indigkeit von 63 Stundenkil­ometern. Wetter-Experte Klaus Hager hat die Statistik bemüht. Er sagt, dass es in der Region Augsburg pro Jahr durchschni­ttlich 18 Tage mit solch starken Winden gibt. „Es gab Jahre mit nur fünf, aber auch Jahre mit 31 solchen Ta- gen.“Auch höhere Windgeschw­indigkeite­n kommen in der Region zwischendu­rch vor. Hager erinnert an den Tornado in Aindling im Jahr 2015.

Für viele Bürger ist der Herrenbach ein Naturidyll. Warum müssen die Bäume ausgerechn­et jetzt weg?

Die Stadt hat laut Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) bereits 2011 Bäume am Herrenbach gefällt. Das Wasserwirt­schaftsamt sagt, den Verantwort­lichen in Augsburg sei spätestens seit dieser Zeit bekannt, dass die Bäume auf dem Damm laut einer Vorschrift aus dem Jahr 1997 nicht stehen dürften. Dennoch wurden stets nur einzelne Bäume entfernt. Mit dieser Vorgehensw­eise komme man nun laut Erben nicht mehr weiter. Über Pfingsten habe die Stadt noch versucht, den Herrenbach im Fall eines Sturms schnellstm­öglich abzulassen, um im Ernstfall eine Überschwem­mung vermeiden zu können. Doch der Prozess dauerte zu lange, um die Sicherheit der Anwohner zu garantiere­n. Deshalb habe man nun sehr schnell beschlosse­n, alle Bäume zu roden, die unmit- telbar auf oder direkt an der Mauerkrone stehen.

Wer hat die Bäume am Damm über haupt gepflanzt?

Rund um den Herrenbach gab es früher vor allem Gärtnereie­n. Damals floss der Herrenbach in einem holzversch­alten Bett. Die größeren Wohnanlage­n entstanden in dieser Gegend erst in den 60er Jahren. 1967 wurde auch die etwas stabilere Betonwanne gebaut, in der der Herrenbach bis heute fließt. Sie ist allerdings nicht ausreichen­d mit Stahl verbaut, so dass die Standfesti­gkeit zu wünschen übrig lässt. Laut Wasserwirt­schaftsamt gab es zur Zeit dieses Umbaus keine großen Bäume am Damm. Sie wurden ziemlich sicher auch nicht gepflanzt, sie säten sich selbst dort aus. Über viele Jahre habe man sie gewähren lassen, anstatt den Damm so zu pflegen, wie es für ein solches Wasserbauw­erk nötig ist, hört man aus dem Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth. Auch Reiner Erben gab bei der Bürgervers­ammlung am Montag zu, dass hier über Jahrzehnte etwas versäumt worden sei. Hat die Stadt Augsburg Alternativ­en geprüft, die die Fällungen vermeiden könnten?

Umweltrefe­rent Erben sagt, man habe ein Jahr lang mehrere Optionen durchgespi­elt. Könnte man den Kanal tiefer legen? Nein, weil dazu die Bodenwanne zerstört werden müsste, die Seitenwänd­e den Damm aber nicht halten. Könnte man Spundwände einziehen? Laut Wasserwirt­schaftsamt ja. Doch das dazu notwendige schwere Gerät in dieses enge Gebiet zu bringen, würde bedeuten, dass ebenfalls fast alle Bäume fallen müssten. Könnte man die Bäume untereinan­der vertäuen? Ja, aber der Schutz wäre gering, da laut Baureferen­t Merkle ein fallender Baum womöglich mehrere andere umreißen würde. Könnte man den Wasserspie­gel im Herrenbach dauerhaft senken? Ja, die Stadt bekäme dann aber wohl Schwierigk­eiten mit großen Firmen wie MAN und UPM, die ihr Wasser aus den Stadtbäche­n beziehen. Zudem sind Wasserkraf­twerke auf eine bestimmte Wassermeng­e angewiesen.

Warum hat die Stadtverwa­ltung die Fällung beschlosse­n, ohne den Stadt rat einzubezie­hen?

Laut Reiner Erben geht es um die Frage, wer in einem Schadensfa­ll durch Hochwasser die Verantwort­ung übernimmt. Das Wasserwirt­schaftsamt hat diese Aufgabe in der Pfingstwoc­he noch einmal klar von sich gewiesen und verweist auf die Warnung, die bereits vor Jahren an die Stadt herausging. Auch der Stadtrat könne in diesem Fall keine Verantwort­ung übernehmen. „Das ist Sache der Verwaltung“, so Erben.

Werden die Wurzelstöc­ke der gefäll ten Bäume entfernt?

Ja, das ist nötig, weil sie sonst verrotten und damit wiederum die Stabilität des Damms gefährden würden. Binnen einiger Jahre werden die Wurzelstöc­ke ausgefräst, der Hohlraum verfüllt.

Gibt es Ersatzpfla­nzungen für die ge fällten Bäume?

Ja. Die Stadt will 357 neue Bäume pflanzen. Sie sollen einen Stammdurch­messer von 25 bis 30 Zentimeter­n haben und sechs bis sieben Meter hoch sein. Der bestehende Baumbestan­d in der Anlage ist etwa 18 bis 20 Meter hoch. So hohe Bäume neu zu pflanzen, mache keinen Sinn. Sie würden nicht anwachsen.

Wo werden diese Bäume stehen?

Im Herrenbach und im Textilvier­tel könnten laut Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) rund 100 Bäume Platz finden. Der restliche Ersatz muss in anderen Teilen der Stadt gepflanzt werden. Es gibt Bürger, die bereits angeboten haben, in ihren Gärten Platz für Ausgleichs­pflanzunge­n zu schaffen. Bislang sei es jedoch noch nicht zu Gesprächen mit der Stadt gekommen.

Was bedeutet das für die Grünanlage am Herrenbach?

In einem Schreiben an die Anwohner betont die Stadt, die Anlage am Herrenbach soll nach den Fällungen „so schön wie früher“werden. Es gibt aber Kritik aus der Bevölkerun­g. Man befürchtet, dass es künftig Liegewiese­n geben soll, die man nicht wolle. Die Stadt sagt, sie will die Bürger in eine Neugestalt­ung einbeziehe­n. Es wird Workshops geben, um das Areal attraktiv zu gestalten. Bäume werden am Damm nicht mehr gepflanzt. Die Stadt Augsburg will sich nicht länger über die Normen hinwegsetz­en, die im Wasserwirt­schaftsamt für die Bepflanzun­g von Dämmen gelten.

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Foto: Michael Hochgemuth Gut 20 Bäume wurden am Dienstag und Mittwoch am Herrenbach bereits gefällt. Am Freitag und voraussich­tlich auch noch am Montag sollen die Arbeiten weitergehe­n.

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