Bei Hessing rumort es
Im Orthopädie-Krankenhaus in Göggingen läuft seit eineinhalb Jahren ein Restrukturierungs-Programm, nachdem in der Vergangenheit rote Zahlen geschrieben wurden. Das sorgt für Unruhe beim Personal
In der Hessing-Klinik in Göggingen sorgt der Umstrukturierungskurs, den das Krankenhaus seit eineinhalb Jahren eingeschlagen hat, bei Teilen des Personals für Unruhe. Mehrere Mitarbeiter berichteten unserer Zeitung, dass Druck und Arbeitsverdichtung zuletzt zugenommen hätten, wenn auch je nach Abteilung in unterschiedlicher Intensität.
Bei der Behandlung von Patienten spielten wirtschaftliche Gesichtspunkte eine immer größere Rolle, klagt ein Arzt. Unter anderem sei die obligatorische Anwesenheit von Physiotherapeuten bei der täglichen Visite gestrichen worden. Das Krankenhaus bestätigt, dass dies im Rahmen einer Neuorganisation zunächst so umgesetzt wurde, später aber wieder rückgängig gemacht wurde. Inzwischen gebe es regelmäßige Fallbesprechungen und mindestens zweimal die Woche die Teilnahme eines Physiotherapeuten an der Visite. Die Klinik-Direktion verweist darauf, dass der Kostendruck im Gesundheitswesen grundsätzlich steige. Nach wie vor stehe aber das Wohl der Patienten im Mittelpunkt, so Klinik-Sprecherin Sabrina Kieback.
Dass sich bei Hessing Dinge verändern würden, war eigentlich klar, als Direktor Markus Funk im Jahr 2016 kam. Funk war vorher Chef von kommunalen Krankenhäusern und von Häusern des Helios-Konzerns. Hessing begann in den Jahren vor Funks Antritt damit, jährliche Defizite im einstelligen Millionenbereich zu erwirtschaften, die langfristig das Stiftungsvermögen angegriffen hätten. Die Stadt Augsburg, die die hinter Hessing stehende Stif- verwaltet, holte Funk mit dem Auftrag, das Haus wirtschaftlich neu aufzustellen.
Funk selbst stand auf Anfrage für ein Gespräch nicht zur Verfügung. In einer umfangreichen schriftlichen Erklärung heißt es, dass sich die wirtschaftliche Lage des Hauses stabilisiert habe. Es bleibe der Klinik angesichts des steigenden Kostendrucks im Gesundheitswesen und der sich ändernden Rahmenbedingungen gar nichts anderes übrig, als Veränderungsprozesse einzuleiten. Dies geschehe aber in Absprache und unter Mitwirkung des Personals. Es gehe nicht darum, Ideen am „grünen Tisch“zu entwerfen und sie dann durchzusetzen, heißt es in der Stellungnahme. Für Patienten ergäben sich kürzere Wartezeiten und bessere Abläufe.
Wie die Veränderungen aussehen und welche Auswirkungen sie ha- darüber gibt es freilich unterschiedliche Sichtweisen. Seit Funk da sei, werde etwa genauer auf die Liegedauer von Patienten geschaut, so ein weiterer Mediziner. „Die sollen schneller wieder raus.“Auch bei anderen Punkten sei spürbar, dass es einen Kulturwandel im Haus gegeben habe.
Hessing erklärt, dass sich die Liegezeit von Patienten in den vergangenen Jahren von 6,11 Tagen im Jahr 2014 auf 5,82 im Jahr 2017 verringert habe. Dies habe aber keine finanziellen Gründe. Deutschlandweit sei die Liegedauer durch schonendere Operationsmethoden und den Ansatz, Patienten frühzeitig zu mobilisieren, nach unten gegangen. Dies treffe auch auf Hessing zu.
In der Chefarztriege des Hauses gab es zuletzt allerdings ziemliche Umwälzungen. Im Bereich Anästhesie/Intensivmedizin wird demtung nächst ein neuer Chefarzt vorgestellt, nachdem die beiden bisherigen Chefs laut Hessing weniger Zeit mit Administration und mehr Zeit mit der Behandlung verbringen wollen. Vor dem Arbeitsgericht anhängig ist eine Klage des früheren Chefarzts für Fuß- und Sprunggelenkschirurgie, Dr. Hazibullah Waizy. Waizys Bereich wird aufgrund einer Neustrukturierung inzwischen von einem anderen Chefarzt geführt, auch wenn Waizy weiterhin medizinisch verantwortlich ist.
Im Vorfeld der Änderungskündigung durch Hessing habe es zwischen Funk und Waizy „erhebliche Differenzen, betreffend die organisatorische und strukturelle Gestaltung der Abteilung“gegeben, so Waizys Anwalt Norbert Müller.
Bereits vor einem knappen Jahr hatte die Chefärztin für Geriatrische Rehabilitation nach nur vier Monaben, ten das Haus wieder verlassen. Gegangen ist auch der Leiter der Orthopädiewerkstatt, der mehr als 20 Jahre bei Hessing war. Sein Weggang wurde auch bei vielen Mitarbeitern mit Überraschung registriert. Er wollte sich unserer Zeitung gegenüber nicht äußern. Hessing erklärt, dass man den Weggang bedauere. Der Mitarbeiter habe sich mit Anfang 40 noch einmal beruflich verändern wollen und den Gang in die Selbstständigkeit angekündigt. Auch hier ist ein Nachfolger gefunden.
Insgesamt, betont Hessing, liege die Fluktuation bei den Mitarbeitern seit Jahren zwischen 5,5 und 5,8 Prozent pro Jahr. Dies sei im Gesundheitswesen ein sehr guter Wert. Die Zahl der Mitarbeiter bei den Einrichtungen der Stiftung liegt laut Hessing seit Jahren stabil bei knapp 1100.