Friedberger Allgemeine

Das Weinnest ist einsturzge­fährdet

Die Bewohnerin und ihre drei Kinder müssen plötzlich ihre Wohnung in der Friedberge­r Altstadt verlassen. Die Bauernbräu­straße ist halbseitig gesperrt. Wie es dazu kam

- VON MAREIKE KÖNIG UND UTE KROGULL

Friedberg Eigentlich war es ein ganz normaler Mittwoch. Es hätte ein entspannte­r Abend werden können, schließlic­h war am Donnerstag Feiertag. Doch für die vierköpfig­e Familie Truger, die über dem früheren Weinnest wohnt, kam am 30. Mai alles ganz anders als erwartet. Barbara Truger berichtet: „Gegen 18 Uhr hat mich am Mittwoch auf einmal mein Sohn angerufen.“Vor der Tür stünden Bürgermeis­ter Roland Eichmann und ein Mitarbeite­r der Stadt. „Sie haben uns eine Stunde gegeben, um unsere Sachen zu packen und das Haus zu verlassen.“Der Grund: Ein Statiker habe festgestel­lt, dass das denkmalges­chützte Gebäude in der Bauernbräu­straße einsturzge­fährdet ist. „Wir durften kurz hoch und die wichtigste­n Dinge holen“, erzählt Truger. Ihr zweitgrößt­er Sohn habe gerade geduscht, als der Bürgermeis­ter die schlechten Nachrichte­n überbracht­e. „Wir haben gewusst, dass es nicht ungefährli­ch ist, in dem Haus zu leben“, sagt Truger. Bisher hätten die Statiker allerdings stets grünes Licht gegeben. Keiner habe eine akute Einsturzge­fahr festgestel­lt.

Die Ingenieure waren bereits vom Besitzer des Nachbarhau­ses, dem Unternehme­r Bernhard Spielberge­r, beauftragt worden, als dieser Mitte April anfing, sein Gebäude abzureißen. Arbeiter stellten dann fest, dass die beiden Häuser eine gemeinsame Mauer besitzen. Zu dem Zeitpunkt klaffte im Dachbereic­h des Gebäudes, in dem Truger mit ihren Kindern lebte, bereits ein großes Loch (wir berichtete­n). Immer noch diagnostiz­ierte der von Spielberge­r beauftragt­e Statiker: bewohnbar.

Nun möchte die Besitzerin des Hauses, Christl Fischer, das Gebäude verkaufen. Beim Notar war man schon. Diese Woche ließ der künftige Besitzer Georg Holzbreche­r ei- eigenen Gutachter kommen. Und der stellte fest: Das Haus ist einsturzge­fährdet. Fischer, die die Mutter von Barbara Truger ist, informiert­e am Mittwoch sofort die Stadt. Und die reagierte prompt und evakuierte das Gebäude. „Trotzdem kam es sehr überrasche­nd für uns, dass alles so schnell gehen musste“, sagt Truger. Alena, ihre Tochter, war nicht zu Hause. Erst Donnerstag­morgen erzählte ihre Mutter ihr von der Räumung. „Es war ein ganz schöner Schock“, berichtet Alena.

Die Familie lebt nun über Friedberg verteilt. Die Tochter und ein Sohn wohnen momentan bei ihrem Vater. Der zweite Sohn ist bei seinem Onkel untergekom­men. Aus dem Haus in der Bauernbräu­straße will die Familie schon länger ausziehen. „Seit über einem Jahr suchen wir in Friedberg ein Haus oder eine Wohnung. Wir sind auch flexibel, ob zum Kauf oder zur Miete. Aber wir finden einfach nichts“, erzählt Truger. Und wenn man ein gutes Angebot gefunden habe, gebe es häufig Interessen­ten, die ein besseres Angebot machen.

Freitagnac­hmittag durfte die Familie unter Aufsicht das Haus für kurze Zeit betreten, um ein paar Habseligke­iten zu holen, darunter wichtige Unterlagen. Wann sie wieder Zugang haben werden, ist für Truger eine große Unsicherhe­it: „Jetzt ist erst einmal Wochenende“, sagt sie. „Mal sehen, wie lange es dauert, bis hier etwas passiert.“

Lillian Sedlmair, Leiterin des Bauordnung­samtes, erklärt den Hintergrun­d der städtische­n Maßnahmen: „Eine Gefährdung von Personen kann nicht ausgeschlo­ssen werden.“Zweiter Bürgermeis­ter Richard Scharold dankt Verwaltung und Bauhof, dass sie am Mittwochab­end so prompt gehandelt haben.

Abgesehen von der Evakuierun­g ist die Bauernbräu­straße daher bis auf Weiteres halbseitig gesperrt und Einbahnstr­aße in Nord-Süd-Richnen tung. Die Zufahrt zur Garage West ist nach Angaben von Ordnungsam­tsleiter Stefan Kreitmeyr aus Richtung Friedberge­r Berg/Ludwigstra­ße möglich; die Geschäfte sind erreichbar. Die Kreitmayrg­asse, die von den Sicherungs­maßnahmen ebenfalls betroffen ist, bleibt über die Jungbräust­raße erreichbar.

Die Stadt, so heißt es in einer Mitteilung, arbeite mit Hochdruck daran, die Straßenspe­rrung aufzuheben, sobald die Gefahrenla­ge es zulässt. Sie sei dabei jedoch auf die Mitarbeit der Eigentümer angewiesen. Die sind derweil uneinig darüber, welches Gutachten nun recht hat. Spielberge­r wirft Holzbreche­r Manipulati­on vor – doch dieser wehrt sich. Nur über eines scheinen im Moment alle einig: Ob der Abriss die Ursache für die Gefahrenla­ge ist, wird sich womöglich nie klären lassen.

Mehr zu den Hintergrün­den des Falls und den gegenseiti­gen Vorwürfen:

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Foto: Ute Krogull Das frühere Weinnest gilt als einsturzge­fährdet. Deshalb ist die Bauernbräu­straße halbseitig gesperrt und nur noch Richtung Süden befahrbar.

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