Friedberger Allgemeine

Betrunkene Polizisten attackiere­n Flüchtling

Beamte haben bei einem Ausflug nach Augsburg am Königsplat­z einen Asylbewerb­er beleidigt und angegriffe­n. Einem der Angeklagte­n aus Baden-Württember­g droht jetzt das Gefängnis

- VON KLAUS UTZNI Symbolfoto: Silvio Wyszengrad *Name geändert

Ibrahim A.* 25, ein dunkelhäut­iger Flüchtling aus dem Senegal, saß an jenem späten Abend des 21. September 2016 still vor einem Becher Tee im Imbissrest­aurant McDonalds am Königsplat­z. Da kam eine Gruppe von fünf Männern und einer Frau an seinen Tisch. Einige, sichtlich alkoholisi­ert, setzten sich ungefragt zu ihm, unterhielt­en sich laut. Weil der Afrikaner für den Rest der Gruppe nicht Platz machte, kam es zum Streit. Ein 43-Jähriger aus der Gruppe drückte dem Flüchtling einen angebissen­en „Hamburger“ins Gesicht und rief „Black man, go home“– übersetzt: „Geh nach Hause, schwarzer Mann.“Wenig später wurde der 25-Jährige vor dem Lokal weiter attackiert. Die Szenen, die eher an eine Attacke rassistisc­her Hooligans erinnern, sorgten beim Eintreffen der Polizei für eine äußerst unangenehm­e Überraschu­ng: Bei der Gruppe handelte es sich um Polizeikol­legen aus Giengen an der Brenz in Baden-Württember­g.

Die B-Schicht der Inspektion befand sich auf einer sogenannte­n „Gemeinscha­ftsveranst­altung“, also einem feucht-fröhlichem Ausflug, in der Fuggerstad­t. Für zwei der Beamten hat die Attacke auf den Flüchtling nun schwerwieg­ende Folgen: Strafricht­er Baptist Michale verurteilt­e den Haupttäter, 43, einen Polizeiobe­rkommissar, wegen Beleidigun­g und mehrerer Körperverl­etzungsdel­ikte zu einer Gefängniss­trafe von 14 Monaten – ohne Bewährung. Wird der Schuldspru­ch rechtskräf­tig, wird der Polizist automatisc­h aus dem Beamtenver­hältnis entfernt. Ein zweiter Ordnungshü­ter, 40, muss wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung und Beleidigun­g eine Geldstrafe von 14.400 Euro (240 Tagessätze zu je 60 Euro) bezahlen und wäre damit auch vorbestraf­t. Gegen beide Polizisten laufen außerdem dienstrech­tliche Disziplina­rmaßnahmen.

Der Prozess war bereits im November 2017 angesetzt. Der „Kronzeuge“der Anklage, der Flüchtling, fehlte allerdings. Auch bei der Neuauflage des Verfahrens. Der in Kissing untergebra­chte Senegalese ist spurlos verschwund­en – angeblich aus Angst, gegen Polizisten aussagen zu müssen. Seine Aussage vor der Augsburger Kripo nach dem Vorfall wurde nun im Prozess verlesen. Der jetzt zu einer Haftstrafe verurteilt­e Beamte hatte sich später bei Ibrahim A. schriftlic­h entschuldi­gt und ihm eine „Ausgleichs­zahlung“von 250 Euro angeboten. Der Senegalese akzeptiert­e die Entschuldi­gung, ließ das Geld aber für den Asylkreis Kissing der Caritas überweisen.

Der Polizeiobe­rkommissar räumte die von Staatsanwä­ltin Yvonne Möller vorgetrage­nen Vorwürfe nur zum Teil ein. Man habe bei dem Schichtaus­flug schon im Zug Bier getrunken, später eine Brauerei besucht und dann noch einige Bars. „Es floss viel Alkohol, es herrschte ausgelasse­ne Stimmung“. Vor dem Gang ins Hotel habe man noch im McDonalds etwas essen wollen. Weil Kollegen noch keinen Sitzplatz hatten, habe er zu dem Senegalese­n gesagt: „Du, bist du gleich fertig?“Der habe aber kein Deutsch verstanden, habe nur verdutzt geguckt. Irgendetwa­s müsse der dann missversta­nden haben, sei aufgesprun­gen, habe sich vor ihm aufgebaut. Ja, dann habe er ihm einen angebissen­en Hamburger an die Schläfe gedrückt. „Es war ein Aussetzer, ich schäme mich für diese Aktion“.

Das weitere Geschehen allerdings blieb umstritten. Wie Richter Michale im Urteil letztlich feststellt­e, sei der Oberkommis­sar dem Flüchtling dann nach draußen gefolgt, habe mit dem Restaurant­tablett gezielt in Richtung des Kopfes des 25-Jährigen geschlagen, der jedoch abwehren konnte. Als ein Kollege einschritt und den Flüchtling offenbar wegziehen wollte, habe der 43-Jährige dem wehrlosen Opfer einen Faustschla­g ins Gesicht verletzt. Dem Flüchtende­n seien dann der Oberkommis­sar und der zweite Angeklagte gefolgt, hätten versucht, ihm in die Hacken zu treten. Dabei seien weitere Beleidigun­gen gefallen. Der Oberkommis­sar behauptet, er habe mit dem Tablett „nur herumgefuc­htelt“, aber nicht zugeschlag­en. Ob er dann auch noch mit der Faust zugeschlag­en habe, könne er nicht beschwören“. Den Flüchtende­n habe man verfolgt, um „endlich Ruhe zu haben“.

Mehrere damals an dem Ausflug beteiligte Beamte waren bei ihren Zeugenauss­agen sichtlich bemüht, die Angeklagte­n nicht zu belasten. Richter Michale: „Von den Kollegen hat keiner mehr so genau hingeschau­t, eher weggeschau­t, wenn es strafbar war.“Zumindest beim letzten Akt, der Verfolgung des Senegalese­n in Richtung Fuggerstra­ße, lagen dem Gericht die Aussagen neutraler Zeugen vor - zweier Taxifahrer und eines Hotelgaste­s.

Auch Staatsanwä­ltin Möller fiel das Aussagever­halten der Polizeikol­legen auf: „Immer wenn es kritisch wurde, hatten sie auffällige Erinnerung­slücken.“Sie hatte Haftstrafe­n von 16 Monaten für den Oberkommis­saar und ein Jahr für den Mitangekla­gten gefordert. Die beiden Verteidige­r Walter Martinek und Frank Sanwald kritisiert­en die Vernehmung­smethoden der Augsburger Kripo und sahen das gesamte Geschehen nicht so dramatisch. Für den Oberkommis­sar hielt Martinek eine Geldstrafe für angebracht, weil „faktisch nichts passiert ist.“Sein Anwaltskol­lege forderte für den Mitangekla­gten einen Freispruch.

Nach dem Vorfall waren die betroffene­n Beamten der B-Schicht der Giengener Polizei versetzt worden. Der Oberkommis­sar, so hatten die Augsburger Ermittler festgestel­lt, hegt offenbar gegen Flüchtling­e ohnehin eine Antipathie. Auf „Facebook“hatte er ein AfD-Plakat, das sich gegen die Bundeskanz­lerin und gegen Flüchtling­e richtet, geteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig. Deshalb muss der Polizist die Haftstrafe zunächst nicht antreten. Der Beamte wird wohl gegen das Urteil in die Berufung gehen. Dann gibt es ein neues Verfahren am Landgerich­t.

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Am Königsplat­z wurde ein Afrikaner attackiert. Als die Augsburger Polizei eintraf, stellte sich heraus, dass die mutmaßlich­en Tä ter Polizisten aus Baden Württember­g waren. Zwei von ihnen wurden nun verurteilt.

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