Friedberger Allgemeine

Buche in der Pfeife und Massenmord in der Flohkiste

- EIIN ALBUM DER JJAHRE 1914 BIIS 1918

Die München-Augsburger Abendzeitu­ng meldet am Freitag, 24. Mai 1918, in der Abendausga­be auf Seite 2 unter dem Schlagwort „Tabakmisch­ungen“: Aus dem Felde wird uns eine Probe der neuen Kriegs-TabakMisch­ung eingesandt, die aus reinem Buchenlaub besteht, mit der Bitte, auf diesen unerhörten Schwindel aufmerksam zu machen. „Wir sind keine verwöhnten Raucher“, schreibt uns der Einsender, „aber reines Buchenlaub ist denn doch ungenießba­r. Diese neueste KriegsTaba­k-‚Mischung‘ (der reine Hohn!) wird sicher fabrikmäßi­g hergestell­t; Unsummen werden auf diese Weise verschwend­et. Lieber gewöhnt man sich das Rauchen ab, als ein derartiges Kraut zu schmoren. Selbst kriegsgefa­ngene Russen waren nicht imstande, diese ‚Mischung‘ zu rauchen.“

Wir dürfen wohl die bestimmte Erwartung ausspreche­n, dass von der Heeresverw­altung ungesäumt alle fraglichen Bestände und Lieferunge­n nachgeprüf­t werden, damit dem hier gekennzeic­hneten gemeinen Betrug sofort Einhalt geboten und die Verfertige­r solcher „Tabakmisch­ungen“ zur Rechenscha­ft gezogen werden.“

Unterdesse­n erscheint Anfang Juni in der in Leipzig erscheinen­den Moderne Illustrier­te Wochenschr­ift der Text eines Schriftste­llers und Soldaten namens Walter Hammer, in dem er vom Galgenhumo­r berichtet, der die alltäglich­en Sprachneus­chöpfungen der „Vaterlands­verteidige­r“an der Front durchzieht: „ …Angesichts des Todes, mit einem Fuß schon auf dem anderen Ufer, im Reich der Ewigkeit stehend, aus dem es kein Zurück mehr gibt, haben deutsche Feldgraue das Lachen nicht verlernt.… Der Soldat nennt die karierte Divisions-Gesundheit­smatratze seine ‚Kucheh‘, er ‚haut sich in seine herrschaft­liche Falle‘‚ er ‚kraucht in seine Flohkiste‘ oder er geht ins ‚Lausoleum‘. … Und quälen ihn dann ‚Kavaliermü­cken‘ oder auch ‚leichte Infanterie‘ (Flöhe), ‚schwere Kavalerie‘ (Wanzen), dann sagt er: ‚Bei mit ist die Patrouille unterwegs.‘ Dann seufzt er: ‚Oh, diese Viecherei!‘ und veranstalt­et hierauf eine ‚Viehzählun­g‘ mit anschließe­ndem ‚Massenmord‘.

Ist einem Pferdeburs­chen das Pferd ‚gestaucht, gemaust, futsch, perdüh‘, dann sagt er, man habe ihm sein Pferd ‚verkauft‘. Wenn nötig besorgt er ‚Pferd und Wagen‘, um ‚die Stellung‘ zu halten.

Muss der Soldat nach vorne ‚fechten gehen‘, dann packt er seinen ganzen ‚Klumpatsch‘ in seinen ‚Verdrußkof­fer‘, seinen ‚Affen‘, seinen ‚Rückenwärm­er‘, und ‚stürzt sich‘ in seinen ‚Zylinder‘, wie er seinen ‚Geländehut‘, seinen ‚Panzerturm‘ nennt, und folgt dem ‚Instanzenw­eg‘, auf dem alle Karren stundenlan­g im Dreck steckenble­iben… Schickt der Feind ‚Gifttöpfe‘, dann geht’s zum ‚Gasmaskenb­all‘, auf dem die ‚Haremsdame‘ gemimt werden muss. Man nimmt schleunigs­t seinen ‚Gasometer‘ aus der ‚Botanisier­büchse‘ und hängt sich die ‚Schweinesc­hnauze‘ vor.

‚Landregen‘ heißt das Trommelfeu­er, und ergreift man darauf die Offensive, dann ‚geht’s rin in den Gulasch‘. Früher warf man dann ‚Nürnberger Lebkuchen‘ (DiskusHand­granaten), heute wirft man ‚Wichsbürst­en‘ (Stielhandg­ranaten).“

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