Ohne Stress und ohne Kleider
Kissinger Sportbund lädt zum Tag der offenen Tür ein – ausnahmsweise angezogen
Kissing Wer das 76 000 Quadratmeter große Vereinsgelände des Sportbundes Helios im Kissinger Landschaftsschutzgebiet betritt, der legt nicht nur seinen Alltagsstress ab, sondern auch die Kleider. Denn die Mitglieder genießen ihre Freizeit am liebsten ohne Textilien, sofern das Wetter warm genug ist. Ausnahmsweise angezogen bleiben sie am Samstag, 16. Juni, denn von 13 bis 17 Uhr lädt der Verein zum Tag der offenen Tür ein.
Interessierte Gäste können sich an diesem Nachmittag vom vielseitigen Angebot hinter dem Sichtschutz überzeugen und über die Geschichte von „Helios“(griechisch = Sonne) informieren. „Wir wollen mit unserer Nacktheit niemanden provozieren“, betont der neue Vorsitzende Ralf Grosschadl. Man müsse sich aber auch nicht dafür schämen, zumal schon in der Fernsehunterhaltung bei Shows wie „Naked Attraction“alle Hüllen fallen. Die zweite Vorsitzende Hanni Kretschmer ist schon seit Jahrzehnten in Kissing mit dabei und genießt Sommerfeste, Sportturniere und „das gute Gefühl, dass ich hier ohne dummes G’schau und Gerede textilfrei sonnenbaden kann.“
Unabhängig von Alter, Hautfarbe, Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Identität sei jeder im Verein willkommen, betont Grosschadl. Den Begriff FKK verwendet er nicht gern, weil darunter mittlerweile auch viele zweideutige Angebote gerade im Internet laufen. „Uns geht es um Spiel, Spaß und Sport und darum, zu zeigen, dass sich hinter dem Sichtschutz nichts Anstößiges oder Schmuddliges verbirgt.“
Die festen Stellplätze für Campingwagen sind alle vergeben. Dazu gibt es Gästeplätze für Durchreisende und Besucher. Ein von Grundwasser gespeister, natürlicher Badeteich bietet auch an sehr heißen Tagen eine Erfrischung und zum Auen- und Weitmannsee sind es jeweils nur rund 500 Meter. Auf dem weitläufigen Freizeitgelände gibt es ein gemütliches Vereinsheim, Sportanlagen für Volleyball, Fußball, Badminton und Bouleplätze sowie einen schönen Kinderspielplatz.
Schon seit vielen Jahren zelebriert der Sportbund einen textilfreien Lebensstil und die Philosophie des Vereins. So versuche man bei Helios den Sport, das Familienleben, die Generationen und die Natur miteinander zu verbinden. „Ohne Zwang“, so der Vorsitzende, „hier können Kinder die Natur kennenund schätzen lernen, zum Beispiel einen Rehbock, Eisvogel und verschiedene Spechtarten sehen.“
Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich vor allem in den Lechauen von Schwabstadl bis Meitingen mehrere kleine Naturisten-Gruppen gegründet. Eine davon rief am 10. Mai 1922 den „Bund der Lichtfreunde“ins Leben. „Das war die Geburtsstunde unseres Vereins“, berichtet Grosschadl. 1930 schloss man sich mit einer weiteren FKKGruppe zusammen und etablierte sich im Jahr 1931 fest in den Kissinger Lechauen westlich des sogenannten verlorenen Baches; am 15. März 1932 gründeten zwölf Personen dann die Arbeitsgemeinschaft Augsburg der Liga für freie Lebensgestaltung.
Nach Verbindung mit einer weiteren Gruppe wurde am 22. Februar 1941 von 15 Mitgliedern die Gemeinschaft Augsburg des Bundes für Leibeszucht aus der Taufe gehoben. Ende 1950 wurde der Verein an den Deutschen Verband für Freikörperkultur angeschlossen. Kretschmer: „Am 26. April 1961 wurden wir umbenannt und im Vereinsregister unter dem Namen Sportbund Helios Augsburg eingetragen.“
Ein enormer Aufschwung setzte ein: Sportarten wie Faust-, Volleyund Federball, Tischtennis, Indiaca, Schwimmen oder Gymnastik brachten Bewegung in den Verein und bescherten ihm zahlreiche Titel bei Kreis-, Landes- und deutschen Meisterschaften.
Davon zeugen heute zahlreiche Pokale im gemütlichen Vereinsheim, das die Besucher beim Tag der offenen Tür am 16. Juni ebenso wie alle übrigen Einrichtungen besichtigen können.