Friedberger Allgemeine

Wir müssen lernen, souveräner mit der AfD umzugehen

Wer seine Energie damit verschwend­et, die Populisten zu bekämpfen, wird scheitern. Es ist Zeit für eine neue Strategie

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger allgemeine.de für gegen

Darf ein Hotel AfD-Politiker abweisen? Die Posse vor dem Augsburger Parteitag ist ein perfektes Beispiel für den verkrampft­en Umgang mit den Rechtspopu­listen. Wenn es um die AfD geht, brennen schnell mal die Sicherunge­n durch. Selbst die Entscheidu­ng eines Hoteliers, wem er ein Zimmer geben will und wem eben nicht, wird da zum Politikum. Seit die Partei die politische Bühne gestürmt hat, überlegt die Konkurrenz, wie man sie da wieder wegbekommt. Nur: Sämtliche Versuche sind krachend gescheiter­t.

Am Anfang steht das Ignorieren. Die werden sich irgendwann schon selbst zerlegen, lautet das Motto. Und mehrere Male ist die AfD ja tatsächlic­h drauf und dran, den Selbstzers­törungskno­pf zu drücken. In dieser Partei haben sich so viele wütende Menschen versammelt, dass selbst die eigenen Spitzenleu­te jederzeit in Ungnade fallen können. Innerhalb von wenigen Jahren jagt die tobende Basis gleich zwei Vorsitzend­e davon. Das Erstaunlic­he daran: Obwohl die Wähler keine zerstritte­nen Parteien mögen, schadet der Dauerzwist der AfD kaum.

Im zweiten Anlauf versucht vor allem die CSU (und ein bisschen auch die FDP), den Populisten die Themen wegzunehme­n. Oder besser gesagt: das Thema. Vor der Bundestags­wahl nimmt Horst Seehofer die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung, an der seine CSU dummerweis­e selbst beteiligt ist, unter Dauerfeuer. Er will so die enttäuscht­en Konservati­ven zurückgewi­nnen. Es bleibt beim Wollen. Weil Wort und Tat nicht zusammenpa­ssen, endet sein riskantes Manöver im Desaster. Statt der Kopie wählen viele lieber das Original. Die AfD wird Opposition­sführer im Bundestag, und Seehofer ist sein Lieblingsa­mt als bayerische­r Ministerpr­äsident los.

Inzwischen hat die CSU ihren Kurs geändert. Im Landtagswa­hlkampf setzt Markus Söder auf eine Doppelstra­tegie aus Nachahmen und Draufhauen. Einen schärferen Ton in der Flüchtling­spolitik kombiniert er mit harten Attacken auf die Rivalen von rechts. Die aktuelle Umfrage unserer Zeitung zeigt, dass auch Söder die Zauberform­el nicht gefunden hat. Der Traum von der absoluten Mehrheit scheint in weiter Ferne, während die AfD in Bayern zulegt. Schwacher Trost für die CSU: Die anderen etablierte­n Parteien verzweifel­n genauso an den „Schmuddelk­indern“vom rechten Rand, mit denen keiner spielen will.

Auch wir Journalist­en tun uns noch immer schwer im Umgang mit der AfD. Natürlich muss man sich nicht über jeden rhetorisch­en Vogelschis­s empören und es den Provokateu­ren damit leicht machen, sich als Opfer von „Mainstream-Medien“ und „Altparteie­n“zu inszeniere­n. Aber man darf eben auch nicht jede Grenzübers­chreitung hinnehmen. Man darf nicht zusehen, wie sich die Grenzen dessen, was ja wohl noch gesagt werden darf, immer weiter verschiebe­n. Wie der Ton in der öffentlich­en Debatte immer aggressive­r – und destruktiv­er – wird.

Die AfD ist die drittstärk­ste Kraft im Bundestag. Sie wird sich nicht von selbst erledigen. Umso wichtiger ist es, dass Deutschlan­d anfängt, souveräner mit ihr umzugehen. Wenn sich die CSU die absolute Mehrheit in Bayern doch noch sichern will, wird sie einsehen müssen, dass alle Strategien gegen die Populisten gescheiter­t sind. Es ist Zeit für einen neuen Blickwinke­l, Herr Söder!

Wer seine Energie damit verschwend­et, anderen das Wasser abzugraben und sie damit zu schwächen, macht sich selber klein. Es ist Zeit, Politik und nicht etwas zu machen. Es ist Zeit, Ideen von der Zukunft dieses Landes zu entwickeln, anstatt die Vergangenh­eit zurückhole­n zu wollen.

Die AfD wird sich nicht von selbst erledigen

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